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Berlin. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat sich vor Kurzem nach der Anzahl gerichtlicher Disziplinarverfahren bei der Bundeswehr erkundigt. Die verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten wollte unter anderem wissen, wie viele Berufssoldaten in den vergangenen fünf Jahren aufgrund von extremistischen Umtrieben, Sexualdelikten und Umgang mit Kinderpornografie nach Abschluss eines solchen Verfahrens aus dem Dienst entfernt worden sind. Eine weitere Frage betraf die Statusgruppe „Soldaten auf Zeit“. Der Abgeordneten antwortete am 16. März der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Thomas Silberhorn.

Wie Silberhorn erklärte, sind durch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) bis zum Stichtag 5. März 2021 insgesamt 1149 Extremismusverdachtsfälle bearbeitet worden. Anspruch der Bundeswehr sei es, so führte der Staatssekretär weiter aus, erkannte Extremisten und Personen mit fehlender Verfassungstreue der Kategorien „Rot“ und „Orange“, aus ihren Reihen schnellstmöglich zu entfernen (zu den Farb-Kategorien des BAMAD siehe „Hintergrund“). „Soweit eine Entlassung wegen eines solchen Dienstvergehens aus Rechtsgründen nicht möglich ist, ist ein gerichtliches Disziplinarverfahren – soweit rechtlich möglich – mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst zu führen“, so die Erläuterung des Staatssekretärs dazu.

Silberhorns Informationen zufolge wurden seit dem 1. Januar 2015 vier Berufssoldaten wegen des Umgangs mit Kinderpornografie und drei Berufssoldaten wegen sonstiger Sexualdelikte nach Abschluss eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens aus dem Dienst entfernt (§ 63 Absatz 1 der Wehrdisziplinarordnung). Wegen extremistischer Umtriebe wurde in diesem Zeitraum kein Berufssoldat durch ein gerichtliches Disziplinarverfahren entlassen.

Berufssoldaten, die ihren Status aufgrund einer sachgleichen strafgerichtlichen Verurteilung bereits vor Abschluss eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens verloren haben, sind in diesem Teil der Statistik nicht erfasst.

Entfernung aus dem Dienst und andere gerichtliche Disziplinarmaßnahmen

Silberhorn wies auch darauf hin, dass Entfernungen aus dem Dienst häufig mit einer Berufung beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Auch wurde oft ein sachgleiches Strafverfahren durchgeführt. Demzufolge können Fälle auch bis ins das Jahr 2011 (Kenntnisnahme der jeweiligen Wehrdisziplinaranwaltschaft) zurückreichen.

Seit dem Jahr 2015 eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen, seien elf Verfahren gegen Berufssoldaten wegen des Umgangs mit Kinderpornografie sowie 49 Verfahren gegen Berufssoldaten wegen sonstiger Sexualdelikte, so der Staatssekretär. Die Kategorie „sonstige Sexualdelikte“ berücksichtige Fälle außerdienstlicher Sexualstraftaten erst seit Juni 2017.

Die Zahl der seit dem Jahr 2015 eingeleiteten, bis jetzt noch nicht abgeschlossen Verfahren gegen Berufssoldaten wegen extremistischer Umtriebe gab Silberhorn mit „38“ an.

Unterhalb der Schwelle „Entfernung aus dem Dienst“ habe man seit dem 1. Januar 2015 zehn Berufssoldaten wegen des Umgangs mit Kinderpornografie, 37 Berufssoldaten wegen sonstiger Sexualdelikte und vier Berufssoldaten wegen extremistischer Umtriebe nach Abschluss eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens mit einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme gemaßregelt (unter anderem Herabsetzung im Dienstgrad oder der Besoldungsgruppe).

Enger rechtlicher Rahmen durch Soldaten- und Beamtengesetz

Die zweite Frage der FDP-Politikerin betraf die Statusgruppe der Soldaten auf Zeit. Strack-Zimmermann wollte wissen: „Wie viele Soldatinnen und Soldaten auf Zeit hat die Bundeswehr in den vergangenen fünf Jahren nach § 55 Absatz 5 des Soldatengesetzes in der noch geltenden Fassung aufgrund von extremistischen Umtrieben, Sexualdelikten und Umgang mit Kinderpornografie fristlos entlassen, und wie viele [Personen aus dieser Statusgruppe] hat die Bundeswehr im selben Zeitraum zwischen dem fünften und achten Dienstjahr nach Abschluss eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens aufgrund extremistischer Umtriebe, Sexualdelikten und Umgang mit Kinderpornographie aus dem Dienst entfernt?

Dazu die Regierungsantwort: „Im Zeitraum 2015 bis 2020 hat die Bundeswehr 12 Zeitsoldaten wegen des Umgangs mit Kinderpornografie, 36 Zeitsoldaten wegen sonstiger Sexualdelikte und 107 Zeitsoldaten aufgrund extremistischer Umtriebe nach § 55 Absatz 5 des Soldatengesetzes fristlos entlassen.“ In diesem Zusammenhang erfolgte auch der Hinweis: „Es gilt zu beachten, dass Angehörige des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung, die ein schweres Dienstvergehen begangen haben und deren Verbleib in der Bundeswehr die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft gefährden würde, nur unter den engen rechtlichen Voraussetzungen des Soldaten- und Beamtengesetzes entlassen werden können.“

Darüber hinaus – so die Antwort Silberhorns – habe die Bundeswehr seit dem 1. Januar 2015 gegen Zeitsoldaten, die sich im fünften bis achten Dienstjahr befanden, zwei Mal wegen des Umgangs mit Kinderpornografie, 21 Mal wegen sonstiger Sexualdelikte und 22 Mal wegen extremistischer Umtriebe gerichtliche Disziplinarmaßnahmen verhängt.

In der Vergangenheit haben wieder immer mal wieder über schwere und schwerste Verfehlungen längerdienender Bundeswehrangehöriger berichtet, beispielsweise hier oder hier.


Hintergrund                           

Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst hat im Zuge seiner Neuaufstellung 2017 eine neue Terminologie und Kategorisierung bei der Bearbeitung von Verdachtsfällen im Aufgabenbereich „Extremismusabwehr“ eingeführt. Diese sogenannte „Farbenlehre“ soll seitdem eine bundeswehreinheitliche und transparente Einordnung der Fallgruppen ermöglichen.

Kategorie Gelb:
Die Farbe „Gelb“ steht für die Aufnahme einer Verdachtsfallbearbeitung zu einer Person, zu der tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen vorliegen; diese können sich bereits aus Zweifeln an der Verfassungstreue ergeben. Die Schwelle für eine Aufnahme ist niedrig. In dieser Phase gilt es zu klären, ob der Verdacht tatsächlich begründet ist und ob die gewonnenen Informationen die Qualität vorhaltbarer Erkenntnisse haben.

Kategorie Grün:
Das Etikett „Grün“ bedeutet, dass ein zuvor bestehender Verdacht (nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst/MADG in Verbindung mit § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes/BVerfSchG) gegen eine Person inzwischen nicht mehr begründet ist.

Kategorie Orange:
Das Bearbeitungsergebnis „Orange“ signalisiert, dass die gesammelten Erkenntnisse zumindest die Feststellung einer fehlenden Verfassungstreue begründen. Die Frage, ob von der Person auch Bestrebungen gemäß § 1 Absatz 1 MADG ausgehen, ist Gegenstand weiterer Ermittlungen.

Kategorie Rot:
Die Farbe „Rot“ signalisiert, dass die vorliegenden Erkenntnisse die Einstufung der betreffenden Person als Extremist im Sinne des § 4 BVerfSchG rechtfertigen.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Symbolbild „Justitia – Göttin der Gerechtigkeit“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Foto: S. Hermann & F. Richter/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)

2. Die Parlamentarierin Marie-Agnes Strack-Zimmermann am 21. November 2017 im Plenarsaal des Bundestages. Die FDP-Politikerin sprach an diesem Dienstag zum Tagesordnungspunkt „Bundeswehreinsatz in Darfur (UNAMID)“.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)

3a. und 3b. – Infografiken zur Gesamtzahl der vom Verteidigungsministerium bekanntgegebenen schweren Dienstvergehen in den Statusbereichen „Berufssoldaten“ und „Soldaten auf Zeit“. Die addierten Zahlen ergeben sich aus den Detailinformationen des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Silberhorn vom 16. März 2021. Seine Angaben verdanken wir einer Schriftlichen Frage der FDP-Bundestagsabgeordneten Strack-Zimmermann. Das Hintergrundfoto unserer beiden Infografiken stammt vom 24. Februar 2015. Zu sehen sind Soldaten des Wachbataillons in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin, die an diesem Tag von dem damaligen Bundespräsident Joachim Gauck besucht wurden.
(Foto: Jana Neumann/Bundeswehr; Infografik © Christian Dewitz/mediakompakt 04.21)


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