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Kiel. Vor genau einer Woche, am 7. Juni, starteten 18 Nationen mit einer militärischen Eröffnungsveranstaltung in Kiel in die diesjährige multinationale Großübung „Baltic Operations“ (BALTOPS). Die Übung, die auf eine Initiative der U.S. Navy zurückgeht, findet seit 1971 alljährlich im Ostseeraum statt und gilt als größtes und wichtigstes Seemanöver der westlichen Streitkräfte in Nordeuropa. Übergeordnetes Ziel ist es, die Interoperabilität zwischen NATO-Staaten und Partnerländern zu verbessert. BALTOPS 2019 wird von Vizeadmiral Andrew L. „Woody“ Lewis, Kommandeur der 2. US-Flotte, geleitet. Die legendäre „Second Fleet“ war vor rund acht Jahren formell aufgelöst worden. Im Mai vergangenen Jahres erfolgte die Reaktivierung als aktiver Seeverband der U.S. Navy. BALTOPS 2019 markiert somit auch einen Wendepunkt in der nationalen maritimen Verteidigungsstrategie der USA – dies zeigt die „Wiederauferstehung“ der 2. US-Flotte und ihre symbolhafte Rückkehr nach Europa.

An der diesjährigen Großübung „Baltic Operations“, die bis zum 21. Juni dauert, beteiligen sich 50 Schiffe, zwei Unterseeboote und 36 Luftfahrzeuge. Größte schwimmende Einheit bei BALTOPS 2019 ist mit 231 Metern Länge der spanische Flugzeugträger „Juan Carlos I“. Von den insgesamt rund 8600 Militärangehörigen, die an dem multinationalen Manöver teilnehmen, sind etwa 600 Soldaten der Bundeswehr. Die deutsche Marine stellt die Korvette „Erfurt“, das Minenjagdboot „Dillingen“, die beiden Einsatzgruppenversorger „Bonn“ und „Berlin“, den Tender „Donau“, den Betriebsstofftransporter „Rhön“ sowie das Uboot „U33“.

Folgende 16 NATO-Nationen sind bei dem Manöver vertreten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Großbritannien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Türkei und die USA. Hinzu kommen die beiden Anrainerstaaten Finnland und Schweden.

Pressekonferenz in Kiel mit Vizeadmiral Andrew Lewis

Intensiv trainiert werden bei BALTOPS 2019 die verschiedenen Gefechtssituationen wie amphibische Operationen, Luftverteidigung, Minenabwehr, Uboot-Jagd oder Abwehr feindlicher Schiffsangriffe. Über allem steht – wo immer möglich – die enge Zusammenarbeit von See-, Luft- und Bodenstreitkräften. In einer Presseerklärung der 2. US-Flotte heißt es dazu: „Der Schwerpunkt von ,Baltic Operations‘ liegt auf dem Teilstreitkraft-übergreifenden und multinationalen Zusammenwirken der beteiligten Einheiten und Führungskräfte.“ Durch das intensive zweiwöchige Training soll, so der Pressetext weiter, vor allem die gemeinsame Führungsfähigkeit ausgebaut und die Interoperabilität der einzelnen Teams auf allen Ebenen und in allen Bereichen verbessert werden.

Keine Nation könne die heutigen Sicherheitsprobleme alleine bewältigen, sagte Vizeadmiral Andrew Lewis bei der Auftaktpressekonferenz am vergangenen Freitag in Kiel. Gemeinsam sei man wesentlich stärker. Allerdings müssten die Bündnispartner auch ihre Abschreckungs- und Verteidigungsbemühungen intensivieren, so der US-Admiral. Dabei müsste besonderer Wert auf einen hohen Bereitschaftsgrad und eine effektive Reaktionsfähigkeit gelegt werden.

Standardverfahren erleichtern die internationale Kooperation

Ein positives Fazit der inzwischen langjährigen maritimen Zusammenarbeit zog am Freitag der britische Konteradmiral Andrew Burns, während BALTOPS 2019 Stellvertreter von Lewis. Den Medienvertretern sagte er: „Bei dieser multinationalen Übung wird man sehr schön sehen können, dass militärische Operationen, die wir gemeinsam mit Koalitionspartner durchführen, mittlerweile für alle Beteiligten fast schon Routine sind. Besonders innerhalb der NATO – und hier erinnere ich an das Rahmennationen-Konzept des Bündnisses – hat die lange Zusammenarbeit der einzelnen Länder dazu geführt, dass man inzwischen auf bewährte Standardverfahren zurückgreifen kann. Heute dient eine Generation von Militärangehörigen, die es gewohnt ist, Standardverfahren im Rahmen der multinationalen Zusammenarbeit zu nutzen.“

Flottillenadmiral Christian Bock, Kommandeur der Einsatzflottille 1, machte bei der Pressekonferenz darauf aufmerksam, dass sich die Zielrichtung der BALTOPS-Manöver in den vergangenen 47 Jahren immer wieder der jeweiligen politischen Situation angepasst habe (siehe auch unseren früheren Bericht). „Baltic Operations“ sei unter anderem einmal „eine Freundschaftsübung“ gewesen, um die Staaten im Ostseeraum nach dem Ende der damaligen Sowjetunion einander näherzubringen. „Heute reagieren wir mit dieser Großübung natürlich auch auf die sicherheitspolitische Gesamtlage und die entsprechende Einflussnahme Russlands darauf.“

Eine neue Ära des Wettbewerbs zwischen den Großmächten

Befassen wir uns zum Schluss noch einmal mit der Reaktivierung der 2. US-Flotte, der „Second Fleet“. Einheiten der „Zweiten“ waren während des Kalten Krieges damit beauftragt, im Spannungsfall Soldaten und Gerät aus den USA rasch nach Europa zu verlegen. Auf dem Höhepunkt der Kubakrise im Oktober 1962 hatte der damalige US-Präsident John F. Kennedy die 2. US-Flotte damit beauftragt, eine Seeblockade der kommunistischen Karibikinsel zu organisieren. Mehr als einen Monat lang hatten daraufhin Einheiten des Verbandes fremde Schiffe, die Kuba anliefen, gestoppt und kontrolliert.

Im September 2011 wurde die 2. US-Flotte aufgelöst. Die damalige US-Regierung unter Barack Obama schätzte das Aggressionspotenzial russischer Seestreitkräfte zu jenem Zeitpunkt nur noch als gering ein. Durch die Außerdienststellung sollten zudem Finanzmittel für den Bau neuer Schiffe freigesetzt werden.

Die Rückkehr der „Second Fleet“ – angekündigt vom Chef der amerikanischen Marineoperationen, Admiral John M. Richardson, am 4. Mai 2018 während einer Rede an Bord des Flugzeugträgers „George H.W. Bush“ – ist eine Antwort auf die zunehmenden Aktivitäten der russischen Marine vor allem im Seegebiet zwischen den USA und Europa. Die U.S. Navy registriert beispielsweise mittlerweile eine derart hohe Aktivität russischer Uboote, wie es sie sonst nur in den Tagen des Kalten Krieges gegeben hat. Richardson, der als Stabschef der U.S. Navy unter anderem für die Umsetzung der nationalen Verteidigungsstrategie der USA zur See verantwortlich zeichnet, hatte im Dezember vergangenen Jahres in den aktualisierten Strategischen Leitlinien („A Design for Maintaining Maritime Superiority, Version 2.0“) erklärt: „Die Welt ist in eine neue Ära des Wettbewerbs zwischen den Großmächten eingetreten. Zugleich wird das sicherheitspolitische Umfeld immer herausfordernder und komplexer.“

„Wie im Kalten Krieg steht viel auf dem Spiel“

Admiral James G. Foggo III, Kommandeur der U.S. Naval Forces Europe-Africa/U.S. 6th Fleet in Neapel, hatte bereits im Juni 2016 in seinem Beitrag „The Fourth Battle of the Atlantic“ („Die vierte Schlacht im Atlantik“) für das United States Naval Institute von einem „Ringen quer über und unter den Ozeanen, die an Europa grenzen“ gesprochen. Seine Warnung: „Es ist ein Ringen zwischen den russischen Streitkräften, die nach Schwächen suchen, und Anti-Uboot-Streitkräften der USA und der NATO, die schützen und abschrecken. Wie im Kalten Krieg steht viel auf dem Spiel.“

Mit der offiziellen Wieder-Indienststellung der „Second Fleet“ am 24. August 2018 unter dem Oberbefehl von Vizeadmiral Andrew Lewis steuern die USA nun gegen. Der Verband erhält den Auftrag, Einheiten im Bereich der amerikanischen Ostküste und im nördlichen Teil des Atlantiks zu koordinieren. Die andere Hälfte des Nordatlantischen Ozeans wird wie bisher Operationsgebiet der 6. US-Flotte sein. Als Hauptquartier der „Zweiten“ ist der Marinestützpunkt Norfolk im US-Bundesstaat Virginia im Gespräch.


Zu unserer Bildfolge:
1. Die „USS Mount Whitney“ im Kieler Marinestützpunkt Tirpitzhafen. Die „Mount Whitney“ ist ein Kommandoschiff für amphibische Kriegsführung der U.S. Navy. Es ist im italienischen Gaeta stationiert und dient als Flaggschiff des Kommandeurs der 6. US-Flotte. In das Bild einmontiert ist das Emblem des diesjährigen Großmanövers BALTOPS 2019.
(Foto: Abrey Liggins/U.S. Marine Corps; Bildmontage: mediakompakt)

2. Auslaufen der norwegischen Fregatte „KNM Roald Amundsen“ aus Kiel zur diesjährigen „Baltic Operations“.
(Foto: Chris Roys/U.S. Navy)

3. Freitag, 7. Juni 2019 – Einheiten des BALTOPS-Verbandes im Tirpitzhafen, Kiel.
(Foto: Joshua M. Tolbert/U.S. Navy)

4. Einsatzgruppenversorger „Berlin“ am 13. Juni 2019 neben der „USS Fort McHenry“. Das amerikanische Docklandungsschiff erhält vom Versorger der deutschen Marine Treibstoff.
(Foto: Chris Roys/U.S. Navy)

5. Grafische Darstellung der Einsatzgebiete der verschiedenen US-Flotten. Die reaktivierte 2. Flotte der U.S. Navy ist den Planungen der Marineführung zufolge für den Bereich der amerikanischen Ostküste und rund die Hälfte des Nordatlantischen Ozeans zuständig. Die andere Hälfte wird – wie bisher schon – Operationsgebiet der 6. US-Flotte sein.
(Infografik © Der Standard; Überarbeitung mediakompakt 06.19)

6. Vizeadmiral Andrew Lewis am 24. August 2018 an Bord des Flugzeugträgers „USS George H.W. Bush“; an diesem Freitag wurde die U.S. 2nd Fleet feierlich wieder in Dienst gestellt.
(Foto: Stacy M. Atkins Ricks/U.S. Navy)

Unser Großbild auf der START-Seite zeigt einen Hubschrauber des Typs MH-60S Sea Hawk auf dem Achterdeck der „USS Mount Whitney“ – die Aufnahme wurde im Kieler Tirpitzhafen gemacht.
(Foto: Theodore Green/U.S. Navy)

Kleines Beitragsbild: Einheiten des BALTOPS-Verbandes am 9. Juni 2019 unterwegs in der Ostsee.
(Foto: Brian Djurslev/NATO)


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