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Berlin/Brüssel/Tripolis. Die Bundeswehr soll sich an der durch die Europäische Union geführten militärischen Krisenbewältigungsoperation EU NAVFOR Med – Operation „Irini“ im Mittelmeer beteiligen können. Über einen entsprechenden Antrag der Bundesregierung debattierte das Parlament erstmals am Donnerstag (23. April). Im ersten Teil unseres Beitrages über die neue Mittelmeermission der EU haben wir zunächst Hintergründe beleuchtet, im zweiten Teil lassen wir noch einmal die Aussprache im Bundestag Revue passieren. Sie wurde eröffnet von Bundesaußenminister Heiko Maas …

Maas räumte zu Beginn seines Debattenbeitrages ein, dass sich „die Erwartungen, die wir angesichts der Libyen-Konferenz in Berlin und des Berliner Prozesses insgesamt hatten, in den letzten Wochen und Monaten nicht erfüllt haben“. Man habe bei Weitem nicht alles das erreicht, was man habe erreichen wollen, aber es gebe Dinge, die umgesetzt worden seien. So habe beispielsweise das internationale FollowUp-Komitee der Berliner Konferenz mittlerweile seine Arbeit aufgenommen. Es habe auch zwischen den libyschen Konfliktparteien Verhandlungen über einen Waffenstillstand und über wirtschaftliche und politische Themen gegeben. Letztlich seien auch im Februar beim Treffen der Außenminister am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz einzelne Schritte weiter konkretisiert worden.

„Dennoch – auch das müsse man sagen“, so Maas weiter: „Wenn man regelmäßig bei solchen Treffen dabei ist und Leuten gegenübersitzt, die Verstöße gegen das Waffenembargo beklagen, aber man ganz genau weiß, dass sie diejenigen sind, die gegen das Waffenembargo verstoßen, dann hat man irgendwann die Nase voll von all diesen Lippenbekenntnissen.“ Deshalb sei es wichtig, jetzt Instrumente zu schaffen, die geeignet seien, das Waffenembargo besser zu überwachen. „Das tun wir mit dieser Mission, über die wir heute diskutieren.“

Die Einhaltung des Waffenembargos hat oberste Priorität

Maas fuhr fort: „Die Europäische Union hat sich in den letzten Wochen nach zugegebenermaßen schwierigen Beratungen darauf verständigt, eine führende Rolle zu übernehmen. Dem dient die neue Mission ,Irini‘, die das Waffenembargo überwachen und Verstöße aufdecken soll. Darüber hinaus soll die Mission gegen den Ölschmuggel vorgehen und auch das grausame Geschäft der Menschenhändler stoppen. Darauf liegt das ganze Augenmerk auch bei der Ausbildung der libyschen Küstenwache und Marine.“

Als Initiator des Berliner Prozesses tue Deutschland gut daran, so der Minister, sich an dieser europäischen Mission zu beteiligen – zunächst mit einem Aufklärungsflugzeug und Stabspersonal, später aber auch mit einem Schiff der Marine.

Am Schluss seiner Rede erinnerte der SPD-Politiker an die, die am meisten unter dem Konflikt zu leiden hätten: „Es sind Zehntausende Flüchtlinge und die libysche Zivilbevölkerung.“ Deutschland habe deshalb auch über den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) in den letzten Jahren mehr als 40 Millionen Euro zum Schutz von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Hunderte besonders Schutzbedürftige hätten durch die Vermittlung des UNHCR einen sicheren Zufluchtsort in Deutschland gefunden. Die Aufnahme von 300 weiteren Personen stehe kurz bevor. Über den EU-Nothilfefonds für Afrika unterstütze Deutschland zudem mit mehr als 70 Millionen Euro die Arbeit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und gewähre damit Hilfen bei der freiwilligen Rückkehr von Migranten und für entsprechende Schutzmaßnahmen in Libyen.

Voraussetzung für all diese Hilfsmaßnahmen sei allerdings, dass die Kämpfe endlich eingestellt würden. Der Außenminister: „Mit der Libyen-Konferenz in Berlin haben wir dazu einen wichtigen Beitrag geleistet. Wir haben weiterhin viel Arbeit vor uns. Damit die Ergebnisse jetzt auch greifen, müssen wir vor allen Dingen die Einhaltung des Waffenembargos überwachen. Den Worten müssen endlich Taten folgen. Deshalb bitte ich Sie um die Unterstützung dieses Mandates.“

Lückenloses Lagebild über die Bewegungen von Schiffen in der Region

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, befasste sich in seiner Rede vor allem mit der neuen EU-Mission und den dafür geltenden Einsatzregeln, den Rules of Engagement.

Hardt betonte: „Ich finde es wichtig, dass Deutschland Ernst macht mit einer konkreten Beteiligung an der europäischen ,Irini‘-Mission; denn dieser europäische Beitrag soll tatsächlich ein verlässliches, lückenloses Lagebild über die Bewegungen von Schiffen in der Region, die möglicherweise illegal entsprechende Waffen an Bord haben, liefern. Die Mission soll auch Schiffe durchsuchen und umleiten können. Sie soll darüber hinaus das fortsetzen, was EU NAVFOR Med – Operation ,Sophia‘ bereits gemacht hat, nämlich die Ausbildung der libyschen Küstenwache und die Unterbindung von Schlepperaktivitäten.“ Der CDU-Politiker ergänzte: „Ich glaube, dass das Mandat ein ziemlich robustes ist; wenngleich ich mir keine Illusionen mache, dass wir nun jede Menge Schiffe dort durchsuchen werden. Aber es ist doch immerhin so, dass diejenigen, die das Embargo brechen oder im Verdacht stehen, es gebrochen zu haben, öffentlich benannt werden können und sich öffentlich rechtfertigen sollen.“

Über die deutsche Beteiligung an „Irini“ meinte Hardt, die Marine werde sich an der Operation zu Beginn mit der Hochwertfähigkeit „Seefernaufklärer“ und mit hochqualifiziertem Personal im Stab von „Irini“ in Rom beteiligen. Er wünsche sich darüber hinaus, dass Deutschland auch – möglicherweise ab Spätsommer – ein Marineschiff in diesen EU-Einsatz entsenden werde.

Danach befasste sich der Parlamentarier noch mit einem ganz besonderen Aspekt dieser Mission. Hardt: „Es wurde im Zusammenhang mit dem Mandat natürlich auch wieder darüber diskutiert, ob von einer solchen Marineoperation im Mittelmeer ein sogenannter ,Pull-Effekt‘ ausgehen könnte – also quasi ein besonderer Anreiz für Schlepper und Schleusern damit einhergehen könnte, Menschen zu überreden, ihnen Geld dafür zu geben, dass sie mit Nussschalen, mit Schlauchbooten aufs Mittelmeer gebracht werden nach dem Motto: ,Dort wartet die europäische Marine, um euch aufzunehmen‘. […] Es wird sicherlich Einzelfälle geben, in denen das der Fall ist. Ich glaube aber, dass die Entscheidung eines Menschen, sich in eine solch lebensgefährliche Situation zu bringen, nicht durch die bloße Überredungskunst eines Schleppers hergestellt werden kann.“

Dennoch enthalte das EU-Mandat einen Mechanismus, der vorsehe, dass – falls ein Staat der Auffassung sein sollte, dass ein solcher Effekt gegeben sein könnte – auf Wunsch dieses Staates die Operation für zunächst acht Tage unterbrochen wird. Hardt erläuterte das weitere Prozedere: „Dann berät das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der Europäischen Union darüber und entscheidet, ob und in welcher Form die Operation wieder aufgenommen werden kann. Im Zweifel – wenn sich das wiederholt und häuft – muss die Mission von den Außenministern weiterentwickelt werden.“

Aus dem Konflikt in Libyen ist längst ein Stellvertreterkrieg geworden

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai erinnerte in seinem Beitrag zunächst an einen gemeinsamen Entschluss der Internationalen Gemeinschaft, vor dem Hintergrund des grausamen Krieges in Syrien keinesfalls vor der Haustür Europas einen weiteren Stellvertreterkrieg zuzulassen. Die Realität um und in Libyen jedoch sei enttäuschend, so der Obmann der Freidemokraten im Auswärtigen Ausschuss: „Entgegen dem Waffenembargo der Vereinten Nationen und den Ergebnissen der Berliner Libyen-Konferenz finden weiterhin Rüstungsgüter und inzwischen auch Kämpfer beziehungsweise Söldner den Weg in dieses Land. Die militärischen Auseinandersetzungen nehmen wieder zu. Schon längst ist der Konflikt doch noch zu einem Stellvertreterkrieg geworden. Die Türkei, Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Katar – alle haben sich auf verschiedenen Seiten positioniert (siehe auch unseren Teil 1). Und die Europäer, die sonst gerne von einer Gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik sprechen, finden hier keine gemeinsame Linie.“

Die Mission „Irini“ sei trotzdem ein erster und richtiger Schritt in Richtung einer Überwachung des Waffenembargos, befand Djir-Sarai. Sie dürfe jedoch nur ein erster Schritt von vielen sein, denn die Mission sei in ihrer jetzigen Fassung eine einseitige Maßnahme. Der Bundestagsabgeordnete erläuterte dies: „Das wird deutlich, wenn man sich die vielfältigen Schmuggelrouten und Konfliktlinien einmal genauer ansieht. Es besteht also Nachbesserungsbedarf, sofern man verhindern möchte, dass diese Mission zu einer Alibimission verkommt, die lediglich den Schein einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik wahrt.“

Trotzdem sei es gut, dass die Europäische Union erkannt habe, dass dringender Handlungsbedarf bestehe. Libyen befinde sich in unmittelbarer Nachbarschaft und alles, was dort passiere, berühre europäische Interessen und habe unmittelbar Auswirkungen auf die deutsche Politik.

Der FDP-Abgeordnete schloss mit dem Appell: „Politische Erfolge können nur erzielt werden, wenn die Europäer die Ergebnisse der Libyen-Konferenz nicht nur als Theorie verstehen, sondern sie auch tatsächlich umsetzen. Die Konferenz in Berlin war ein Erfolg. Sie wird aber nichts bringen, wenn die Umsetzung vor Ort ausbleibt. Diese Bundesregierung war bei der Organisation der Konferenz federführend, aber sie ist bei der Umsetzung zurückhaltend. Hier muss mehr Engagement erfolgen.“

Europäische Union hat durch ihre Uneinigkeit ein Vakuum hinterlassen

Omid Nouripour, Obmann von Bündnis 90/Die Grünen im Auswärtigen Ausschuss, machte zu Beginn seiner Ausführungen deutlich, dass seine Fraktion die Libyen-Konferenz „sehr begrüßt“ hatte, weil die Bundesregierung „endlich auch diplomatisch initiativ“ geworden sei. Bei der Veranstaltung in Berlin habe es zwei maßgebliche Ziele gegeben, über die auch Vereinbarungen erzielt worden seien: keine Waffen mehr ins Land und Beendigung der Gewalt.

Die Bilanz von Nouripour dazu: „Die Gewalt ist massiv eskaliert, nicht erst seitdem, aber seitdem auch zunehmend. Es gewinnt mal die Haftar-Seite, mal die Sarraj-Seite. Zumindest dieses Ziel ist momentan leider weit entfernt davon, realisiert zu werden – zum Leiden der Menschen in Libyen.“ Es bleibe die Frage der Waffenlieferungen. Dazu sagte der Parlamentarier: „Es ist eindeutig, dass die Europäische Union durch ihre Uneinigkeit ein Vakuum hinterlassen hat, das gerade an dieser Stelle massiv von Staaten gefüllt worden ist, die nicht dieselben Interessen vertreten wie wir und die auch nicht im Sinne des Wohlbefindens der Menschen in Libyen agieren.“

Deshalb – so argumentierte Nouripour – sei es gut, dass die EU nun endlich eine Einigung erzielt habe. „Wir freuen uns, dass jetzt überhaupt eine Position gefunden wurde; das ist gut. Jetzt gibt es auch ein Mandat, das vorliegt. Der Vorteil von diesem Mandat gegenüber dem letzten, der Operation ,Sophia‘ ist, dass die Landkomponente nicht mehr enthalten ist. Das ist schon mal ein Fortschritt.“

Nichtsdestotrotz betrachte seine Fraktion das vorliegende Mandat als „nicht zustimmungsfähig“. Der Grünen-Politiker begründete dies: „Es gibt so verdammt viele zentrale Fragen, die einfach schlicht unbeantwortet sind, die wir selbstverständlich in den Ausschüssen noch mal thematisieren müssen. Wenn dieser merkwürdige Mechanismus […] jetzt tatsächlich dazu führt, dass einzelne Staaten – speziell Ungarn und Österreich – alle acht Tage einmal anrufen und sagen ,Hier gibt es einen Pull-Effekt‘ und dann das Mandat automatisch ausgesetzt wird und der Einsatz aufhört: Was bedeutet das? Wie gehen wir damit um? Was passiert dann?“

Nouripour thematisierte auch eine andere Schwachstelle, die der Waffenlieferungen. Er fragte: „Wie wollen Sie damit umgehen? Die, die über Land liefern, beliefern die eine Seite. Alle anderen beliefern die andere Konfliktseite über Land und über den Lufttransport. Aber nur die Meeresseite soll jetzt überwacht werden? Wie soll das gehen?“

Der Abgeordnete gab schließlich selbst eine Antwort: „Es ist höchste Zeit, dass die Vereinigten Arabischen Emirate, Russland, Ägypten und die Türkei als die hauptsächlichen Brecher des Waffenembargos benannt werden. Das wäre ein Riesenschritt nach vorne, um die Waffenlieferungen nach Libyen endlich einzudämmen.“

Deutsche Waffenexporte in am Libyen-Krieg beteiligte Staaten stoppen

Keinen Hehl aus der Abneigung ihrer Fraktion gegen jegliche Auslandsmissionen der Bundeswehr machte bei dieser Debatte einmal mehr die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen. Die Obfrau der Linken im Auswärtigen Ausschuss erklärte in Richtung des Bundesaußenministers: „Auch dieser Auslandseinsatz der Bundeswehr ist wieder einmal abenteuerlich, aberwitzig und absurd. Sie geben vor, das Waffenembargo zur See gegen Libyen überwachen zu wollen. Dabei wollen Sie mit der Ostküste nur die Vordertür bewachen, in Kenntnis, dass die Hintertüren – nämlich alle Luft- und Landgrenzen und die ganze Westküste – sperrangelweit offenstehen.“

Es komme zudem einem Schildbürgerstreich gleich, das Waffenembargo gemeinsam mit Italien und Frankreich durchsetzen zu wollen. Die Abgeordnete der Linken: „Ausgerechnet Italien und Frankreich – die, weil es um die Interessen ihrer Ölkonzerne Eni und Total geht, die jeweils andere Seite im libyschen Bürgerkrieg unterstützen – sollen ihre jeweiligen Freunde daran hindern, an frische Waffen zu kommen?“

An die Adresse der Bundesregierung gerichtet forderte Dağdelen: „Wenn Sie wirklich etwas dagegen tun wollten, dass neue Waffen diesen libyschen Bürgerkrieg nähren, dann könnten Sie endlich damit anfangen, die deutschen Waffenexporte in am Libyen-Krieg beteiligte Staaten zu stoppen.“

Ist „Irini“ lediglich ein Ersatz für die frühere „Sophia“-Mission?

Eine ablehnende Haltung zum neuen EU-Einsatz im Mittelmeer, wenn auch aus anderen Gründen wie Grüne und Linke, vertrat am 23. April der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron. Der Diplom-Politologe, Obmann der Afd im Auswärtigen Ausschuss, bezeichnete das zur Entscheidung anstehende Mandat als „Mogelpackung“ und begründete: „Wir alle wissen, dass ,Irini‘ der Ersatz für die gescheiterte Mission ,Sophia ist.“ An Außenminister Maas gewandt kritisierte Bystron: „Und Sie erzählen uns hier heute – genauso wie zuvor fünf Jahre lang bei ,Sophia‘ –, dass es darum ginge, Waffenschmuggel nach und Ölschmuggel aus Libyen zu unterbinden und Menschenschlepperei im Mittelmeer zu bekämpfen.“ In Wirklichkeit sei es bei „Sophia“ darum gegangen, so behauptete der AfD-Politiker, mit den Schiffen „nur Migranten aus Afrika nach Europa“ zu schmuggeln.

Die AfD hätte „das illegale Shutteln von Migranten aus Afrika nach Europa“ von Anfang an bekämpft. Deshalb lehne man auch diese EU-Mission „logischerweise“ ab. Vielmehr werde man – gemeinsam mit den „Freunden aus Österreich, Ungarn, Italien und Polen“ – den Widerstand gegen [diese] „Open-Border-Policy“ aufrechterhalten, drohte Bystron.

Europa darf die Mission keinesfalls an der Migrationsfrage scheitern lassen

Lassen wir am Ende unseres Beitrages noch einmal die Unionsfraktion zu Wort kommen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Generalstabsoffizier der Bundeswehr Roderich Kiesewetter stellte in seinem Redebeitrag fest, dass es bis zur abschließenden Beratung des Mandates im Parlament durchaus noch Klärungsbedarf gebe. Die Debatte habe gezeigt, dass noch eine Reihe von Fragen offen seien.

Der Obmann seiner Fraktion im Auswärtigen Ausschuss griff einen Aspekt auf: „Wir werden sehr rasch feststellen, dass der Fokus dieser Mission eben nur einen Ausschnitt von dem darstellt, was letztlich zu überwachen ist, um den Berliner Friedensprozess am Laufen zu halten. Wir haben den Fokus auf dem Mittelmeerraum. Wir haben den Fokus nicht auf der Grenze zwischen Libyen und Ägypten. Das kann man sicherlich durch Luftaufklärung lösen. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass wir innerhalb Europas auch zwei Dinge durchsetzen müssen: erstens eine ganz klare Ahndung von Embargoverstößen, und zweitens müssen wir alles tun, dass Europa insgesamt – also alle EU-Mitgliedstaaten – den Friedensprozess unterstützen.“

Kiesewetter erinnerte auch daran, dass die frühere Mission „Sophia“ unter der Uneinigkeit Europas in der Migrationsfrage gelitten habe. Das Problem sei immer noch nicht gelöst. Der Christdemokrat warnte: „Wir müssen sehr klar darauf achten, dass Europa diese Mission nicht an der Migrationsfrage scheitern lässt.“

Die Mission sei ein Einstieg in ein glaubwürdiges Handeln Europas, meinte Kiesewetter abschließend. Sie biete jedenfalls die große Chance dazu. „Aber wenn wir das wirklich wollen, müssen wir auch dazu in der Lage sein – das sage ich im Widerspruch zu Omid Nouripour –, dass wir die Mission auch mit Blick auf die Grenze zu Ägypten erweitern. Denn es kann nicht sein, dass eine Mission ausschließlich eine Konfliktpartei bevorzugt oder eine benachteiligt.“

Russland und die Türkei auf der Suche nach regionalem Einfluss

Die Aussprache beendete schließlich der verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Henning Otte. Dieser gab zu bedenken: „Wir müssen uns fragen, ob Europa alles Mögliche in diesem Einsatz tut und ob Europa genügend Handlungsfähigkeit abbildet. Denn immerhin baut sich in Libyen ein schwerwiegender Konflikt auf, in dem die Libysche Nationale Armee gegen die Regierung des Nationalen Einvernehmens steht. Hier müssen alle Vermittlungsversuche nach dem Berliner Prozess genutzt werden, damit das Land nicht noch weiter destabilisiert wird.“

Otte forderte auch dazu auf, das „große Bild“ zu sehen. Der CDU-Politiker erklärte: „Wir stellen fest, dass Russland abermals versucht, sich einzubringen, strategisch aufzustellen und dort einen regionalen Einfluss weiterhin geltend zu machen. Wir stellen aber auch fest, dass die Türkei dort sehr engagiert und aktiv ist. Wir müssen als Europa ein eigenes Handlungskonzept aufstellen, damit wir nicht passiv, sondern aktiv sind. Schließlich geht es auch um die Sicherheit unseres Landes. Deswegen ist dieser Beitrag für Deutschland wichtig.“

Wichtig sei auch, offene Fragen zu beantworten und deutlich zu machen, dass dieses Mandat mit Blick auf Europa „einen Mehrwert“ besitze. Otte schloss seine Überlegungen: „Wir müssen aufpassen, dass wir über Sicherheitspolitik nicht zu abstrakt diskutieren, sondern dass wir auch konkrete Antworten geben. Diese [EU-Mission] ist eine konkrete Antwort. Wir wollen nichts unversucht lassen, um [in Libyen] eine Verbesserung der Situation zu erzielen.“

Redaktionelle ERGÄNZUNG

Der Deutsche Bundestag hat der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten militärischen Krisenbewältigungsoperation EU NAVFOR Med – Operation „Irini“ im Mittelmeer am 7. Mai 2020 zugestimmt.

408 Abgeordnete sprachen sich in namentlicher Abstimmung für das Mandat aus, 128 waren dagegen, es gab 55 Enthaltungen. Die Bundeswehr kann sich nun mit bis zu 300 Soldaten an der Mittelmeermission „Irini“ beteiligen. Das Mandat gilt zunächst bis Ende April 2021.

Die Operation soll im Schwerpunkt einen Beitrag zur Umsetzung des von den Vereinten Nationen gegen Libyen verhängten Waffenembargos leisten. Verstöße dagegen sollen aufgeklärt und gegebenenfalls entsprechende Kontrollmaßnahmen durchgeführt werden. Im Rahmen der Operation soll ebenfalls eine illegale Ausfuhr von Erdöl aus Libyen verhindert sowie dazu beigetragen werden, das Geschäftsmodell von Schleusernetzwerken zu bekämpfen.

Wie auch schon bei der Mission EU NAVFOR Med – Operation „Sophia“ gilt die völkerrechtliche Verpflichtung, in Seenot geratenen Personen Hilfe zu leisten.


Das Bild zu unserem Beitrag „Neue EU-Mittelmeermission“ (Teil 2) entstand am 23. April 2020 bei der 156. Plenarsitzung, bei der auch der Antrag der Bundesregierung „Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der durch die Europäische Union geführten militärischen Krisenbewältigungsoperation im Mittelmeer EU NAVFOR Med – Operation ,Irini‘“ beraten wurde. Die Sitzung fand im Rahmen der Corona-Maßnahmen statt: Abstandsregelung und das freiwillige Tragen einer Maske.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)

Kleines Beitragsbild: Das Symbolbild „Seeüberwachung“ wurde am 9. März 2016 auf der Kommandobrücke des Einsatzgruppenversorgers „Bonn“ gemacht. Die „Bonn“ war damals das Führungsschiff der Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG 2) im Rahmen der Seeraumüberwachung in der Ägäis.
(Foto: Tom Twardy/Bundeswehr)


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