Berlin/Berne/Kiel/Oldenburg. Neues vom Segelschulschiff „Gorch Fock“: Wie das Bundesministerium der Verteidigung auf Presseanfragen mitteilte, soll die Instandsetzung der Bark am Lürssen-Standort Berne aller Voraussicht nach Ende Mai dieses Jahres beendet sein und danach die Übergabe an die Deutsche Marine erfolgen. Die Generalüberholung des Dreimasters wird die Steuerzahler etwa 135 Millionen Euro kosten, angesetzt waren einst zehn Millionen Euro – eine gewaltige Kostenexplosion, die auch schon den Bundesrechnungshof beschäftigt hat. Großen Ärger machen die Naturschützer. Sie werfen dem Bund vor, für das Deck des Segelschulschiffs illegal geschlagenes Teakholz aus Myanmar importiert und große Teile davon schon verbaut zu haben.
Die „Gorch Fock“ befindet sich seit Dezember 2015 in einer vollständigen Grundinstandsetzung, bei der nach und nach immer mehr Mängel aufgedeckt wurden. Am 3. März 2019 hatte der Bundesrechnungshof nach intensiven Untersuchungen dem Verteidigungsministerium eine vertrauliche Prüfungsmitteilung zugestellt und darin unter anderem strengere Kontrollen bei dieser Schiffssanierungen angemahnt.
Wie der SPIEGEL – der das Behördenpapier offenbar einsehen konnte – damals schrieb, „hatte die Bundeswehr die Schäden an dem Schiff nie richtig befundet und die mit knapp zehn Millionen Euro viel zu niedrige Kostenschätzung für die Sanierung blind akzeptiert“. Aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes sei zudem – so das Magazin – „offensichtlich, dass man den Prüfern des zuständigen Marinearsenals, die die Schlampereien der vergangenen Jahre durchgehen ließen, nicht mehr vertraut“. Die Bonner Behörde hätte deswegen strenge Kontrollen von „Experten, die nicht der Bundeswehr angehören“, gefordert.
Nach aktuellem Stand sehen die Planungen vor, dass die „Gorch Fock“ nach einer Instandsetzungsdauer von mehr als fünf Jahren voraussichtlich am 31. Mai 2021 fertig sein wird und die Marine dann ihr Schiff wieder in Empfang nehmen kann. Eine Nachfrage des bundeswehr-journal beim Presse- und Informationszentrum der Teilstreitkraft bestätigte, dass die ausführende Werft im Zeitrahmen liegt. Wir erfuhren auch, dass nach der Übernahme der „Gorch Fock“ sich zuerst wieder die Stammbesatzung mit dem Schiff vertraut machen soll. Erst danach soll wieder die eigentliche Offiziersausbildung an Bord beginnen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums hatte zuvor gegenüber den Medien erklärt, Ziel sei, dass die „Gorch Fock“ bereits im März wieder aus dem Berne-Dock an der Unterweser „ins Wasser kommt“. Die erste Ausbildungsreise sei dann von Kiel aus für Juli 2021 geplant und werde „durch nordeuropäische Gewässer“ gehen.
In einer Pressemitteilung vom 3. März 2020 hatte die Firmengruppe Fr. Lürssen Werft GmbH & Co. KG angekündigt: „Die Fertigstellung des Segelschulschiffes ,Gorch Fock‘ [erfolgt jetzt] auf der Grundlage einer umfassend neubewerteten Leistungsbeschreibung mit entsprechend verbindlich formulierten Zielvorgaben und realistischem Zeithorizont. Unter den in Zusammenarbeit mit dem Kunden definierten Rahmenbedingungen plant Lürssen einen Abschluss dieses anspruchsvollen Projektes bis spätestens 31. Mai 2021.“ Ein Pressesprecher des Unternehmens bejahte gegenüber dem bundeswehr-journal jetzt die Frage, ob diese Terminzusage eingehalten werden könne.
Derzeit erfolgt der Innenausbau. Seit einigen Wochen hat der Stahlrumpf auch seine weiße Farbe wieder. Zu Beginn der Sanierung war auf dem Rumpf ein grau-grüner Schutzanstrich aufgetragen worden.
Auch wenn die Bark in einigen Wochen nach langer Odyssee wieder in ihren Heimathafen Kiel festmachen wird, so wird sie doch nach wie vor von großem Ärger begleitet.
Der Deutsche Naturschutzring etwa, Dachverband der nationalen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen mit heute fast 90 Mitgliedsorganisationen, wirft dem Bund vor, für das Deck der „Gorch Fock“ illegal geschlagenes Teakholz aus Myanmar, dem früheren Burma, importiert zu haben. Das Burma-Teak stamme von einem myanmarischen Mafiaboss. Die Organisation klagt beim Verwaltungsgericht Köln darauf, das Einbauen des Hartholzes sofort zu stoppen.
Dunkle Wolken auch in Oldenburg – hier arbeitet noch immer die im Januar 2019 gegründete Ermittlungsgruppe „Wasser“ die bekannt gewordenen Vorwürfe rund um die Instandsetzung des Segelschulschiffs auf. Die Ermittlungsgruppe wurde in der Zentralen Kriminalinspektion Oldenburg eingerichtet. Bei der Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen der Staatsanwaltschaft Osnabrück werden sämtliche Verfahrenskomplexe zu diesem Fall gebündelt.
Der Deutsche Naturschutzring wird in der Sache inhaltlich von der Organisation World Wide Fund For Nature (WWF) beraten, eine der größten Naturschutzorganisationen der Welt und in mehr als 100 Ländern aktiv.
Die Umweltschützer verweisen auf die Recherchen des WWF Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk. Diese hätten ergeben, dass bei der Restaurierung des Segelschiffs „höchstwahrscheinlich illegales Tropenholz aus Myanmar verwendet sowie gegen die Beschaffungsrichtlinien des Bundes verstoßen“ worden sei. Beim Export des Tropenholzes aus Myanmar sollen außerdem Exportsteuern hinterzogen worden sein. Damit gelte das Holz laut Europäischer Holzhandelsverordnung (EUTR – European Union Timber Regulation) als illegal. Anhaltspunkt für die Steuervermeidung seien die Zolldeklarationsnummern des Burma-Teaks, das für die Sanierung des Decks verwendet wird. Diese Nummern habe man beim Export des Holzes in Myanmar mehrmals geändert, behauptet WWF Deutschland in einer Presseerklärung.
Nach der Beschaffungsrichtlinie des Bundes darf für Bundesprojekte nur zertifiziertes Holz aus nachhaltigem Anbau verwendet werden. In Myanmar gebe es jedoch kein nachhaltig geschlagenes Teakholz, so die Umweltschützer.
Johannes Zahnen, seit 2003 beim WWF Deutschland zuständig für den Themenkomplex „Holz und Papier“, äußert sich in einem Pressestatement zu der Teakholz-Affäre: „Das Aushängeschild der Marine wird immer mehr zum Schiff der Schande. Erhärten sich die Vorwürfe, wird die ,Gorch Fock‘ gerade mit Hehlerware restauriert. Und die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung [BLE], deren Kernaufgabe es ist zu prüfen, ob das Holz rechtmäßig importiert wurde, will von all dem nichts mitbekommen haben. Das ist eines Rechtsstaates nicht würdig.“
Ob der Deutsche Naturschutzring und WWF Deutschland nun vor Gericht Gehör finden (und vor allem wie schnell), ist ungewiss. Am 4. Dezember hat das Verwaltungsgericht Köln in einer sogenannten „Zwischenentscheidung“ festgelegt, dass die Arbeiten am Segelschulschiff „Gorch Fock“ vorerst fortgesetzt werden dürfen. Ein endgültiges Urteil soll folgen. Dazu der Norddeutsche Rundfunk (NDR) in einem Beitrag: „Nach Angaben [einer Sprecherin] des Gerichts war beantragt worden, dass die Richter einen sofortigen Stopp der Arbeiten auf dem Schiff verfügen – noch bevor sie im laufenden Eilverfahren zu einer Entscheidung kommen. Dies wurde vorerst abgelehnt.“ Der NDR weiter: „Das Gericht nannte dafür zwei Argumente: Zum einen sei der Einbau des Holzes nicht zwingend unumkehrbar. Zum anderen sei nach vorliegenden Informationen schon ein Großteil des Holzes verbaut. Das Oberverwaltungsgericht Münster, das sich kurz darauf mit einer Beschwerde gegen die Kölner Entscheidung befasste, untermauerte den Beschluss. Die Beschwerde wurde abgewiesen.“
Laut einer Pressesprecherin von WWF Deutschland steht eine endgültige Gerichtsentscheidung noch aus. Gegenüber dem bundeswehr-journal wies sie darauf hin, dass das Eilverfahren derzeit noch andauere.
Dass bei der Beschaffung des Teakholzes für die Instandsetzung der „Gorch Fock“ der interministerielle „Gemeinsame Erlass zur Beschaffung von Holzprodukten“ nicht beachtet und der Nachweis einer nachhaltigen Holzwirtschaft nicht eingeholt worden ist, hat die Bundesregierung bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingeräumt.
In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen schrieb die Regierung am 20. Juli 2020, man habe das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) angewiesen, den Erlass bei zukünftigen Beschaffungen einzuhalten. Ebenso räumte die Bundesregierung ein, dass der Import von Teakholz aus Myanmar vor dem Hintergrund der Holzhandelsverordnung der Europäischen Union und des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes „rechtskonform kaum möglich“ sei. Darauf habe die dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nachgeordnete BLE vor dem Hintergrund einer EU-weit einheitlich veränderten Rechtsauffassung [bereits im Juni 2018] aufmerksam gemacht. Die Verwendung des schon in den Jahren bis 2017 importierten Naturwaldteaks [aus Myanmar] – einschließlich dessen für die „Gorch Fock“ – sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Bundesregierung weist in ihrer Antwort auch darauf hin, dass es nach ihrer Kenntnis derzeit keine Alternative zu Naturwaldteak für das Arbeitsdeck eines Segelschulschiffes gebe. Die Nutzung eines solchen Decks stelle höchste Ansprüche an die verwendeten Hölzer. Naturwaldteak eigene sich aufgrund seiner hervorragenden Eigenschaften wie Witterungsbeständigkeit und geringe Splitterneigung.
Mit Bekanntwerden der Vorwürfe im Zusammenhang mit der Instandsetzung der „Gorch Fock“ wurde in der Zentralen Kriminalinspektion Oldenburg Anfang Januar die Ermittlungsgruppe „Wasser“ eingerichtet und mit der Durchführung der Untersuchungen beauftragt. Dies gaben am 2. April 2020 die Staatsanwaltschaft Osnabrück und die Polizeidirektion Oldenburg in einer gemeinsamen Pressemitteilung bekannt.
Über diese Maßnahme sagte damals Polizeipräsident Johann Kühme: „Die Erweiterung der bisherigen Ermittlungsgruppe zur Sonderkommission ,Wasser‘ bedeutet insbesondere eine deutliche Personalverstärkung.“ Mit der Bündelung sämtlicher Verfahrenskomplexe bei der Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen der Staatsanwaltschaft Osnabrück sowie in Anbetracht der bislang gewonnenen Erkenntnisse würden darüber hinaus die staatsanwaltschaftlichen und die polizeilichen Ermittlungen verstärkt. Der Leitende Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck äußerte sich ebenfalls im April vergangenen Jahres: „Die Einrichtung einer Soko bei der Polizei begrüße ich. Aufgrund der Komplexität des Verfahrens habe ich in meiner Behörde weitere Dezernenten mit Spezialwissen in die Ermittlungen einbezogen.“
Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Osnabrück jetzt auf Nachfrage des bundeswehr-journal bestätigte, ist die Sonderkommission „Wasser“ immer noch intensiv mit den Ermittlungen rund um die „Gorch Fock“-Instandsetzung befasst.
Wir hatten in der Vergangenheit immer wieder über den Fall „Gorch Fock“ berichtet, letztmalig am 22. November 2020. Das Thema „Illegales Teakholz für die ,Gorch Fock‘ aus Myanmar“ war Schwerpunkt unseres Beitrags am 13. November 2018.
Die Aufnahme zeigt das Segelschulschiff „Gorch Fock“ im Juni 2019 nach massiven Umbauarbeiten auf dem Weg von Bremerhaven nach Berne an der Unterweser zur weiteren Instandsetzung. In Bremerhaven lag die Bark mehr als drei Jahre lang im Dock der Bredo-Werft.
(Foto: Tvabutzku/Wikipedia/Wikimedia Commons/unter Lizenz CC0 1.0 –
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Kleines Beitragsbild: Heckansicht des Segelschulschiffs „Gorch Fock“.
(Foto: nr)