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Pfullendorf/Hechingen/Mannheim. Wie am heutigen Freitag (9. Februar) bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft Hechingen die Ermittlungen gegen sieben Bundeswehrsoldaten aus der Staufer-Kaserne im baden-württembergischen Pfullendorf wegen demütigender Aufnahmerituale eingestellt. Man habe „die genauen Urheber sowie den Personenkreis der Betroffenen nicht zweifelsfrei festgestellt“, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Vier Soldaten – Angehörige des Stammpersonals im Ausbildungszentrum Spezielle Operationen – hatten gegen ihre Entlassung geklagt und vom Dienstherrn die Aufhebung der entsprechenden Bescheide verlangt. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hatte am 19. Juli in erster Instanz befunden, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien. Dagegen hatten drei der Betroffenen in Mannheim vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Widerspruch eingelegt. Ohne Erfolg …

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Entlassung der Bundeswehrangehörigen wegen ihrer Teilnahme an Aufnahmeritualen für rechtens erklärt. Die Anträge der drei Soldaten auf Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen wies die übergeordnete Instanz in Mannheim zurück. Die Verfahren sind damit rechtskräftig abgeschlossen.

Vor der 5. Kammer des Sigmaringer Gerichts hatten zwei Zeitsoldaten sowie zwei freiwilligen Wehrdienst Leistende geklagt. Die Männer vom Ausbildungszentrum Spezielle Operationen waren von der Bundeswehr „wegen ihrer Beteiligung an sogenannten Taufen und Gefangenenspielen“ entlassen worden (siehe auch hier). Nach der Entscheidung in der ersten Instanz stellten die Vier Anträge auf Zulassung der Berufung. Einer nahm später seinen Zulassungsantrag zurück mit der Folge, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts dadurch rechtskräftig wurde. Die drei verbliebenen Zulassungsanträge hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 8. und 9. Februar nun abgelehnt. Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

Ereignisse in der Staufer-Kaserne erinnerten „äußerlich an Folterszenen“

Zur Begründung führt der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs aus, Folterrituale seien objektiv geeignet, den militärischen Zusammenhalt im Sinne eines gegenseitigen Vertrauens und der Bereitschaft, füreinander einzustehen, zu gefährden. Selbst geschaffene bundeswehrinterne Aufnahmerituale trügen die generelle Gefahr „des Ausartens“ in sich. Auch wenn diese Rituale mit harmlosen Inhalten beginnen würden, so bestünden doch Missbrauchsmöglichkeiten zulasten Einzelner. Soldaten seien hierbei einem Gruppenzwang unterworfen und würden letztlich durch Misshandlung, Demütigung beziehungsweise entwürdigende Behandlung in ihren Grundrechten verletzt.

Der Senat vertritt in seinen Beschlüssen ferner die Auffassung, dass die Behandlung des „Täuflings“ und des „Gefangenen“ äußerlich an Folterszenen erinnere, die darauf gerichtet seien, die Opfer nicht nur in ihrer Bewegungsfreiheit und körperlichen Unversehrtheit zu beeinträchtigen, sondern sie gerade auch in ihrer Ehre und Würde zu verletzen. Dies habe bereits das Verwaltungsgericht Sigmaringen zutreffend dargelegt.

Mannheimer Richter sprechen von „schwerwiegendem Fehlverhalten“

Mit Nachdruck machte der Senat darauf aufmerksam, dass es rechtlich unerheblich sei, ob diese Rituale im Einverständnis aller Beteiligten durchgeführt worden seien und auch alle Beteiligten diese Behandlung als Spaß angesehen hätten. Jeder „Spaß“ ende dort, wo er die Würde, die Ehre und (beziehungsweise oder) die körperliche Unversehrtheit eines Kameraden verletze, so die Richter. Die Beteiligung an „Folterritualen“ erweise sich daher – selbst wenn sie im allseitigen Einverständnis zwischen den Beteiligten als eine scherzhafte Form des Umgangs miteinander angesehen würden – schon wegen der Beeinträchtigung der Grundrechtssphäre des Betroffenen als schwerwiegendes Fehlverhalten.

Solche kameradschaftswidrigen Handlungsweisen beträfen den militärischen Kernbereich, da sie den militärischen Zusammenhalt gefährden könnten, warnt der Senat in Mannheim.

Soldaten müssen sich auf objektives Recht verlassen können

Zu den Beschlüssen des Mannheimer Gerichts sagte uns der Passauer Rechtsanwalt und Wehrrechtler Stefan Loebisch: „Das Recht steht über dem Ritual – so lassen sich die Entscheidungen zusammenfassen. Ob ein Aufnahmeritual demütigend ist oder nicht, beurteilt sich nach rein objektiven Kriterien. Ob das Aufnahmeritual eine Tradition hat, ob die betroffenen Soldaten in das Ritual eingewilligt haben oder ob die betroffenen Soldaten sogar selbst das Ritual nur als Spaß ansehen, spielt keine Rolle.“

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stelle völlig zu Recht auf den Gruppenzwang und die hieraus folgende Missbrauchsgefahr ab, so der Jurist weiter. Eine Armee sei eine streng hierarchische Einrichtung, in der Neulinge ganz unten stünden. Frisch in die Truppe eingetretene Rekruten müssten sich auf das objektive Recht und dessen Anwendung durch den Dienstherrn verlassen können.


Unsere Aufnahme zeigt das Hinweisschild im Eingangsbereich des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der Mannheimer Schubertstraße.
(Foto: amk)

Kleines Beitragsbild: Eingangsbereich zur Staufer-Kaserne in Pfullendorf.
(Foto: amk)


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