Berlin. Als erstes Mitglied der neuen Biden-Regierung besuchte am gestrigen Dienstag (13. April) US-Verteidigungsminister Lloyd James Austin III. Deutschland. Beim ersten persönlichen Treffen zwischen ihm und seiner deutschen Amtskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer ging es um aktuelle Schwerpunkte der Sicherheits- und Verteidigungspolitik: das transatlantische Verhältnis, die Rolle der NATO, das Engagement im Indo-Pazifik-Raum, der Russland-Ukraine-Konflikt sowie gemeinsame Einsätze. Nach den Jahren der Trump-Turbulenzen diente das Treffen in Berlin vor allem auch der Kursbestimmung der neuen US-Administration sowie der Erörterung einer stabilen sicherheits- und verteidigungspolitischen Transatlantik-Agenda.
Wie ernst es der Regierung Biden damit ist, die Scherben der Vorgänger möglichst rasch und umfassend zu beseitigen, wurde auch bei diesem deutsch-amerikanischen Ministertreffen deutlich. Austin kündigte eine Aufstockung der US-Truppen in Deutschland um 500 Soldaten an und teilte mit, dass deren Stationierung in den hessischen Großstädten Wiesbaden und Darmstadt vorgesehen sei.
„Diese Truppen werden die Abschreckung und Verteidigung in Europa stärken“, sagte der frühere Heeresgeneral beim gemeinsamen Presseauftritt mit Kramp-Karrenbauer. Die Entscheidung zur Personalaufstockung sei zugleich eine Botschaft an die NATO und ein Zeichen der Wertschätzung an den Bündnispartner Deutschland. Austins Gastgeberin sprach von einem „starken Zeichen der Verbundenheit“.
Der im November 2020 abgewählte US-Präsident Donald Trump hatte noch im vergangenen Sommer damit gedroht, Truppen in großem Stil aus Deutschland abzuziehen (wir berichteten). Allzu offenkundig war, dass Trump den wirtschaftlich stärksten Bündnispartner in Europa für die (aus seiner Sicht) nur halbherzig getätigten Militärausgaben empfindlich abstrafen wollte. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium der Verteidigung hatten sich damals unmittelbar nach Bekanntwerden der Pläne in einer gemeinsamen Presseerklärung um eine Schadensübersicht bemüht. Zu lesen war: „Den vorliegenden Informationen zufolge plant die US-Regierung, die Präsenz permanent in Deutschland stationierter […] Soldaten auf maximal 25.000 zu verringern. 6400 […] Soldaten sollen in die USA zurückverlegt werden, zum Teil um von dort im Rahmen von Rotationen wieder in Europa eingesetzt zu werden. 5600 […] Soldaten sollen dauerhaft innerhalb Europas verlegt werden.“
Trumps Nachfolger Joe Biden hatte zwar den Truppenabzug bereits kurz nach seiner Vereidigung im Januar gestoppt. Dass nun zusätzliche Kräfte nach Deutschland kommen sollen, ist allerdings dann doch eine gewisse Überraschung. Auch Kapitän zur See David Helmbold, Sprecher des Verteidigungsministeriums, sieht dies so. Bei der gestrigen Regierungspressekonferenz äußerte er sich auf Nachfrage auch zur persönlichen Begegnung Kramp-Karrenbauers mit ihrem Amtskollegen aus Washington. Die Nachricht, dass die USA ihre Truppenpräsenz in Deutschland nicht reduzieren, sondern um etwa 500 Soldaten aufstocken wollen, bezeichnete Helmbold als „besonders erfreulich“. Auch er sprach von einem „Signal der Verbundenheit“.
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer begrüßte ausdrücklich den – wie sie sagte – „Neustart der transatlantischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“. Die aktuellen Herausforderungen verlangten mehr denn je nach einem Schulterschluss. Sie versicherte ihrem Gast aus den USA, Deutschland sei sich seiner zentralen Rolle bei der zukünftigen Ausrichtung der NATO durchaus bewusst. Ziel der Bundesregierung sei es, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union in Ergänzung zur NATO zu stärken. Dazu wolle man das Strategische Konzept der NATO und den Strategische Kompass der EU in Einklang bringen. Beides seien Bestandteile der „sicherheitspolitischen DNA der Zukunft“, so Kramp-Karrenbauer.
Auch Austin erklärte, die Vereinigten Staaten seien bereit, äußerst eng mit Europa zusammenarbeiten. Die USA blieben zu einhundert Prozent in der NATO engagiert.
Ein weiteres Thema auf der Agenda des Ministertreffens in Berlin waren die derzeitigen russischen Übungsaktivitäten und Truppenbewegungen in der Grenzregion zur Ukraine. Dazu erklärte Kramp-Karrenbauer: „Wir sind uns einig, dass die NATO hier besonders wachsam sein und entschlossen und eng abgestimmt auf die Entwicklungen reagieren muss – wir bleiben dazu in engem Austausch.“
Wichtiger Gesprächspunkt war auch eine mögliche amerikanisch-deutsche Kooperation im Indo-Pazifik-Raum. „Diese Region wird für die internationale Stabilität immer wichtiger“, meinte Kramp-Karrenbauer. Auch Deutschland habe dort vitale Interessen. Die Entsendung der Fregatte „Bayern“ im zweiten Halbjahr 2021 sei ein Zeichen zur sichtbaren Umsetzung der Indo-Pazifik-Politik der Bundesregierung. Deutschland suche dabei den engen Dialog zu den USA. Zielsetzung sei ein nachhaltiges Engagement über das Jahr 2021 hinaus.
Wie die beiden Verteidigungsminister in ihren Pressestatements erklärten, hatten auch der Truppenabzug aus Afghanistan, die Lage im Irak und der globale Terrorismus eine wichtige Rolle bei den intensiven deutsch-amerikanischen Gesprächen gespielt.
Das Bild zeigt Annegret Kramp-Karrenbauer und ihren Gast aus Washington, Minister Lloyd J. Austin, am 13. April 2021 im Verteidigungsministerium in Berlin.
(Foto: Jack Sanders/Department of Defense)
Kleines Beitragsbild: Der Coronavirus-Pandemie geschuldet – Sicherheitsabstand zwischen Austin und seiner deutschen Amtskollegin Kramp-Karrenbauer beim Pressetermin nach den bilateralen Gesprächen.
(Foto: Jack Sanders/Department of Defense)