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Wilhelmshaven. Dienstschluss für die dienstälteste Fregatte der deutschen Marine. Nach 32 Jahren, acht Monaten und elf Tagen im Einsatz auf allen Weltmeeren hieß es jetzt Abschied nehmen von der „Niedersachsen“. Das Schiff der Fregattenklasse 122 („Bremen“-Klasse) wurde am Freitag vergangener Woche (26. Juni) an der Westpier im Marinearsenal Wilhelmshaven feierlich außer Dienst gestellt. An der Veranstaltung nahmen auch Niedersachsens Innenminister, Boris Pistorius, der Oberbürgermeister der Stadt Wilhelmshaven, Andreas Wagner, sowie zahlreiche Gäste aus der Kommunal- und Landespolitik, der Wirtschaft und dem Bereich der Bundeswehr teil.

Zur Westpier gekommen waren an diesem Tag auch viele Freunde, Wegbegleiter und ehemalige Besatzungsangehörige des Schiffes. Unter ihnen auch viele frühere Kommandanten wie Alfred Thomas, unter dessen Kommando die „Niedersachsen“ am 15. Oktober 1982 in Dienst gestellt worden war. Ein anderer „Ehemaliger“, Fregattenkapitän André Dirks, fasste gegenüber der Wilhelmshavener Zeitung seine Abschiedsgefühle knapp zusammen: „Was für ein trauriger Tag.“ Dirks hatte das Kriegsschiff von 2007 bis 2010 geführt.

Gut 35 Mal rund um den Globus und zu Gast in 311 Häfen weltweit

Mit dem letzten Niederholen der Flaggen und Kommandozeichen endete am 26. Juni 2015 um 10 Uhr die lange Dienstzeit der Fregatte „Niedersachsen“. Ihre Truppenfahne wurde feierlich an das 4. Fregattengeschwader übergeben. Die Außerdienststellung begleiteten auch der Kommandeur der Einsatzflottille 2 (Wilhelmshaven), Kapitän zur See Christoph Müller-Meinhard, und der Kommandeur des 4. Fregattengeschwaders (Wilhelmshaven), Fregattenkapitän Thorsten Marx.

Nach Angaben der Marine hat die „Niedersachsen“ im Laufe ihrer Dienstzeit 763.337,1 Seemeilen zurückgelegt (mehr als 1,4 Millionen Kilometer). Dies entspricht gut 35 Erdumrundungen. Die Fregatte hatte dabei insgesamt 311 Häfen in aller Welt besucht. Am 30. Dezember 2014 war sie aus der Fahrbereitschaft der deutschen Marine genommen worden (siehe auch hier und hier).

Theoretische Belastungsgrenzen der Fregattenklasse weit übertroffen

Einen interessanten Beitrag über das weitere Schicksal der bereits außer Dienst gestellten Einheiten der „Bremen“-Klasse findet man in der Septemberausgabe 2014 der Zeitschrift MarineForum, Publikation der Marine-Offizier-Vereinigung (MOV). Die beiden Autoren Christian Bastisch und Markus Christian Thieron befassen sich in ihrem Artikel „Die Verwertung der Fregatten Klasse 122“ unter anderem noch einmal mit der Entscheidung der militärischen Führung zur Außerdienststellung dieser bewährten Schiffe.

Die beiden Marineoffiziere, zum Zeitpunkt des Erscheinens ihres Fachbeitrages tätig im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz, zu den Gründen: „Nach rund 30 Jahren F122 hat die Marine damit begonnen, die See zu räumen für die neuen Fregatten der ,Baden-Württemberg‘-Klasse (F125) und die Außerdienststellung der ,Bremen‘-Klasse verfügt. Zu diesem Zeitpunkt haben alle Schiffe der Klasse 122 ihre konstruktive Auslegung bereits überschritten. Hinsichtlich der Festigkeit ist unter anderem das Lastkollektiv der zyklischen Belastung im Seegang maßgeblich. Der rechnerischen Lastwechselzahl lag eine Einsatzdauer von durchschnittlich 90 Seetagen pro Jahr bei einer Nutzungsdauer von 25 Jahren zugrunde. In der Realität wurden durchschnittlich 108 Seetage pro Jahr bei einer Nutzungsdauer von bis zu 33 Jahren erreicht, wenngleich nicht ohne zwischenzeitliche Reparaturen am Schiffskörper.“

Noch einige Zeit als Ersatzteilträger im Marinearsenal Wilhelmshaven

Da sich auch die Ersatzteilversorgung für die noch zur See fahrenden Schwesterschiffe zunehmend schwieriger gestaltete, entschied man, die außer Dienst gestellten Einheiten der Fregattenklasse 122 zunächst als Ersatzteilträger zu nutzen, ehe sie endgültig ausgesondert und der finalen Verwertung zugeführt werden.

Momentan liegen die vier Fregatten „Köln“, „Rheinland-Pfalz“, „Emden“ und „Bremen“ als Ersatzteilträger im Wilhelmshavener Marinearsenal, jetzt kommt die „Niedersachsen“ hinzu. Von der deutschen Marine genutzt werden noch die Fregatten „Karlsruhe“ (geplante Außerdienststellung Mitte 2017), „Lübeck“ (Mitte 2018) und „Augsburg“ (Mitte 2019).

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich sicherlich in einer Morgenlage über die Außerdienststellung der Fregatte „Niedersachsen“ berichten lassen. Immerhin war ihre Mutter, Heidi Adele Albrecht, am 9. Juni 1981 in Bremen Taufpatin des Schiffes gewesen (von der Leyens Vater, Ernst Albrecht, war von 1976 bis 1990 Ministerpräsident des Landes Niedersachsen).


Zu unserem Bildmaterial:
1. Die Fregatte „Niedersachsen“ am 29. Juli 2013. An diesem Montag verlässt das Schiff unter dem Kommando von Fregattenkapitän Kurt Leonards seinen Heimatstützpunkt Wilhelmshaven, um an der EU-geführten Operation Atalanta am Horn von Afrika teilzunehmen.
(Foto: Ricarda Schönbrodt/Bundeswehr)

2. Das Hintergrundbild unserer Infografik zeigt die Hafenanlagen der deutschen Marine in Wilhelmshaven, Heimat des 4. Fregattengeschwaders.
(Foto: Martina Nolte, Infografik © mediakompakt 07.15)

3. Eine ganz besondere navigatorische Herausforderung für die damalige Besatzung der „Niedersachsen“ verzeichnet das Bordbuch der Fregatte am 2. Juni 2010. Das Schiff war zu jenem Zeitpunkt Teil des Einsatz- und Ausbildungsverbandes 2010 (EAV 2010) der deutschen Marine und unterwegs mit der Fregatte „Brandenburg“ und dem Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ von Sewastopol (Ukraine) nach Valencia (Spanien).

Aus dem Pressebericht unserer Marine: „Die ,Niedersachsen‘ hat auf dem Weg nach Valencia den Kanal von Korinth passiert. Während die beiden anderen Schiffe des EAV 2010 den um 400 Seemeilen längeren Weg südlich um die Halbinsel Peloponnes herum nahmen, kürzte die Fregatte ,Niedersachsen‘ die Strecke durch den von Menschenhand in den Fels geschlagenen Kanal ab. Als einziges Schiff des Verbandes erfüllte die Fregatte der Klasse 122 die Anforderungen an Breite (14,6 Meter) und Tiefgang (6 Meter).“

Der Kanal von Korinth wurde im Jahre 1893 fertiggestellt, ist 6.343 Meter lang und an der schmalsten Stelle 18,30 Meter breit. Er trennt das griechische Festland von der Halbinsel Peloponnes und verbindet so die Ägäis mit dem Golf von Korinthiakos.

Der Autor des Presse- und Informationszentrums der Marine beschreibt die spannende Passage weiter: „Um 14:38 Uhr war es so weit – die Einfahrt an der Ostseite des Kanals war erreicht. Langsam war die Spannung auf der Brücke spürbar, handelte es sich doch um eine außergewöhnliche navigatorische Herausforderung. Je dichter der Kanal kam, desto schmaler wirkte er. Fast die gesamte Besatzung hatte sich an Oberdeck versammelt, kaum einer wollte sich dieses einzigartige Erlebnis entgehen lassen. Links und rechts ragten bereits die Felswände bis zu 80 Meter in die Höhe, die Navigation meldete 1,2 Meter Wasser unter dem Kiel. An Umkehren war nicht mehr zu denken. An der schmalsten Stelle der Passage waren keine zwei Meter Platz zu jeder Seite und gefühlt gerade einmal die sprichwörtliche Handbreit Wasser unter dem Kiel. Genau eine halbe Stunde später wurde es wieder heller: Um 15:08 Uhr öffneten sich die Felswände zu beiden Seiten, der Ausgang an der Westseite des Kanals, und damit der Golf von Korinthiakos, war erreicht.“
(Foto: Ricarda Schönbrodt/Bundeswehr)


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