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Berlin/Schrobenhausen/Bethesda (USA). Der 9. Juni 2015 könnte einmal zu einem besonderen Datum in der Geschichte der Luftverteidigung der Bundeswehr werden. An diesem Dienstag hatte die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Berlin bekanntgegeben, dass Deutschland als Nachfolger des Patriot-Systems ein neues taktisches Luftverteidigungssystem (TLVS) auf MEADS-Basis beschaffen wird (MEADS = Medium Extended Air Defense System). Die Auswahlentscheidung hatte der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr Volker Wieker getroffen. Jetzt hat das TLVS-Bieterkonsortium – ein Joint Venture von MBDA Deutschland und Lockheed Martin – beim Koblenzer Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) ein überarbeitetes Angebot eingereicht. Das Angebot umfasst Entwicklung, Erprobung, Zertifizierung und Lieferung des zukünftigen deutschen taktischen Luftverteidigungssystems.

Auch wenn die Grundsatzentscheidung zur Beschaffung des TLVS/MEADS bereits vor fünf Jahren gefallen ist, so lässt die Unterzeichnung der entsprechenden Verträge doch immer noch auf sich warten. Die europäische MBDA – ein Gemeinschaftsunternehmen von Airbus (37.5 Prozent), BAE Systems (37.5 Prozent) und Leonardo (25 Prozent) – hatte zwar schon 2016 allein ein Angebot vorgelegt, dies genügte dem Verteidigungsministerium jedoch nicht. Es gebe „grundlegende Zweifel, ob der Konzern in der Lage sei, ein derart großes Vorhaben allein zu stemmen“, hieß es damals im Wehrressort.

MBDA gründete daraufhin mit dem amerikanischen Rüstungskonzern Lockheed Martin (Sitz: Bethesda, US-Bundesstaat Maryland) ein Joint Venture. Das zweite Angebot, welches das Konsortium im Juni 2019 einreichte, erfüllte „nach Aussagen von Insidern“ – so berichtete es die Nachrichtenagentur Reuters – jedoch nicht „die Vorstellungen der Bundeswehr mit Blick auf Preis und Fähigkeiten“.

Nun im Frühjahr war das Konsortium zur Abgabe einer dritten Offerte aufgefordert worden, die die Grundlage für die finalen Vertragsverhandlungen bilden soll.

Mehr als 80 Unterauftragnehmer sollen sich am Projekt „TLVS/MEADS“ beteiligen

In einer am Freitag (14. August) veröffentlichen Pressemitteilung äußert sich Thomas Gottschild, Geschäftsführer MBDA Deutschland, zu Details des aktualisierten Angebots. „Mehr als 80 Unterauftragnehmer werden das TLVS-Programm unterstützen. In der Spitze werden über 6000 hochqualifizierte Mitarbeiter von der Realisierung des TLVS profitieren – der Großteil in Deutschland.“ Vorgesehen sei zudem die Einbeziehung eines breiten Spektrums industrieller Fähigkeiten, so Gottschild. Dazu zählten Systems of Systems-Engineering, Cybersicherheit, Digitalisierung sowie neueste Radar-, Optik- und Elektrotechnik.

Zu den Partnerunternehmen gehören nach MBDA-Angaben unter anderem Airbus, Diehl, ESG, Hensoldt und Jenoptik. Insbesondere auch kleine und mittlere Zulieferer würden an TLVS beteiligt, versichert das Schrobenhausener Unternehmen.

Geschäftsführer Gottschild weist abschließend darauf hin: „In den letzten Monaten haben wir Fortschritte bei der weiteren Detaillierung des integrierten Zeitplans, bei den relevanten Spezifikationen sowie den Systemleistungssimulationen erzielt. So konnten wir die Risiken mit Blick auf den späteren Vertrag reduzieren.“ Er ist sich sicher: „Mit seinen Fähigkeiten wird das TLVS-Programm die Abwehr aktueller und zukünftiger Bedrohungen aus der Luft sicherstellen.“

Deutschland als NATO-Rahmennation für Luftverteidigung und Raketenabwehr

Das zukünftige deutsche taktische Luftverteidigungssystem gilt als eines der größten Rüstungsprojekte der Bundeswehr (wir haben in der Vergangenheit mehrfach über das Vorhaben berichtet, letztmalig im August 2017). TLVS/MEADS soll ab Ende der 2020er-Jahre ausgeliefert werden und nach und nach die alten Patriot-Batterien von Raytheon ersetzen.

Ursprünglich waren für das Rüstungsvorhaben knapp vier Milliarden Euro veranschlagt worden. Mittlerweile wird damit gerechnet, dass sich die Kosten um mehrere Milliarden erhöhen werden. Wegen der langwierigen Prüfungsverfahren wird nicht mehr mit einem Vertragsabschluss in diesem Jahr gerechnet.

In der MBDA-Pressemitteilung vom 14. August kommt auch Scott Arnold, einer der Vizepräsidenten bei Lockheed Martin, zu Wort. Der Amerikaner hebt die Vorteile des TLVS-Joint-Ventures hervor: „Das Joint Venture zwischen MBDA Deutschland und Lockheed Martin unterstützt grundlegende deutsche Sicherheitsinteressen und basiert auf der langjährigen und vertrauensvollen Partnerschaft der beiden Nationen. Es werden Arbeitsplätze geschaffen, technisches Know-how ausgetauscht und Fähigkeiten entwickelt, die der Industrie auf beiden Seiten des Atlantiks zugutekommen.“

TLVS sei ein nachgewiesen fortschrittliches System, das die deutschen Verteidigungsfähigkeiten weiterentwickeln und Deutschland befähigen könne, seine Rolle als NATO-Rahmennation für die Luftverteidigung und Raketenabwehr wahrzunehmen, meint Arnold.


Die Aufnahme zeigt das Multifunktions-/Feuerleitradar (Multi Function Control Radar, MFCR).
(Foto: MBDA Deutschland)

Kleines Beitragsbild: MEADS-Komponenten bilden die Basis für TLVS.
(Foto: MBDA Deutschland)


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