Münster. Das I. Deutsch-Niederländische Korps feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Die Verteidigungsministerinnen beider Länder, Annegret Kramp-Karrenbauer und Ank Bijleveld-Schouten, besuchten anlässlich des Jubiläums am vergangenen Freitag (4. September) den multinationalen Verband in Münster. Für Kramp-Karrenbauer war es der erste Besuch beim Korps. Bijleveld-Schouten hatte die Truppe bereits 2018 bei der NATO-Großübung „Trident Juncture“ erlebt.
Kramp-Karrenbauer lobte die Entwicklung einer rein deutsch-niederländischen Truppe zu einem Verband aus zwölf Nationalitäten. Dies entspreche dem Gedanken der NATO, sagte sie in Münster. Die Bündnispartner würden außerdem viel Vertrauen in das Deutsch-Niederländische Korps setzen, berichtete Kramp-Karrenbauer. Ihre niederländische Amtskollegin bezeichnete die Aufstellung des Korps als „ersten großen Schritt“ der deutsch-niederländischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich, die insgesamt „ein Musterbeispiel“ für das Bündnis und die europäische Zusammenarbeit sei.
Bijleveld-Schouten nutze den Besuchstermin auch, um Deutschland für die Unterstützung in der Corona-Krise zu danken (unter anderem hatte das Universitätsklinikum Münster im Frühjahr etliche COVID-19-Patienten aus den Niederlanden auf die Intensivstation aufgenommen).
Das I. Deutsch-Niederländische Korps (I. D/NL Korps) war am 30. August 1995 in Dienst gestellt worden (siehe dazu auch den Hinweis auf unser e-Special zum Korpsjubiläum). Es handelt sich um ein Korpskommando mit hoher Einsatzbereitschaft, sodass alle beteiligten Kräfte binnen weniger Tage der NATO, der Europäische Union oder den Vereinten Nationen für mögliche Missionen zur Verfügung stehen können. Aktuell dienen im Kommando an drei Standorten rund 950 Männer und Frauen aus zwölf Nationen.
Die intensive Zusammenarbeit der deutschen und niederländischen Streitkräfte gilt als besonderes Beispiel für eine enge gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Diese Entwicklung begann mit der Aufstellung des Deutsch-Niederländischen Korps.
Weitere Höhepunkte der Kooperation waren bislang die Integration der niederländischen 11. Luchtmobielen Brigade (11. Luftbewegliche Brigade) in die deutsche Division Schnelle Kräfte oder die Kooperation in der 1. Panzerdivision mit niederländischen Kräften.
Ein Schwerpunktthema beim Besuch der beiden Ministerinnen am 4. September war die Vorbereitung des Verbandes auf das kommende Jahr, denn 2021 hat das Deutsch-Niederländische Korps für zwölf Monate die Rolle des Joint Task Force Headquarters (Land) inne. Es ist somit in der Lage, streitkräfteübergreifende Non-Article 5 Operations zu planen, gestalten und durchzuführen (Anm.: Zum Thema „Non-Article 5 Operations“ siehe unsere Ausführungen am Schluss).
Gleichzeitig koordiniert das Hauptquartier Anteile aus Marine, Luftwaffe und Spezialkräfteoperationen. Im Krisenfall müssten die Korpsangehörigen ihr komplettes HQ aus Münster ins Ausland verlegen. Dort könnten sie dann bis zu 60.000 Soldaten befehligen.
Bei sogenannten „Non-Article 5 Operations“ geht die NATO bewusst und gezielt über den Nordatlantikvertrag hinaus, indem sie sich für Operationen zuständig erklärt, die mit dem Artikel 5 nichts mehr zu tun haben – also weder der Verteidigung des Territoriums der Bündnispartner dienen, noch geografischen Beschränkungen welcher Art auch immer unterliegen.
Formalisiert wurde diese Art von Einsätzen in der Allied Joint Doctrine for Non-Article 5 Crisis Response Operations, kurz AJP-3.4(A). In diesem Rahmen, der jede Art von beliebig definierbaren Krisen umfasst, sind praktisch alle denkbaren Formen der Intervention enthalten: Bekämpfung des Terrorismus, Durchsetzung von Sanktionen (beispielsweise Abfangen von Schiffen), Durchsetzung von Verbotszonen, Humanitäre Hilfe, Unterstützung bei der Aufstandsbekämpfung, Unterstützung von Aufständischen, (Luft-)Schläge und Angriffe, Friedensoperationen, Evakuierung von Zivilisten oder militärische Unterstützung ziviler Autoritäten.
Diese Non-Article 5 Crisis Response Operations werden als „Krisenreaktionsoperationen“ klar unterschieden von der kollektiven Verteidigung nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages.
Zu unseren Aufnahmen:
1. Die beiden Verteidigungsministerinnen Ank Bijleveld-Schouten und Annegret Kramp-Karrenbauer beim Truppenbesuch in Münster am 4. September 2020. Im Mittelpunkt des Briefings die Aktivitäten des Korps im Jahr 2021.
(Foto: Michael Sowa/PAO I. D/NL Korps)
2. Ministerin Kramp-Karrenbauer im Gespräch mit Korpsangehörigen.
(Foto: Michael Sowa/PAO I. D/NL Korps)
Kleines Beitragsbild: Pressetermin der beiden Verteidigungsministerinnen in Münster. Links die Niederländerin Ank Bijleveld-Schouten, rechts ihre deutsche Amtskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer. Begrüßt worden waren beide Politikerinnen am 4. September 2020 beim Deutsch-Niederländischen Korps von der Führungsspitze, Generalleutnant Andreas Marlow (er führt das multinationale Korps seit Februar 2020) und Generalmajor Gerard Koot (der Niederländer ist seit Mai 2019 Stellvertretender Kommandeur des Verbandes).
(Foto: Michael Sowa/PAO I. D/NL Korps)