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Berlin. Die Zahl der Bewerber für den freiwilligen Wehrdienst ist nach Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht im Jahr 2011 kontinuierlich zurückgegangen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung vom 21. August auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion hervor. Der Fragenkatalog von Berengar Elsner von Gronow, Dietmar Friedhoff, Jan Ralf Nolte und weiteren AfD-Abgeordneten befasst sich dabei im Schwerpunkt mit dem Themenkomplex „Anforderungen an Bewerber für die Bundeswehr“.

Den Angaben der Bundesregierung zufolge gab es im Jahr 2012 insgesamt 19.264 Bewerbungen für den freiwilligen Wehrdienst. Es wurden 9891 Bewerber eingestellt, das entsprach einer Quote von 51 Prozent. 2019 hatte die Zahl der am freiwilligen Wehrdienst interessierten Männer und Frauen bereits signifikant abgenommen: nur noch 11.215 bewarben sich, 7641 wurden eingestellt (die Quote lag bei 68 Prozent). Das waren im Vergleich zu 2012 rund 8000 Bewerbungen und 2250 Einstellungen weniger.

Feststellen lässt sich auf Grund der Regierungsangaben auch, dass in den Jahren 2012 bis 2019 die Bewerberzahlen stetig zurückgegangen sind: von 19.264 im Jahr 2012 über 18.490 (im Jahr 2013), 18.208 (2014), 16.287 (2015), 15.524 (2016), 13.172 (2017) bis hin zu 10.661 (2018). Erst 2019 hat sich dieser Abwärtstrend wieder umgekehrt, wenn auch mit 11.215 Bewerbungen nur geringfügig.

Die Zahlen der letztendlichen Einstellungen und damit die Quoten zeigen, dass die Truppe bei den Einstellungen nachjustiert hat. Gab es – wie bereits geschildert – im Jahr 2012 noch 9891 Einstellungen (Quote 51 %), so ergibt sich für die Folgejahre folgendes Bild: 8463 Einstellungen im Jahr 2013 (Quote 46 %), 10.196 Einstellungen im Jahr 2014 (Quote 56 %), 9301 Einstellungen im Jahr 2015 (Quote 57 %), 9709 Einstellungen im Jahr 2016 (Quote 63 %), 8859 Einstellungen im Jahr 2017 (Quote 67 %), 7259 Einstellungen im Jahr 2018 (Quote 68 %) und 7641 Einstellungen im Jahr 2019 (Quote 68 %).

Die Zahlen legen die Vermutung nahe, dass bei abnehmenden Bewerberzahlen die Bundeswehr offenbar nach und nach die Einstellungskriterien gesenkt hat (siehe Entwicklung der Quoten für die Einstellung), um den Personalbedarf zumindest annähernd zu decken.

Kognitive und sportliche Anforderungen an Bundeswehr-Bewerber

Dies führte offenbar auch die AfD-Abgeordneten zu ihrer zentralen Frage nach den „Anforderungen an Bundeswehr-Bewerber“. So wollten sie wissen, ob sich die kognitiven und die sportlichen Anforderungen an Bewerber seit 2009 bis heute geändert haben.

Dazu erklärte das Verteidigungsministerium namens der Bundesregierung: „Die kognitiven Anforderungen an […] Bewerber für militärische Laufbahnen werden fortlaufend auf der Grundlage veränderter Anforderungen evaluiert und – wo erforderlich – angepasst.“ Und: „Im Jahr 2014 wurde die Fitnesstestung von […] Bewerbern vom Physical-Fitness-Test (PFT) auf den Basis-Fitness-Test (BFT) der Personalgewinnung umgestellt.“

Auf die Frage, ob die kognitiven beziehungsweise die sportlichen Anforderungen in den Jahren seit 2009 nun gestiegen oder gesunken seien, heißt es in der Antwort: „Im Jahr 2018 wurden die kognitiven Anforderungen an […] Bewerber für die Laufbahnen der Mannschaften und Unteroffiziere ohne Portepee im Bereich der Verwendungseignung (auf spezielle Laufbahnen, Fachrichtungen, Fachgebiete und Verwendungen bezogene Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsanforderungen, die nicht für die Laufbahngruppe beziehungsweise Statusgruppe allgemein zu erfüllen sind) teilweise abgesenkt.“

Weiter führte die Bundesregierung dazu aus: „Die kognitiven Anforderungen an die Basiseignung (allgemeine Eignung/allgemeine berufsbezogene Anforderungen für eine Einstellung in die jeweilige Status- und Laufbahngruppe) für die jeweiligen Laufbahnen haben sich seit dem 1. Januar 2009 nicht verändert.“

Ebenfalls nicht verändert hätten sich im Betrachtungszeitraum die kognitiven Anforderungen an männliche und weibliche Bewerber für die Laufbahnen der Unteroffiziere mit Portepee und Offiziere.

Sprinttest, Klimmhang und Fahrrad-Ergometer-Test

Hinsichtlich der sportlichen Anforderungen teilte die Bundesregierung mit: „[Hier] wurde bis zum Jahr 2014 der PFT durchgeführt. Dieser umfasste die Disziplinen Pendellauf, Sit-ups, Standweitsprung, Liegestütze und einen 12-Minuten-Lauf beziehungsweise einen Fahrrad-Ergometer-Test. Im Zuge der Umstellung vom PFT auf den BFT für aktive […] Soldaten wurde dann der BFT der Personalgewinnung entwickelt, um mit geringem Aufwand relevante Parameter der körperlichen Leistungsfähigkeit messen und die Trainierbarkeit der […] Bewerber feststellen zu können. Der BFT Personalgewinnung beinhaltet einen Sprinttest, den Klimmhang sowie einen Fahrrad-Ergometer-Test.“

Die Einführung des BFT Personalgewinnung und damit der Ersatz des PFT sei nicht gleichbedeutend mit einem Absenken der Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit, so die Regierungsantwort. Die Leistungskriterien seien seit Einführung des BFT der Personalgewinnung nicht verändert worden. Die Mindestleistungen seien nach wie vor alters- und geschlechtsunabhängig.

Körperliche Leistungsfähigkeit und Robustheit oftmals unterentwickelt

In seinem Jahresbericht 2019 (Seite 29) zitierte der damalige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Hans-Peter Bartels Gesprächspartner aus der Truppe, die ihm gegenüber die „Qualität“ der jetzt einrückenden Rekruten bemängelt hätten. Bartels schrieb: „Bei Truppenbesuchen wird nicht selten von Vorgesetzten, Kompaniefeldwebeln oder Ausbildern bemängelt, die ,Qualität‘ der Soldaten sei schlechter geworden, vereinfacht gesagt, sie seien ,dicker, schwächer und dümmer‘ als früher.“

Die AfD-Bundestagsabgeordneten griffen diese Passage aus dem Jahresbericht auf und fragten, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus dieser Aussage ziehe.

Die Regierungsantwort: „Die demographischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen – in Verbindung mit dem besonderen Anforderungsprofil des Soldatenberufs – führen sowohl zu einer deutlich schmaleren Basis, aus welcher der künftige militärische Nachwuchs gewonnen werden kann, als auch zu veränderten Kompetenzprofilen, die die […] Bewerber mitbringen. Insbesondere körperliche Leistungsfähigkeit und Robustheit können heute nicht mehr in bisherigen Maßstäben vorausgesetzt, sondern müssen deutlich stärker als zuvor erst entwickelt werden.“

Hier setze – so die Bundesregierung weiter – die durch den Generalinspekteur angestoßene Agenda „Ausbildung“ an, indem beispielsweise die Sportausbildung professioneller die individuellen Voraussetzungen der Bundeswehrangehörigen berücksichtige. Auch richte sie sich nun sowie am Gradmesser „Einsatz“ aus. Ziel sei es, beginnend ab der Grundausbildung (wir berichteten) bis hin zu einem möglichen Einsatz im erweiterten Bundeswehr-Aufgabenspektrum, die erforderliche Fitness zielgerichteter und individueller zu erreichen beziehungsweise zu erhalten.

Anforderungsprofil spätestens bis zu einer Verlegung in den Einsatz erreichen

Im Zuge der Beantwortung der einzelnen Fragen der AfD-Parlamentarier machte die Bundesregierung auch noch einmal deutlich, dass sich die sportlichen und kognitiven Anforderungen für die Soldaten an den spezifischen Einsatzerfordernissen ausrichten würden und zugleich verwendungsabhängig seien. Die unabhängig von der jeweiligen Verwendung von allen Militärangehörigen jährlich verpflichtend zu erbringenden Mindestleitungen im Bereich der „Individuellen Grundfertigkeiten“ seien geschlechts- und altersunabhängig und würden im Bedarfsfall weiterentwickelt.

Weiter wird darauf hingewiesen: „Bei Diensteintritt ist die physische Leistungsfähigkeit der […] Soldaten sehr heterogen. Leistungsschwächere [Rekruten] werden in der Ausbildung individuell und gezielt trainiert beziehungsweise gefördert, um das geforderte Anforderungsprofil im Zuge der weiteren Ausbildung zu erreichen. Das geforderte Anforderungsprofil ist nicht bereits in der Grundausbildung zu erfüllen, sondern ist spätestens bis zu einer Verlegung in den Einsatz zu erreichen. Dieser Ausbildungszeitraum kann in Abhängigkeit der Laufbahn und Verwendung mehrere Jahre betragen.“

Physische Leistungsfähigkeit auch künftig von zentraler Bedeutung

Zur Frage der AfD nach den Anforderungen an die Soldaten der Bundeswehr „in Zukunft“ erklärte die Regierung: „Wie sich die Anforderungen […] in Zukunft entwickeln werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhergesagt werden. Die wehrmedizinische Begutachtung unterliegt – in Abstimmung mit den fachlich zuständigen Konsiliargruppen der jeweiligen medizinischen Fachgebiete – einer kontinuierlichen Überprüfung und Weiterentwicklung, wobei sich die Begutachtungskriterien am jeweiligen Stand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse orientieren.“

Die Anforderungen an die Bundeswehrangehörigen richteten sich an der spezifischen Tätigkeit im Einsatz aus, so die Regierungsantwort abschließend. Die physische Leistungsfähigkeit der […] Soldaten werde dabei auch in Zukunft eine zentrale Rolle einnehmen. Mit Blick auf sich verändernde Rahmenbedingungen würden zudem das Militärische Fitnesstraining sowie die Sportausbildung kontinuierlich weiterentwickelt.

Für die körperliche Leistungsfähigkeit werde individuell nach wissenschaftlichen Erkenntnissen im Rahmen der Sportausbildung sowie des Militärischen Fitnesstrainings gesorgt. Die Testverfahren zur Bestimmung der körperlichen Leistungsfähigkeit seien alters- und geschlechtsunabhängig. Die Anforderungen bei Ausbildung und Übungen seien mit Blick auf die Einsatzerfordernisse von Männern und Frauen gleichermaßen zu erfüllen. Eine Differenzierung erfolge nicht.


Die Aufnahme entstand am 22. März 2011 bei der Rekrutenbesichtigung für die vorerst letzten Wehrpflichtigen der 5. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 371 Marienberg. Die Rekrutenbesichtigung ist die Abschlussprüfung der Allgemeinen Grundausbildung bei der Bundeswehr.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Feldlager der letzten Wehrpflichtigen des 5. Panzergrenadierbataillons 371 auf dem Truppenübungsplatz in Frankenberg am 15. März 2011.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)


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