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Bamako, Gao (Mali)/Berlin/Potsdam/Köln-Wahn. Mali, die einstige Vorzeigedemokratie in Westafrika, gilt – neben Afghanistan – als gefährlichstes Einsatzgebiet für Bundeswehrangehörige. Bei der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (VN) MINUSMA sind seit dem 25. April 2013, dem Beginn des Einsatzes, bis heute nach eigenen Angaben der Organisation 245 Soldaten und Mitarbeiter ums Leben gekommen. Am heutigen Freitagmorgen nun hat es einen verheerenden Anschlag auf deutsche Soldaten gegeben. Die erste Meldung darüber wurde vom MINUSMA-Hauptquartier in Bamako auf Twitter um 11:52 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) veröffentlicht. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte sich später zum Anschlag auf der Bonner Hardthöhe bei einem Pressetermin. Nach ihrem Statement ließ sie keine Zusatzfragen mehr zu.

Nach Darstellung des Bundesministeriums der Verteidigung wurde in den Morgenstunden des 25. Juni gegen 8:30 Uhr (MESZ) deutsche MINUSMA-Soldaten rund 180 Kilometer nördlich von Gao durch einen Selbstmordanschlag mit einem improvisierten, fahrzeuggestützten Sprengsatz angegriffen (MINUSMA: Mission multidimensionnelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali/United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali).

Dabei wurden zwölf deutsche Soldaten verwundet, drei von ihnen schwer. Ein weiterer VN-Soldat einer Partnernation wurde ebenfalls verwundet. Die Opfer des Anschlags wurden umgehend medizinisch versorgt und unter Einsatz ziviler Rettungshubschrauber eines Vertragspartners sowie eines VN-Hubschraubers zur weiteren Behandlung nach Gao ausgeflogen. Die Verwundeten sollen jetzt mit einem strategischen Verwundetenlufttransport (StratAirMedEvac) zeitnah zur weiteren Behandlung nach Deutschland ausgeflogen werden.

Laut Twitter-Meldung von MINUSMA am Vormittag ereignete sich der Anschlag „in der Nähe des Dorfes Ichagara in der Gemeinde Tarkint, Region Gao“. MINUSMA und die VN verurteilten den Angriff auf die Soldaten „aufs Schärfste“.

Ähnlich dramatische Zwischenfälle hat es in Mali in der Vergangenheit immer wieder gegeben (siehe beispielsweise hier). Die Bundeswehr ist aktuell – Stand 25. Juni – mit 897 Männer und Frauen bei MINUSMA im Einsatz, bei EUTM mit 99 Kräften (über die Hintergründe der Auseinandersetzungen in Mali siehe hier).

Rettungskette der Bundeswehr in Mali hat „gegriffen“

Kramp-Karrenbauer trat im Verteidigungsministerium in Bonn um 15:30 Uhr vor die Presse. Wir dokumentieren nachfolgend ihre Informationen und Aussagen in leicht gekürzter Form – die Ministerin führte unter anderem aus:

„… Ich möchte Sie und die Öffentlichkeit über die Situation informieren. Der Anschlag fand um 8:28 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit statt. Er fand statt 180 Kilometer nordöstlich von Gao. Betroffen sind zwölf deutsche Soldaten und ein weiterer VN-Soldat der Mission MINUSMA. Diese Soldaten sind verwundet worden, davon drei schwer. Die Rettungskette – so wie wir sie vor Ort aufgebaut haben – hat gegriffen, und alle Verwundeten wurden mit Hubschraubern aus dem betreffenden Bereich evakuiert. Die medizinische Versorgung läuft derzeit. Sie läuft sowohl in der deutschen, in der französischen, aber auch in der chinesischen Sanitätseinrichtung in Gao.“

Über die Anschlagsopfer teilte sie mit: „Zwei der Schwerverletzten sind in einem stabilen Zustand, ein Dritter wird zur Stunde noch operiert – ihm gelten unsere besonderen Gedanken. […] Die militärischen Operationen vor Ort sind noch nicht abgeschlossen, denn es geht zum einen darum, alle Verletzten bestmöglich zu versorgen. Und es geht darum, alle Soldatinnen und Soldaten, die noch vor Ort am Anschlagsort sind, jetzt so schnell und so sicher wie möglich in das Feldlager nach Gao zurückzubringen. Darauf konzentrieren wir uns heute mit ganzer Kraft.“

Danach äußerte sich Kramp-Karrenbauer über das weitere geplante Vorgehen. Sie erklärte: „Für den Transport – den Rücktransport der Verwundeten nach Deutschland – haben wir die entsprechenden Vorkehrungen getroffen. Ein entsprechendes Evakuierungsflugzeug ist in Bereitschaft, um die Schwerverwundeten in die Heimat auszufliegen, sobald ihr Zustand dies zulässt. Der A400M, der entsprechend ausgerüstet ist, wird heute Nacht direkt nach Gao fliegen. Wir hoffen dann, in den frühen Morgenstunden die ersten Schwerverletzten nach Hause bringen zu können. Alle anderen Verletzten sollen dann im Zuge der nächsten Stunden und Tage folgen.“

Priorität hatte die Benachrichtigung der betroffenen Familien

Kramp-Karrenbauer bat die Medienvertreter anschließend um Verständnis für die Kommunikationspolitik ihres Hauses: „Heute war es besonders wichtig, dass wir zuerst die Angehörigen informieren konnten – das ist bis auf eine Familie auch gelungen. Ich darf mich bei all denjenigen im parlamentarischen Bereich aber auch in den Medien bedanken, die bisher mit ihren Meldungen sehr zurückhaltend waren – auch mit Rücksicht auf diese Familien.“

Danach signalisierte sie bereits, nach ihrem Pressestatement keine weiteren Fragen beantworten zu wollen: „Über alle weiteren Fragen – die es ja auch mit Recht gibt: nämlich was die Hintergründe sind, wer hinter dem Anschlag steckt, was das für die militärische Situation bedeutet, was es möglicherweise für die Mission bedeutet, wie die Situation vor Ort ist – das sind alles Fragen, die sich stellen, mit denen wir uns auch in den nächsten Tagen sicherlich befassen werden, aber nicht heute. Heute ist der Tag, an dem wir vor allen Dingen bei den verletzten Kameraden sind, bei ihren Familien und bei all unseren Soldatinnen und Soldaten, die im Einsatz sind in Mali bei MINUSMA, bei EUTM [der European Union Training Mission Mali], aber auch sonst wo in der Welt. Ich selbst halte im Moment vor allen Dingen über das Einsatzführungskommando [in Potsdam] Kontakt zu Mali. Ich werde in den nächsten Tagen – sobald es die Situation vor Ort zulässt – selbst auch mit dem Einsatzkontingent reden und mir die Informationen noch einmal geben lassen: das wird dann auch der Moment sein, wo wir sicherlich detaillierter die Öffentlichkeit weiter informieren werden. Dafür bitte ich um Ihr Verständnis und darf mich für Ihre Zurückhaltung – auch im Namen der Angehörigen und aller betroffenen Soldatinnen und Soldaten – bedanken.“

Die Verteidigungsministerin beendete den Termin vor den Medienvertretern schließlich mit den Worten: „Der Anschlag heute macht auf eine sehr dramatische und schreckliche Art und Weise deutlich, dass der Eid, den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr schwören – dass sie dieses Land verteidigen, dass sie in den Einsatz gehen und dass sie notfalls auch bereit sind, ihre Gesundheit und ihr Leben einzusetzen – nicht nur leere Worte sind. Sie sind Realität, und sie können jederzeit Realität werden, so wie das heute leider der Fall ist. Wir sind in Gedanken, in unseren Herzen, in unseren Gebeten bei diesen Soldatinnen und Soldaten, bei ihren Familien. Und wir hoffen, dass alle wieder gesund werden.“

Respekt und Anerkennung für den gefährlichen Auslandseinsatz

Bereits am Nachmittag hatten Mitglieder der Bundesregierung, Politiker der Opposition sowie Vertreter der Parteien vor allem den Kurznachrichtendienst Twitter genutzt, um sich zu dem Anschlag bei Tarkint zu äußern. Eine kleine Auswahl …

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, mahnte beispielsweise an: „Unsere Soldaten riskieren im Dienst ihr Leben – wir können ihnen nicht genug danken!“

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erklärte: „Die Unionsfraktion ist erschüttert über den Anschlag auf deutsche und VN-Soldaten in Mali. Dies ist seit langer Zeit das erste Mal, dass deutsche Soldaten wieder bei einem Angriff gegen sie zu Schaden kamen. Vor vier Jahren haben wir zwei Piloten bei einem Hubschrauberunfall in Mali verloren. Unsere Gedanken sind bei den Verwundeten, ihren Angehörigen und ihren Kameraden.“

Außenminister Heiko Maas äußerte: „Mit großer Betroffenheit habe ich erfahren, dass ein Anschlag auf das deutsche Einsatzkontingent bei MINUSMA in Mali verübt wurde. Meine Gedanken sind zuallererst bei den Verletzten. Ich verurteile diesen feigen Anschlag gegen die Soldatinnen und Soldaten.“

Regierungssprecher Steffen Seibert formulierte: „Mit unseren Gedanken sind wir bei den deutschen Soldaten, die bei einem Anschlag in Mali verwundet wurden, einige von ihnen schwer. Wir wünschen ihnen von Herzen, dass sie wieder gesund werden. Auch ihre Familien sollen in diesen bangen Stunden wissen, dass wir an sie denken.“

Der CSU-Parteivorsitzender Markus Söder sprach ebenfalls von einem „feigen Angriff auf die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz für Frieden und Sicherheit“. Er erklärte: „Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Verletzten und ihren Familien.“

Siemtje Möller, Obfrau der SPD-Bundestagsfraktion im Verteidigungsausschuss versicherte den deutschen MINUSMA-Angehörigen: „Wir alle wissen um die Gefährlichkeit des Einsatzes, in den wir Sie entsenden. Umso mehr Respekt und Anerkennung gebührt Ihnen für den Dienst, den Sie in unserem Namen treu erfüllen.“

Tobias Lindner, sicherheitspolitischer Experte der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und zugleich Obmann seiner Fraktion im Verteidigungsausschuss, schrieb: „In diesen Stunden denke und bete ich für alle Verletzten, ihre Angehörigen und die Helfer.“

Politiker der Linken – so Dietmar Bartsch und Christine Buchholz – nutzten die Gelegenheit, sich auch parteipolitisch zu äußern. So meinte Bartsch auf Twitter: „Der Anschlag zeigt nochmals die Gefährlichkeit der Bundeswehreinsätze. Der nächste Bundestag sollte über Auslandseinsätze der Bundeswehr sehr grundsätzlich nachdenken und neu entscheiden.“ Buchholz kritisierte: „Die bittere Wahrheit ist: Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert. Trotzdem hat die Bundesregierung am Einsatz festgehalten.“

Ihre Anteilnahme bekundeten auch der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen. Fehlanzeige – zumindest auf Twitter – beim Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet. Der CDU-Politiker hatte sich noch vor dem NATO-Gipfel am 14. Juni in einem Interview mit der BILD am SONNTAG für höhere Militärausgaben Deutschlands und eine stärkere Übernahme von militärischen Lasten durch die Bundeswehr ausgesprochen. Die Truppe müsse in Zukunft mehr militärische Aufgaben übernehmen, so Laschet – etwa „in Afrika und rund um das Mittelmeer“. Speziell beim Bundeswehreinsatz in Mali hatte sich der Kanzlerkandidat von CDU/CSU „offen für eine Entlastung der Franzosen“ gegeben. Im Interview hatte Laschet argumentiert: „Wir sind in Mali mit Frankreich zusammen aktiv, und über eine stärkere Lastenteilung kann man immer sprechen.“

Wagenburg wurde zum Ziel des Selbstmordattentäters

Über den Anschlag bei Ichagara in der Gemeinde Tarkint informierten im Laufe des heutigen Freitags alle bedeutenden deutschen und ausländischen Medien. Zahlreiche zusätzliche Details des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL rundeten dabei das Nachrichtenbild ab.

So berichtete SPIEGEL-Chefkorrespondent Matthias Gebauer, dass die deutschen MINUSMA-Soldaten (die Bundeswehr spricht von einer „Kompanie“) bereits mehrere Tage lang einen malischen Konvoi auf dem Weg nach Kidal begleitet habe, einer Stadt am südlichen Rand des Ifoghas-Gebirgsmassivs. Im Gebauer-Beitrag heißt es weiter: „Offenbar hatten die Soldaten über Nacht eine sogenannte Temporary Operating Base (TOB) errichtet, da es bereits am Vortag bei der Begleitung [der malischen Soldaten] zu einem weniger gravierenden Sprengstoffanschlag gekommen war. Dabei wurde ein Fahrzeug beschädigt, deswegen wurde für die Nacht eine Wagenburg errichtet.“

Insgesamt seien zur Zeit des Angriffs rund 100 deutsche Soldaten und Soldatinnen am Ort des Anschlags gewesen, so Gebauer. Nach ersten Meldungen soll das Auto des Attentäters in die wohl aus 25 bis 30 deutschen Fahrzeugen bestehende Wagenburg gerast sein, dann sei der vorbereitete Sprengsatz gezündet worden.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Fahrzeug der VN-Mission MINUSMA in Nordmali auf Patrouille. Das Bild stammt vom 13. Juni 2021.
(Foto: Gema Cortes/MINUSMA)

2. Die Karte von Mali zeigt, wo sich am 25. Juni 2021 der Anschlag auf die deutschen MINUSMA-Soldaten ereignet hat. Das Hintergrundfoto, eine Luftbildaufnahme vom 11. Februar 2014, entstand in der Nähe von Gao.
(Foto: Marco Dormino/MINUSMA; Infografik © Christian Dewitz/mediakompakt 06.21)

3. Pressetermin mit Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am 25. Juni 2021 auf der Bonner Hardthöhe. Die Ministerin informierte ab 17:30 Uhr über die Ereignisse an diesem Freitag in Mali.
(Videostandbild: Quelle Ereignis- und Dokumentationskanal phoenix)

Kleines Beitragsbild: MINUSMA-Fahrzeuge im Norden Malis. Die Aufnahme stammt vom 11. Juni 2021.
(Foto: Gema Cortes/MINUSMA)


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