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Schrobenhausen. Eine interessante Personalentscheidung gab es in diesen Tagen im bayerischen Schrobenhausen, Hauptsitz des Lenkflugkörperherstellers MBDA Deutschland GmbH. Dort übernahm Dietmar Thelen die neu geschaffene Stelle des Sonderberaters von Thomas Gottschild, Geschäftsführer des Unternehmens. Thelen wird Gottschild „in seinen Aufgaben gegenüber dem deutschen Kunden und der Industrie unterstützen“, so die MBDA-Presseerklärung. Auf der Agenda des neuen Leitungsmitglieds steht unzweifelhaft das Projekt „TLVS auf MEADS-Basis“ ganz weit oben.

Um die Bedeutung der Verpflichtung von Dietmar Thelen einordnen zu können, müssen wir kurz noch einmal auf das Rüstungsvorhaben TLVS/MEADS eingehen.

Wie bekannt, will die Bundeswehr bis zum Jahr 2025 ein neues taktisches Luftverteidigungssystem (TLVS) auf MEADS-Basis beschaffen (MEADS = Medium Extended Air Defense System). Es soll den bislang genutzten Klassiker „Patriot“ des US-Konzerns Raytheon ablösen. Dies hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am 9. Juni 2015 gemeinsam mit Generalinspekteur Volker Wieker in Berlin bekannt gegeben (wir berichteten).

Hinter der Neuentwicklung MEADS stehen die europäische MBDA – ein Gemeinschaftsunternehmen von Airbus (37.5 %), BAE Systems (37.5 %) und Leonardo (25 %) – sowie Lockheed Martin aus den USA. MBDA Deutschland, die eigenständige hundertprozentige Tochter von MBDA, ist bei MEADS vor allem zuständig für die Elemente der Gefechtsstandsoftware BMC4I (Battle Management Command, Control, Communications, Computers and Intelligence), des Startgeräts (Launcher) und des Multifunktions-/Feuerleitradars (kurz MFCR).

Beratung im Haushaltsausschuss des Bundestages wohl erst 2018

Ursprünglich sollten die Detailverträge zur Beschaffung des neuen deutschen Raketenabwehrsystems Ende 2016 unterzeichnet werden. Die finale Entscheidung über TLVS/MEADS wird nun aber erst nach der Bundestagswahl von einer neuen Bundesregierung getroffen werden. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters vom März dieses Jahres „soll MEADS laut Ministeriumskreisen dem Haushaltsausschuss des Bundestages 2018 vorgelegt werden“. Allerdings müsse MBDA, so Reuters, „sowohl beim Angebot als auch beim Projektmanagement nacharbeiten“.

Wie die Nachrichtenagentur außerdem berichtete, hätten sich angesichts der Bedeutung dieses Rüstungsprojektes und der damit verbundenen Milliardenkosten auch grundsätzliche Fragen zu MBDA aufgetan. Reuters zufolge soll die bisherige Angebotsphase „grundlegende Zweifel daran gesät“ haben, dass MBDA „ein derart großes Vorhaben allein stemmen“ könne.

Die mehr oder weniger offen ausgesprochene Empfehlung an MBDA, sich für TLVS/MEADS einen starken Partner mit ins Boot zu holen, beantwortete das Lenkflugkörpersystemhaus am 16. März in Schrobenhausen. Geschäftsführer Gottschild gab dort bei der diesjährigen Jahrespressekonferenz bekannt, dass man nun ein Joint Venture mit Lockheed Martin plane. Antoine Bouvier, Chef von MBDA Europa, der ebenfalls an der Veranstaltung teilnahm, unterstrich an diesem Donnerstag noch einmal mit Nachdruck die Wirtschaftskraft des Konzerns. MBDA bewege sich „von der Größe, von den Fähigkeiten, von der Technologie und auch vom Marktanteil her auf Augenhöhe mit den amerikanischen Mitbewerbern“ am Markt, zitierte der Donaukurier den CEO.

Erfolgreiche Karriere bei der Bundeswehr und in der Verteidigungsindustrie

Zurück zum neuen Sonderberater von MBDA Deutschland. Geschäftsführer Gottschild sagt über seine künftige rechte Hand: „Ich freue mich, dass wir Dietmar Thelen für diese neue Position gewinnen konnten. Er wird mich bei unseren zentralen Projekten, wie zum Beispiel TLVS unterstützen.“ Thelen blicke auf eine erfolgreiche und vielseitige Karriere in der Verteidigungsindustrie und bei der Bundeswehr zurück, so Gottschild. Man sei sich bei MBDA sicher, dass er das Unternehmen mit seiner Erfahrung „bei TLVS und zukünftigen Herausforderungen“ voranbringen könne.

Thelen wechselte von RUAG zu MBDA Deutschland. Bei dem Schweizer Verteidigungsunternehmen war er von Dezember 2016 bis Juni 2017 Vorstandsmitglied von RUAG Defence und Leiter des Geschäftsbereichs „Cyber Security“.

Zuvor hatte Thelen von November 2012 bis November 2016 Führungspositionen in der NATO (unter anderem bei der NATO AGS Management Agency) und davor beim Airbus-„Vorläufer“ EADS inne. Bei EADS waren es im Zeitraum März 2003 bis Dezember 2010 vor allem die Bereiche IT-Sicherheit, Satellitennavigationssystem Galileo, Aufklärung und Überwachung sowie Cyber Security, mit denen Thelen in leitender Funktion befasst war. Von Januar 2011 bis Oktober 2012 hatte er als Vizepräsident des Joint Ventures von EADS mit dem brasilianischen Mischkonzern Odebrecht mit Projekten der Sicherungstechnik zu tun.

Seine zivilberufliche Karriere hatte Thelen im Februar 2001 beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gestartet. Zu seinen damaligen Aufgaben zählte unter anderem die Entwicklung von Verschlüsselungssystemen. Thelen war bis zum Februar 2003 beim BSI gewesen und hatte in dieser Zeit auch deutsche Behörden – etwa das Beschaffungsamt der Bundeswehr (heute Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr) – in Sicherheitsfragen beraten.

Der neue Spitzenmanager in der Schrobenhausener Zentrale ist Diplomingenieur der Elektrotechnik mit Studium an der Universität der Bundeswehr in München (1990 bis 1994). Er diente elf Jahre im Bereich der elektronischen Kampfführung. Dietmar Thelen ist als Oberstleutnant der Reserve heute der Truppe immer noch eng verbunden.


Die Aufnahme zeigt Dietmar Thelen, den neuen Sonderberater des Geschäftsführers von MBDA Deutschland.
(Foto: Bernhard Huber/MBDA Deutschland)


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