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Berlin/Oberndorf am Neckar. Nach gut zwei Jahren Prüfung hat nun das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie der in Luxemburg ansässigen Finanzholding CDE (Compagnie de Développement de l’Eau) die Freigabe zum Erwerb eines Mehrheitsanteils an der Heckler & Koch AG erteilt. Hinter der CDE, die eigenen Angaben zufolge bislang 5,1 Prozent an Heckler & Koch hielt, steckt der französische Geschäftsmann Nicolas Walewski. Walewski und seine CDE engagieren sich bereits seit 2015 in dem baden-württembergischen Rüstungsunternehmen, das seinen Firmensitz in Oberndorf am Neckar hat. Bisher hatte der deutsche Finanzinvestor Andreas Heeschen die Mehrheit.

Heckler & Koch gilt als einer der weltweit führenden Hersteller von Handfeuerwaffen. Seit fast 70 Jahren beliefert das Unternehmen Streitkräfte – darunter Sondereinsatzkräfte – der NATO und NATO-assoziierten Staaten sowie Polizeikontingente. Rund 900 Beschäftigte stellen Pistolen, Maschinenpistolen, Sturmgewehre, Präzisionsgewehre, Maschinengewehre und Granatwerfer her.

Der Waffenproduzent bemüht sich momentan um den Millionenauftrag der Bundeswehr „System Sturmgewehr“. Der Beschaffungsauftrag für rund 120.000 Nachfolgegewehre für das G36, bislang die Standardwaffe der deutschen Streitkräfte, hat nach Auskunft des Koblenzer Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (BAAINBw) einen geschätzten Wert von rund 245 Millionen Euro zuzüglich Mehrwertsteuer.

Nach zwei Verlustjahren in Folge nun zurück in der Gewinnzone

Arbeiteten anfangs Heeschen und Walewski noch vertrauensvoll zusammen, so gab es zuletzt fast nur noch Streit. Dieser eskalierte im Vorfeld einer außerordentlichen Hauptversammlung am 19. Dezember vergangenen Jahres in Rottweil. Unter anderem ging es dabei um die Besetzung des Aufsichtsrates, an dessen Spitze am 12. Juli 2019 der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat gewählt worden war. Großaktionär Walewski warf Kujat unter anderem „mangelnde Wirtschaftserfahrung“ vor und beantragte dessen Abwahl (wir berichteten).

Unerfreulich waren auch die Bilanzen von Heckler & Koch in der jüngsten Vergangenheit. Nach zwei Verlustjahren in Folge konnte der Waffenhersteller allerdings erstmals im vergangenen Jahr wieder einen kleinen Gewinn einfahren. In einer Pressemitteilung des Unternehmens zur Mehrheitsübernahme durch die Luxemburger Holdinggesellschaft CDE heißt es, dass man 2019 einen Gewinn in Höhe von 1,6 Millionen Euro habe erzielen können. Mit Blick auf das erste Halbjahr 2020 erwarte der Vorstand außerdem „eine weitere Umsatzsteigerung und Ergebnisverbesserung“.

Laut Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hatte Heckler & Koch für das Geschäftsjahr 2017 „unter dem Strich einen Verlust von gut 13 Millionen Euro“ verbuchen müssen, 2018 dann „rund acht Millionen Euro“. Die Rückkehr in die Gewinnzone sei durch folgende zwei Maßnahmen ermöglicht worden, schreibt Heckler & Koch in seinem Pressestatement: „Zum einen [durch] ein Kostensenkungsprogramm und eine deutliche Effizienzsteigerung in der Produktion, zum anderen [durch] eine Vereinbarung mit der Belegschaft, durch Mehrarbeit bei gleichzeitigem Lohnverzicht zur Konsolidierung des Unternehmens beizutragen.“

Weiter heißt es, die positive Entwicklung habe es der Firma ermöglicht, ein Investitionspaket in Höhe von 25 Millionen Euro zu schnüren. Mit diesem werde „seit Juli 2019 bis ins nächste Jahr hinein die Fertigung modernisiert und die Infrastruktur verbessert“. Heckler & Koch sei inzwischen „operativ wieder profitabel genug, um Investitionen wie diese aus dem eigenen Cashflow zu stemmen“. In diesem Zusammenhang machte Vorstandschef Jens Bodo Koch die Zusage: „Mit dem Engagement von CDE sind gut 900 zukunftsfeste und innovative Arbeitsplätze in Oberndorf gesichert.“

„Wesentliche Sicherheitsinteressen Deutschlands“ mussten gewahrt bleiben

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte der Aktionärin CDE die Freigabe zum Erwerb eines Mehrheitsanteils an der Heckler & Koch AG am vergangenen Mittwoch (15. Juli) erteilt. Die FAZ zitierte kurz darauf Investor Walewski. Der Franzose habe versichert, so das Blatt: „Heckler & Koch bleibt ein deutsches Unternehmen mit Sitz in Oberndorf.“ Dies sei – so die FAZ weiter – „offenkundig eine wichtige Zusage für das Bundeswirtschaftsministerium gewesen“. Denn bei der Zustimmung des Ministeriums habe wohl eine entscheidende Rolle gespielt, „wesentliche Sicherheitsinteressen Deutschlands“ bei dem Deal zu wahren.

Der Vorstand der Heckler & Koch AG selbst wurde laut Pressemitteilung des Unternehmens offiziell zwei Tage später, am 17. Juli, über den Eigentümerwechsel in Kenntnis gesetzt. Vorstandsvorsitzender Koch äußerte dazu: „Wir haben ein großes Interesse an klaren und stabilen Eigentümerverhältnissen. Mit einem finanzstarken, langfristig orientierten Mehrheitseigner wie CDE ist die wirtschaftliche Stabilität von Heckler & Koch nun nachhaltig garantiert. Der seit 2018 eingeschlagene Konsolidierungskurs kann jetzt konsequent fortgeführt werden.“

Ausdrücklich bekenne sich der neue Mehrheitseigner CDE auch zur „Grüne-Länder-Strategie“ des Unternehmens, so Heckler & Koch in seiner Pressemitteilung weiter. Dort wird erklärt: „[Nach der ,Grüne-Länder-Strategie‘] beliefert das Unternehmen nur noch demokratische Staaten, die insbesondere der NATO und/oder der EU angehören sowie der NATO gleichgestellt sind. Es gehört zu den unternehmerischen Grundsätzen von Heckler & Koch, dass Waffen in die richtigen Hände gehören. Für Heckler & Koch sind dies Soldaten und Polizisten in demokratischen Ländern, die für Sicherheit und Unversehrtheit der Bürger sorgen.“

Neues Sturmgewehr G95K für die Spezialkräfte der Bundeswehr

Den „Gesamtausblick für die nächsten Jahre“ schätzt die Firma positiv ein. In der Presseerklärung findet sich folgende Begründung: „[Heckler & Koch konnte] das zweite Jahr in Folge einen Rekordauftragseingang verzeichnen. Im laufenden Jahr hat das Unternehmen mit der Auslieferung von 2000 Mitteldistanzwaffen an die hessische Polizei zum Schutz der Bürger bei Terror- und Amok-Lagen begonnen. Ebenfalls noch in diesem Jahr werden die Spezialkräfte der Bundeswehr das neue Sturmgewehr G95K (HK416 A7) von Heckler & Koch einführen. Diese Waffe löst das G36K ab, das ebenfalls aus Oberndorf stammt. Jüngster Erfolg von Heckler & Koch ist der Beginn der Auslieferung von etwas mehr als 6000 Präzisionsgewehren M110A1 (Squad Designated Marksman Rifle/Zielfernrohrgewehr/SDMR) an die U.S. Army.“

Das BAAINBw hatte die Oberndorfer am 10. Oktober 2017 mit der Lieferung von insgesamt 1745 neuen Sturmgewehren G95K zur Ausstattung des Kommandos Spezialkräfte und des Kommandos Spezialkräfte der Marine betraut (siehe unseren damaligen Beitrag). Insgesamt waren fünf Waffenfirmen angetreten, um den Zuschlag für diesen Rüstungsauftrag zu bekommen. Neben Heckler & Koch waren dies C.G. Haenel aus dem südthüringischen Suhl, die Kooperationspartner Rheinmetall (Düsseldorf) und Steyr Mannlicher (Kleinraming in Österreich), SIG Sauer aus Eckernförde und die Colt Canada Corporation (Kitchener/Ontario, Kanada).

Jetzt berichtete der SPIEGEL über große Spannungen zwischen Heckler & Koch und dem Bundesministerium der Verteidigung. Wie SPIEGEL-Chefreporter Matthias Gebauer in seinem Beitrag vom 17. Juli schreibt, beklagt das Ministerium „in einem vertraulichen Bericht von Mitte Juni einen ,Lieferverzug [bei den Sturmgewehren des Typs G95K] von aktuell acht Monaten wegen Qualitätsmängeln in der Serienfertigung beim Hersteller‘“.

Aktueller Streit erinnert an Auseinandersetzung um das Gewehr G36

Gebauer zitiert weiter aus dem Ministeriumsbericht. Demnach hätte es „zunächst Probleme mit dem Durchladehebel“ gegeben. Dann hätten „Teile der Waffen nicht die vertraglich vereinbarten Präzisionsanforderungen“ erfüllt. Wegen der Mängel hätte Heckler & Koch „eine Vertragsstrafe von 261.000 Euro“ zahlen müsse, so der Journalist.

Auf SPIEGEL-Anfrage habe das Unternehmen dementiert, zu der in dem ministeriellen Papier erwähnten Strafzahlung von rund einer Viertelmillion Euro verdonnert worden zu sein. Heckler & Koch teilte dem Magazin zum Vorwurf des Lieferverzuges zudem mit, es habe zwar „etwas länger“ gedauert, die Anforderungen des Kommandos Spezialkräfte zu erfüllen, mit der Waffe selbst jedoch gebe es „keine Probleme“.

Chefreporter Gebauer erinnert abschließend an die Turbulenzen um die Standardwaffe der Bundeswehr, das G36: „Im Jahr 2015 hatten das Wehrressort und Heckler & Koch monatelang vor Gericht darüber gestritten, ob die von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ausgemusterte Waffe unter Gefechtsbedingungen präzise genug trifft. Derzeit bewirbt sich Heckler & Koch um die Nachfolge des G36 – mit einem Modell, das dem jetzigen Problemkandidaten G95K sehr ähnlich ist.“

Redaktionelle ERGÄNZUNG

Unmittelbar nach Veröffentlichung unseres Beitrages setzte sich Heckler & Koch mit uns in Verbindung und bat darum, nachträglich noch unseren Lesern die auch dem SPIEGEL überlassenen Statements zur Thematik „G95K“ anzubieten. Wir räumen ein, dass es unsere journalistische Sorgfaltspflicht gewesen wäre, das Unternehmen schon früher wegen einer Stellungnahme zum zitierten SPIEGEL-Beitrag zu kontaktieren.

Auf die Frage „Trifft es zu, dass es wegen Problemen bei der Serienfertigung der G95K-Sturmgewehre für das KSK zu einer Lieferverzögerung von mindestens acht Monaten kommt?“ teilt Heckler & Koch mit: „Das HK416 A7 (G95K) bewährt sich seit vielen Jahren im Einsatz zahlreicher Spezialkräfte der NATO, so zum Beispiel in den USA, den Niederlanden und Polen. Die Forderungen des KSK an die Waffe umzusetzen, hat etwas länger gedauert, als von uns ursprünglich geplant. Die Waffen erfüllen heute alle Anforderungskriterien der Spezialkräfte. Wir gehen von einer Auslieferung der Waffen an das KSK im Laufe des zweiten Halbjahres aus.“

Zu den vom SPIEGEL behaupteten „Problemen“ mit der Waffe G95K versichert der Hersteller: „Es gibt keine Probleme mit der Waffe. Sie erfüllt alle Anforderungskriterien der Spezialkräfte.“

Zur Frage einer „vereinbarten Vertragsstrafe in Höhe von 261.000 Euro“ stellt das Unternehmen Heckler & Koch klar: „Nein, eine Vertragsstrafe wurde nicht vereinbart. Über Einzelheiten der Vertragsgestaltung mit dem Kunden kann Heckler & Koch keine Auskunft geben.“


Unser Bild zeigt den Firmensitz von Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar.
(Foto: Heckler & Koch AG)


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