Gardelegen-Letzlingen. Deutschland wird nach 2019 erneut im Jahr 2023 die Verantwortung für den Heeresanteil der sogenannten „Speerspitze der NATO“ übernehmen. Derzeit laufen die Vorbereitungen auf dem Truppenübungsplatz in der Letzlinger Heide. Noch-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer verschaffte sich am vergangenen Dienstag (9. November) im Gefechtsübungszentrum Heer einen Eindruck von der Ausbildung. Die CDU-Politikerin sagte dort, sie sehe die Vorbereitungen auf einem „durchaus guten Weg“. Allerdings gebe es „noch einiges an Verbesserungen“ …
Das „Gefechtsübungszentrum Heer für landbasierte Operationen“ im sachsen-anhaltischen Gardelegen (Ortsteil Letzlingen) ist die modernste Ausbildungseinrichtung für Streitkräfte in Europa. Durch ein Simulationssystem können Übungen der Truppe in Echtzeit am Computer mitverfolgt und ausgewertet werden. Das Gefechtsübungszentrum – kurz GÜZ – ist die zentrale Ausbildungseinrichtung der größten Bundeswehr-Teilstreitkraft zur Einsatzausbildung und truppengattungsgebundenen Ausbildung.
Verbände nutzen das Übungszentrum für landbasierte Operationen verbundener Kräfte. Neben dem Heer üben im Zentrum auch Soldaten anderer militärischer Organisationsbereiche und bei Bedarf auch NATO-Partner.
Erfahrene Ausbilder, die ihr Wissen aus den Auslandseinsätzen einbringen, werden mit der übenden Truppe im Gelände eingesetzt. Sie beraten die Teilnehmer auf allen Ebenen, als Bataillonskommandeure, Kompaniechef oder Zugführer. In der Ausbildung für die Landesverteidigung (Stichwort „Operation verbundener Kräfte“) stehen unter anderem folgende Themen im Mittelpunkt: Verteidigung, Verzögerung, Angriff.
In der Auswertegruppe des GÜZ werden die Ereignisse der gesamten Übung mithilfe der Systemtechnik in der Zentrale aufbereitet und für die Besprechungen bereitgehalten. Die Auswertegruppe verfolgt den gesamten Übungsverlauf und wertet diesen mit dem Leitenden aus.
Der Ausbildungsverband unterstützt alle Ausbildungs- und Übungsvorhaben und übernimmt in Szenarien die Rollen als militärischer Gegner, Vertreter ethnischer Gruppierung oder Konfliktparteien.
Die Systemtechnik ist das Mittel, welches das Gefechtsübungszentrum zur modernsten militärischen Ausbildungseinrichtung in Europa macht. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, das Übungsgeschehen jederzeit in der Zentrale mitzuverfolgen. Die Ausbilder können unter anderem die genaue Position und den „Verwundungsgrad“ jedes einzelnen Soldaten überwachen.
All diese Informationen machen eine Übung am GÜZ so besonders. Die Auswertung eines Übungsabschnittes basiert nicht mehr nur auf den Wahrnehmungen eines Schiedsrichters beziehungsweise Ausbilders vor Ort, sondern kann mit einer Vielzahl von Daten über jede Sekunde des Geschehens dokumentiert werden.
Auch die Soldaten und Fahrzeuge, die mit der Systemtechnik ausgerüstet sind, erhalten Informationen über ihren Zustand im System und können so entsprechend reagieren.
Das Ausbildungsgerät Duellsimulator, kurz AGDUS, stellt den Kern des Simulationssystems dar. Es ist verantwortlich für die lasergestützte Simulation von Schüssen und Treffern. AGDUS besteht im Wesentlichen aus Sendeeinheiten für die verschiedenen Waffensysteme und Sensoren für die Soldaten und Fahrzeuge, die die Lasersignale aufnehmen.
Die Zentrale ist das Herzstück des Gefechtsübungszentrums Heer. Hier laufen alle Daten in einer großen Serveranlage zusammen. An 64 identisch aufgebauten Arbeitsplätzen kann das gesamte Übungsgeschehen in Echtzeit mitverfolgt werden.
Der Truppenübungsplatz Altmark befindet sich in der Colbitz-Letzlinger Heide, zwischen den Städten Haldensleben, Gardelegen, Stendal und Burg. Er hat eine Größe von rund 23.000 Hektar, eine maximale Nord-Süd-Ausdehnung von 30 Kilometern und eine Breite von zwölf Kilometern. Er bietet mit seiner Ausbildungsinfrastruktur optimale Voraussetzungen für die simulationsgestützte Ausbildung ohne scharfen Schuss. Auf diese Ausbildung ist – wie zuvor skizziert – das Gefechtsübungszentrum Heer spezialisiert.
Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal des GÜZ ist die Übungsstadt Schnöggersburg auf dem Truppenübungsplatz Altmark. Auf einem Areal von mehr als sechs Quadratkilometern stehen etwa 500 Gebäude, eine 16 Kilometer lange Straße, 800 Meter Flusslauf und fast 600 Meter begehbare Kanalisation mit 20 Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten als urbane Trainingsmöglichkeit zur Verfügung.
Neben Schnöggersburg betreibt die Bundeswehr auch noch auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg (im unterfränkischen Landkreis Bad Kissingen) die Ortskampfanlage Bonnland. Bei Bonnland handelt es sich um ein abgesiedeltes Dorf mit rund mit 120 Gebäuden für militärische und zivile Übungen.
Zurück zum Truppenbesuch von Annegret Kramp-Karrenbauer im GÜZ. Dort übte während ihrer Stippvisite einer der drei Gefechtsverbände für die „Speerspitze der NATO“, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF).
Geführt wird die multinationale Landbrigade VJTF 2023 in den Jahren 2022 bis 2024 von der Panzergrenadierbrigade 37 „Freistaat Sachsen“. Das zur Brigade gehörende Panzerbataillon 393 aus dem thüringischen Bad Frankenhausen, das den Kern eines der drei Gefechtsverbände der NATO bilden wird, absolvierte zum Zeitpunkt des Ministerbesuchs gerade eine 14-tägige Übung mit mehr als 1000 Kräften sowie Kampf- und Schützenpanzern. Die Zertifizierung durch das Bündnis soll im April 2022 erfolgen.
Der NRF-Gefechtsverband bündelt zahlreiche militärische Fähigkeiten – (vier) Kampfkompanien, Joint-Fire-Beobachter der Artillerie, qualifizierte Fliegerabwehr, Sanitätskräfte, Pioniere, Heeresflieger, Feldjäger und Spezialisten der ABC-Truppe (ABC = atomar, biologisch, chemisch).
Das Training im Gefechtsübungszentrum Heer brachte auch diesmal wieder die Kampfunterstützer mit der Kampftruppe zusammen – alle übten gemeinsam das Gefecht. Ziel war es, die einzelnen Komponenten so aufeinander abzustimmen, dass bei der Übung zur Zertifizierung des Gefechtsverbandes alles wie bei einem Uhrwerk ineinandergreift. Zugleich konnten bei dieser Übung in der Altmark die Soldaten ihre ersten Kampferfahrungen mit dem rundum verbesserten Hauptwaffensystem der Panzertruppe, dem Leopard 2 A7V machen und dabei auch das Battle Management System (BMS), das Führungsinformationssystem SitaWare, einsetzen. Über die neue Leopard-Version und das SitaWare-System berichteten wir bereits (hier und hier).
Zu unserem Bild: Einweisung in das Führungsfahrzeug Boxer – Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer informierte sich im Rahmen ihres Besuches im Gefechtsübungszentrum Heer über den Stand der NRF-Vorbereitungen. Besonders interessierte sie sich für die bisherigen Erfahrungen der Soldaten mit neuem Material und neuen Systemen.
(Foto: Bill Drechsler/Bundeswehr)