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Berlin. Die Bundeswehr wird mit Drohnen vom Typ Heron TP des Rüstungsunternehmens Israel Aerospace Industries (IAI) ausgerüstet. Dies berichtete am heutigen Dienstag (12. Januar) zunächst der Kölner Stadt-Anzeiger. Später bestätigte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor der Presse in Berlin die Entscheidung von Generalinspekteur Volker Wieker. Dieser hat sich damit zugleich gegen das Konkurrenzprodukt Predator B des amerikanischen Drohnenherstellers General Atomics Aeronautical Systems entschieden. Die neuen israelischen Systeme für die Bundeswehr – im Gespräch sind bis zu fünf Heron TP, die man von IAI leasen will – sollen vor allem der Aufklärung dienen. Sie können aber auch Raketen auf Bodenziele abfeuern und gelten deshalb landläufig als Kampfdrohnen.

Noch vor der Presseerklärung von der Leyens hatte der Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner (Grüne) bestätigt, dass „ein Jahr nach der grundsätzlichen Entscheidung der Ministerin, bewaffnungsfähige Drohnen für die Bundeswehr zu beschaffen“, die Wahl jetzt „auf ein israelisches Modell“ gefallen sei.

Der Heron TP (Heron: engl. „Reiher“/TP: Turboprop) soll als vorübergehende Lösung beschafft werden und später durch eine gemeinsam mit anderen europäischen Ländern entwickelte Drohne, die ebenfalls bewaffnet werden kann, ersetzt werden. Im Mai 2014 hatten die Unternehmen Airbus Defence and Space, Dassault Aviation aus Frankreich und Alenia Aermacchi aus Italien dazu der Politik bereits detaillierte Entwicklungsvorschläge unterbreitet.

Überbrückungslösung voraussichtlich bis zum Jahr 2025

In ihrem Statement am heutigen Dienstag vor den Medienvertretern erinnerte die Verteidigungsministerin einmal mehr an die guten Erfahrungen, die man mit der ebenfalls geleasten, reinen IAI-Aufklärungsdrohne Heron 1 in Afghanistan gemacht habe (siehe auch hier).

Zum Thema „Heron TP“ sagte von der Leyen in der Bundeshauptstadt: „Wir haben gemeinsam mit dem Parlament beschlossen, dass wir mit Frankreich, Italien und Spanien zusammen eine Eurodrohne entwickeln. Die wird aber nicht vor 2025 zur Verfügung stehen. Das heißt, wir haben eine Lücke, die wir überbrücken müssen.“ Als Lösung für diese Überbrückung habe der Generalinspekteur entschieden, mit dem israelischen Hersteller IAI über ein Leasinggeschäft für das unbemannte Luftfahrzeugsystem (Unmanned Aircraft System, UAS) Heron TP zu verhandeln. Von der Leyen weiter: „Wir werden dann, wenn die […] Verträge entscheidungsreif [vorliegen], dies mit dem Parlament noch mal detailliert durchsprechen – aber die Richtung und ist jetzt vorgegeben. Es wird um eine bewaffnungsfähige Drohne gehen; das wird für die Zukunft Standard sein. Sie ist wichtig für den Schutz der Soldatinnen und Soldaten in den Auslandseinsätzen.“

Wie Welt-Redakteur Thorsten Jungholt heute in seinem Beitrag zur Beschaffungsentscheidung schreibt, wird die Bundeswehr „nach Angaben aus Regierungskreisen“ wohl „drei bis fünf Heron TP“ von IAI anmieten. Die UAS sollen ab 2018 einsatzbereit sein. Deutscher Partner werde wie bisher schon Airbus Defence and Space (Airborne Solutions) sein. Der Kostenrahmen für das Projekt inklusive Lenkflugkörpern zur Bewaffnung werde mit 580 Millionen Euro veranschlagt, so Jungholt in der Welt.

Linke warnen vor einer „schrittweisen Autonomisierung der Waffensysteme“

Wie zu erwarten, reagierte die Opposition prompt. Im politischen Lager der Grünen und der Linken ist das Thema „Drohnen“ – insbesondere das der „Kampfdrohnen“ – ein dunkelrotes Tuch.

So empörte sich die verteidigungspolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Christine Buchholz: „Bei der Beschaffung von Kampfdrohnen geht es nicht um das Schließen einer Fähigkeitslücke, sondern um die Fähigkeit zum Mord per Fernbedienung.“ Mit dem Einstieg in die Kampfdrohnentechnik werde der Weg hin zur schrittweisen Autonomisierung der Waffensysteme beschritten, fürchtet die Parlamentarierin. Die Bundesregierung beteilige sich damit an einem Rüstungswettlauf, der am Ende zur Herstellung vollautomatisierter Kampfroboter führen könnte.

Buchholz appelliert: „Die Bundeswehr braucht keine Kampfdrohnen. Denn sie dienen nicht dem Schutz der eigenen Soldaten. Sondern dazu, über Tausende Kilometer hinweg Menschen zu töten. Bereits jetzt sind auch Tausende Zivilisten Opfer von Drohnenangriffen geworden.“

Grüne fürchten eine zunehmende „Entgrenzung der Kriegsführung“

Ähnlich äußert sich Agnieszka Brugger, Sprecherin für Sicherheits- und Abrüstungspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. „Mit dieser Entscheidung bereitet Frau von der Leyen den Weg für Kampfdrohnen“, vermutet Brugger. Die Verteidigungsministerin sei blind für die Risiken, die mit diesen „hochumstrittenen Waffensystemen“ verbunden seien.

Die Bundestagsabgeordnete begründet ihre Position: „Kampfdrohnen werden wie kaum eine andere Technologie völkerrechtswidrig eingesetzt und treiben eine Entgrenzung der Kriegsführung voran. Der zunehmende Einsatz dieser vermeintlich präzisen Waffensysteme ist für eine hohe Zahl von zivilen Opfern verantwortlich und hat in vielen Krisengebieten zur Gewalteskalation beigetragen. Es ist ein großer Fehler, dass die Bundesregierung sich gegenüber wichtigen Partnern hier in Schweigen hüllt und nun selbst dem Kreis der Staaten beitritt, die Kampfdrohnen besitzen. Bisher hat die Bundesregierung zudem kaum etwas getan, um ihr Versprechen nach einer internationalen Ächtung von autonomen Waffensystemen umzusetzen.“

Brugger wendet sich auch tadelnd an die Sozialdemokraten: „Sie stehen in der Verantwortung, anstatt vielstimmig alle erdenklich möglichen Positionen in dieser Frage einzunehmen. Die SPD sollte ihrem eigenen Anspruch als Friedenspartei gerecht werden und die Beschaffung von Kampfdrohnen verhindern.“

Drohnen für Union eine „unverzichtbare Ergänzung zur Operationsführung“

Ganz anders natürlich die Reaktionen der Christdemokraten. Die heutige Auswahlentscheidung der Bundesregierung kommentiert Henning Otte, der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Für den bestmöglichen Schutz unserer Soldaten im Einsatz sind Drohnen eine unverzichtbare Ergänzung zur militärischen Operationsführung. Die Bundeswehr verfügt bereits über weitreichende Erfahrungen beim Einsatz von Drohnen des Typs Heron 1, welche in Afghanistan zur Aufklärung eingesetzt werden. Im Gegensatz zum Vorgängermodell hat die Heron TP eine bessere Leistungsfähigkeit.“

Die deutsche Luftwaffe sei zudem mit dem System Heron vertraut. Ausbildung und Material müssten nicht auf ein anderes System umgestellt werden. Dies spare Zeit und ermögliche eine schnellere Einführung des Systems Heron TP.

Die Entscheidung für Heron sei darüber hinaus eine Entscheidung für Europa und für eine zukünftige europäische Drohne, so Otte weiter. „Bis 2025 wollen mehrere europäische Staaten, darunter auch Deutschland, gemeinsam eine europäische Drohne entwickeln. Mit der Übergangslösung Heron TP können die Bundeswehr und das europäische Herstellerkonsortium wichtige Erfahrungen sammeln, die zur Entwicklung einer neuen Generation europäischer Drohnen notwendig sind.“

Ein ganz besonderer Verband der deutschen Luftwaffe

Das erste unbemannte, ferngesteuerte Luftfahrzeug (Remotely Piloted Aircraft, RPA) des Typs Heron TP war im Februar 2010 in Dienst der israelischen Luftstreitkräfte gestellt worden. Vier Jahre zuvor, im Juli 2006, soll es den Erstflug gegeben haben.

Die bewaffnungsfähige Aufklärungsdrohne hat eine Spannweite von 26 Metern und ist 14 Meter lang. Sie hat ein maximales Abfluggewicht von 5300 Kilogramm und kann 1000 Kilogramm Nutzlast tragen. Der Hersteller gibt die Einsatzhöhe mit 45.000 Fuß (13.716 Meter) an, die Einsatzdauer mit bis zu 36 Stunden. Der Heron TP wird von einem 895 Kilowatt (rund 1217 PS) starken Turbo-Prop-Triebwerk bewegt.

Zugeteilt werden auch diese israelischen Drohnen einmal – so denn der Deal mit IAI zustande kommt – dem Taktischen Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ auf dem Fliegerhorst Jagel. Das Geschwader ist der einzige fliegende Verband unserer Luftwaffe, der über die Fähigkeiten zur be- und unbemannten abbildenden und signalerfassenden luftgestützten Aufklärung befähigt ist.

Dazu war am 1. Januar 2010 die 2./Fliegende Aufklärungsstaffel der „Immelmänner“ für unbemannte Aufklärungssysteme neu aufgestellt worden. Die Heron 1 des Verbandes sind – wir erwähnten es bereits eingangs – seit März 2010 in Afghanistan eingesetzt.


Das Bildmaterial für diesen Beitrag zeigt:
1. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei ihrer Pressekonferenz am 12. Januar 2016 unter anderem zur Überbrückungslösung Heron TP.
(Videostandbild: Quelle Bundeswehr)

2. und 3. RPA Heron TP in Israel.
(Fotos: Israel Aerospace Industries)

4. Konkurrenzprodukt Predator B von General Atomics.
(Foto: General Atomics Aeronautical Systems)

Kleines Beitragsbild: Heron TP – Umschlaggrafik eines Produktflyers von Israel Aerospace Industries, MALAT Division. Hoheitsabzeichen und sonstige Militärkennungen wurden von uns entfernt, um nur das „neutrale“ Luftfahrzeug zu zeigen.
(Bild: Israel Aerospace Industries)


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