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Berlin/Gao (Mali). Noch vor wenigen Jahren galt das westafrikanische Land Mali als Paradebeispiel für relativ stabile Demokratie in diesem Teil der Erde. Nach einem Militärputsch im Jahr 2012, blutigen Unruhen und dem Vormarsch militanter Islamisten aus dem Norden kollabierte jedoch das Staatswesen. Heute sind in Mali auch deutsche Soldaten in Missionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union eingesetzt. Gemeinsam mit Kameraden anderer Nationen stemmen sie sich gegen ein Abrutschen des Landes in ein komplettes Chaos, das verheerende Konsequenzen für die ganze Sahelregion und weitreichende Folgen für Europa hätte. Mali ist mittlerweile nicht nur ein mörderischer Krisenherd und Brutstätte des Terrorismus, sondern auch noch Drehscheibe im Drogenhandel und Transitland für viele Flüchtlinge. Wie gefährlich hier vor allem der Blauhelm-Einsatz ist, zeigte einmal mehr der gestrige Mittwoch. Eine Patrouille der Bundeswehr wurde am Morgen gegen sieben Uhr (deutscher Zeit) in der Stadt Gao in Nordmali beschossen. Gottlob blieben alle Soldaten unverletzt!

Details zu dem Vorfall liefert eine Presseerklärung des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam. Wir erfahren: „Die Soldaten des deutschen Einsatzkontingents der MINUSMA waren [am 12. April] im Zuge einer Patrouille in einem nördlichen Stadtteil Gaos mit zwei geschützten Fahrzeugen unterwegs, als sie gegen 5 Uhr Ortszeit von vermutlich zwei Angreifern mit Handfeuerwaffen beschossen wurden. Die Soldaten erwiderten das Feuer und wichen aus. Es gab keinen Personen- oder Sachschaden. Die Soldaten befinden sich wieder im Camp Castor.“

Die VN-Mission MINUSMA (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali/Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali) gilt als gefährlichster und verlustreichster Einsatz der Vereinten Nationen weltweit. Seit Missionsbeginn im Juli 2013 kamen 114 MINUSMA-Angehörige im Dienst ums Leben, darunter 103 Soldaten (Stand: 28. Februar 2017). Momentan beteiligen sich an der Mali-Mission der VN rund 15.200 Männer und Frauen, davon fast 13.300 Militär- und 1900 Polizeiangehörige. Kommandeur ist der belgische Generalmajor Jean-Paul Deconinck. Das aktuelle VN-Mandat gilt bis zum 30. Juni dieses Jahres, von einer Verlängerung ist auszugehen.

Angst vor Beschuss, Raketenangriffen und Selbstmordattentaten

Erst am 5. April war ein französischer Soldat rund 200 Kilometer südwestlich von Gao „bei einem Zusammenstoß mit Terroristen“, so das französische Verteidigungsministerium, getötet worden (seit Beginn des Einsatzes 2013 starben in Mali bereits 17 französische Soldaten).

Das deutsche Einsatzkontingent bei MINUSMA kam bislang stets mit dem Schrecken davon. Am 6. Juli vergangenen Jahres war eine Patrouille der Bundeswehr nördlich von Gao beschossen worden. Die Soldaten in ihren gepanzerten Eagle- und Fennek-Fahrzeugen waren unverletzt geblieben und – nachdem sie das Feuer erwidert hatten – ins Camp Castor zurückgekehrt.

Immer wieder gibt es auf das Feldlager der deutsch-niederländischen Blauhelme auch Raketenangriffe. So berichtete die Bundeswehr von Raketenbeschuss unter anderem im Dezember 2015 sowie im September und im Oktober 2016. Niemand kam zu Schaden. Anfang Dezember 2016 sprengten sich zwei Selbstmordattentäter in unmittelbarer Nähe von Camp Castor in die Luft – die beiden Fanatiker waren die einzigen Opfer.

Schlimm erging es dem benachbarten, mitten in Gao gelegenen Militärstützpunkt der malischen Armee. Bei einem Selbstmordanschlag einer islamistischen Terrororganisation am 18. Januar dieses Jahres starben mehr als 60 Menschen. Weitere 115 Menschen wurden bei dem hinterhältigen Angriff schwer verletzt.

Inzwischen alle acht Bundeswehr-Hubschrauber in Gao eingetroffen

Kernauftrag von MINUSMA ist die Überwachung und Umsetzung des Friedensabkommens, das die Konfliktparteien – Regierung und Rebellengruppen – am 15. Mai 2015 in der Hauptstadt Bamako geschlossen haben. Anfangs hatte sich der Beitrag der Bundeswehr zu MINUSMA vor allem auf Stabspersonal, Verbindungsoffiziere sowie Flugzeuge zum Transport und zur Luftbetankung beschränkt. Am 28. Januar vergangenen Jahrs beschloss das Parlament jedoch auf Antrag der Bundesregierung eine erste Verstärkung des deutschen Mali-Einsatzes.

Zusätzlich zu den bisherigen Kräften entsandte die Bundeswehr danach eine verstärkte gemischte Aufklärungskompanie, ausgerüstet mit unbemannten Drohnen und Spähpanzern des Typs Fennek, in das westafrikanische Land. Hinzu kamen vor allem Objektschützer, Versorger und Fernmelder.

Am 26. Januar dieses Jahres nun verlängerte der Bundestag auf Antrag der Bundesregierung mit 498 Ja-Stimmen (bei 55 Ablehnungen und drei Enthaltungen) die Beteiligung der Bundeswehr an MINUSMA und erhöhte die Mandatsobergrenze von 650 auf 1000 Soldaten. Das aktuelle Mandat ist befristet bis zum 31. Januar 2018. Die Kosten für die „einsatzbedingten Zusatzausgaben“ im Verteidigungshaushalt werden nach Auskunft der Regierung mit rund 163 Millionen Euro beziffert.

Mittlerweile sind im Camp Castor in Gao auch alle acht eingeplanten deutschen Helikopter – vier Transporthubschrauber NH90 und vier Kampfhubschrauber Tiger – eingetroffen. Sie ersetzen jetzt die Maschinen der Niederländer, die ab März abgezogen wurden.

Im Rahmen des Engagements Deutschlands in Mali sind auch Bundeswehrangehörige im VN-Hauptquartier in Bamako stationiert. In Niamey, der Hauptstadt des benachbarten Niger, betreibt die deutsche Luftwaffe einen Stützpunkt für den Material- und Personentransport. Mit derzeit rund 140 Kräften beteiligt sich die Bundeswehr auch bei der europäischen Mission EUTM Mali an der Ausbildung malischer Streitkräfte, damit das Land in Zukunft wieder selbst die Verantwortung für seine Sicherheit übernehmen kann (seit 2013 hat EUTM Mali nach dem Konzept „Ausbildung der Ausbilder“ mehr als 9000 Soldaten des Landes geschult).

Bundeswehrsoldaten auf einen langen Mali-Einsatz eingestimmt

Außenminister Sigmar Gabriel besuchte vor Kurzem gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Marc Ayrault Mali. In Gao verriet er am 7. April vor Bundeswehrsoldaten seine Lageeinschätzung und stimmte die Truppe damit auf einen langen Einsatz in dem westafrikanischen Unruheland ein. Der SPD-Politiker warnte: „Man darf nicht erwarten, dass ein solcher Konflikt, wie er hier existiert, in kurzer Zeit gelöst werden kann.“

Gabriel hatte im Laufe seiner Reise auch darauf hingewiesen, dass Mali ein Schlüsselland für Frieden und Stabilität in der Sahelregion sei (siehe auch hier). Deshalb komme es hier nun auch mehr denn je auf das Engagement der Bundeswehr an, so der Außenminister. Den Soldaten in Camp Castor sagte er: „Hier ist einer der großen Krisenherde, aus dem heraus sich Terrorismus, Flucht und Vertreibung entwickeln – deswegen müssen und wollen wir hier helfen.“ Die Bundesregierung wisse, dass der Einsatz unter schwierigen Bedingungen stattfinde und dass sich in der Heimat Familien, Ehepartner und Kinder große Sorgen machten. Man sei deshalb allen beteiligten Bundeswehrangehörigen zu großem Dank verpflichtet, betonte Gabriel in Gao.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Deutsche Aufklärer am 3. Februar 2017 in der Nähe von Gao in Nordmali.
(Foto: Christian Thiel/Bundeswehr)

2. Das Hintergrundbild zu unserer Grafik zeigt Gao aus der Luft. Die Stadt mit rund 87.000 Einwohnern befand sich von 2012 bis Januar 2013 in der Hand von Islamisten und wurde im Rahmen der „Opération Serval“ von französischen und malischen Truppen wieder befreit. Gao liegt am linken Ufer des Niger.
(Foto: Marco Dormino/MINUSMA)

Kleines Beitragsbild: Geschosshülsen im Gerichtsgebäude in Gao zeugen von erbitterten Kämpfen im Norden Malis, der früher in der Hand von islamistischen Rebellen war. Auch Gao war von den blutigen Auseinandersetzungen betroffen. Die Aufnahme stammt vom 29. August 2013.
(Foto: Marco Dormino/MINUSMA)


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