Berlin. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen investiert in die Zukunft der Bundeswehr. Mit neuen Rüstungsgroßprojekten im Gesamtvolumen von rund acht Milliarden Euro will sie die Teilstreitkräfte Luftwaffe und Marine stärken. Am 9. Juni gab sie in Berlin gemeinsam mit Generalinspekteur Volker Wieker die Beschaffung des Taktischen Luftverteidigungssystems MEADS (Medium Extended Air Defense System) und den Bau von vier Mehrzweckkampfschiffen 180 (MKS 180) bekannt. Mit den beiden Neuanschaffungen sollen nach Auskunft des Verteidigungsministeriums auch zentrale Elemente der Agenda „Rüstung“ – wie Transparenz und dauerhaftes Risikomanagement – konsequent umgesetzt werden. Von der Leyen sagte dazu vor Medienvertretern, es sei gut, dass beide Projekte „in die Tiefe hinein geprüft“ wurden, um Risiken auszumachen.
Nachdem wir unmittelbar nach Bekanntwerden der beiden Rüstungsvorhaben bereits über die MEADS-Entscheidung berichtet haben (siehe hier), wollen wir heute noch kurz auf die geplante Anschaffung der MKS 180 eingehen.
Der Auftrag zur Entwicklung und Fertigung der Schiffe soll europaweit ausgeschrieben werden. Die Kosten für das maritime Projekt werden auf etwa 3,9 Milliarden Euro geschätzt. Das erste der vier Schiffe soll den Planungen des Ministeriums zufolge im Jahr 2023 an die deutsche Marine ausgeliefert werden. Ob zusätzlich zu den vier MKS 180 noch zwei weitere dieser Schiffe beschafft werden, ist momentan offen. Eine Entscheidung darüber soll auch nicht vor dem Jahr 2030 fallen.
In einem Pressebeitrag der Bundeswehr heißt es über das neue MKS 180: „Das Projekt des neuen Mehrzweckkampfschiffs setzt das mit der Fregatte F125 begonnene Mehrbesatzungskonzept fort. Auch haben die Erfahrungen, die die Bundeswehr in den vergangenen Jahren durch ihre weltweiten Einsätze gemacht hat, die Entscheidung zur Entwicklung der neuen Schiffsklasse mit beeinflusst. Ob Überwachen von Seegebieten und Bekämpfung von Piraterie, humanitäre Hilfe, Durchsetzen von Waffenembargos oder die Unterstützung von Spezialkräften und Evakuierungsoperationen – die Aufgaben der Marine sind heute vielfältig und kaum vorhersehbar.“ Aufgaben, die alle auch auf die Besatzungen der vier MKS 180 zukommen können.
Informationen der Bundeswehr zufolge gibt es bereits „grobe Designentwürfe“ von dem zukünftigen Marineschiff. Das MKS 180 soll mit verschiedenen Missionsmodulen ausgerüstet werden, um unterschiedliche Einsatzszenarien bewältigen zu können. An Bord wird es ein modernes Schiffslazarett geben. Bei Anti-Piraterie-Missionen oder vergleichbaren Einsätzen stehen Arresträume zur Verfügung. Für die Ubootjagd ist ein Schleppsonar vorgesehen. Geplant sind auch ein Bordhubschrauber und Boote für Spezialkräfte.
Bewaffnet werden die neuen Mehrzweckkampfschiffe unter anderem mit Seezielflugkörpern zur Schiffsabwehr. Moderne See-Luft-Lenkflugkörper sollen Luftziele in Entfernungen von bis zu 25 Kilometern bekämpfen – so können auch andere Schiffseinheiten vor Luftbedrohung geschützt werden. Bei Landeinsätzen sollen die MKS 180, wenn möglich, Unterstützung leisten.
Weitere interessante Details zur Auswahlentscheidung „Mehrzweckkampfschiff 180“ nennt eine Pressemitteilung des Bundestagsabgeordneten Ingo Gädechens, stellvertretender verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er erklärt: „In der Grundausstattung wird dieser Schiffstyp bereits eine voll ausgerüstete Fregatte sein, die alle denkbaren Bedrohungen bekämpfen kann.“ Der neue Fregattentyp werde gegen Seeziele genauso wirken können wie gegen Luft- und Unterwasserziele sowie gegen Landziele. „Moderne Führungsfähigkeiten sowie ein Intensivnutzungs- und Mehrbesatzungskonzept sollen das Fähigkeitsspektrum des neuen Schiffstyps abrunden“, so Gädechens, der bis September 2014 Berufssoldat bei der deutschen Marine war (seit seiner Wahl in den Bundestag 2009 vom Dienst freigestellt).
Das Bundesministerium habe sich demnach in dieser ersten Auswahlentscheidung für ein Modell entschieden, das alle Anforderungen an ein 3D-Seekriegsmittel vollständig erfüllen kann, meint der CDU-Politiker. Abgestufte Lösungsvarianten würden somit nicht weiterverfolgt. „Die ursprünglich geplante Konfiguration eines kleineren Fregattentyps beziehungsweise einer Korvettenklasse wurde somit fallen gelassen. Die Vielzahl an Fähigkeiten kann nur ein großer Schiffstyp leisten.“
Gädechens betont in seiner Presseerklärung abschließend, wie sehr ihm die korrekte Wiedergabe der Projekt-Historie am Herzen liege. Er erläutert: „Die ursprüngliche Planung in der Marine sah vor, dass die Schnellboote komplett durch einen Korvettentyp ersetzt werden. Während die Schnellboote der Klasse 143 bereits durch die modernen Korvetten der Klasse 130 ersetzt wurden, war als Ersatz für die Schnellboote der Klasse 143 A ein Korvettentyp K131 geplant, aus dem später das Projekt des Mehrzweckkampfschiffs 180 wurde. Das aktuell geplante Mehrzweckkampfschiff wird aber nicht nur die Schnellboote 143 A ablösen, sondern perspektivisch auch die Fähigkeiten der Fregatte 123 ersetzen. Insofern sind die erwarteten Mehrkosten von über einer Milliarde Euro durchaus gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass hier ein vollkommen anderer Schiffstyp beschafft wird.“
Der Fregattentyp wird sich sicherlich eng an der F125 orientieren, um eine hohe Kommunalität (Anm.: Gleichheit von unterschiedlichen Produkten oder Prozessen) zu gewährleisten, ist sich der Abgeordnete sicher. „Vonseiten des Parlaments ist es auf jeden Fall gewünscht, dass die Ausbildung, die Ersatzteilbeschaffung und das Führungssystem vergleichbar zu bereits existierenden Fregattentypen in der Marine gestaltet werden.“
Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, begrüßte in einem Pressestatement die aktuellen Entscheidungen der politischen und militärischen Führung der Bundeswehr zur Rüstungsbeschaffung.
Zur Entwicklung eines neuen Mehrzweckkampfschiffes für die Teilstreitkraft Marine sagte der Bundestagsabgeordnete: „Durch die europaweite Ausschreibung des MKS 180 wird der Auswahlprozess für die Bundeswehr und das Parlament um ein vielfaches transparenter. Die Marine erhält mit dem MKS 180 einen ganz neuen Schiffstyp, der durch die Verwendung von Modulen leichter veränderten Einsatzszenarien und Aufgaben angepasst werden kann. Auch hier wird die Kontrolle verbessert, indem der Entwicklungsprozess von externen juristischen Sachverständigen begleitet wird. So können Fehler minimiert werden.“
Wie das Handelsblatt „aus Branchenkreisen“ erfahren haben will, sollen sich auch Werften aus dem europäischen Ausland um den Zuschlag für die zunächst vier MKS 180 bemühen. Die in Düsseldorf erscheinende Wirtschaftszeitung erwähnt in ihrem Bericht vom 9. Juni die französische Staatswerft DCNS sowie das spanische Rüstungsunternehmen Navantia. Kenner räumen beiden Anbietern, so das Handelblatt, jedoch nur Außenseiterchancen ein, da die nötigen Verbindungen „in die deutsche Politik“ fehlen würden.
Bessere Chancen hätte wohl ein Konsortium von Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) und Fr. Lürssen Werft. Der schärfste Konkurrent von TKMS und Lürssen sei allerdings German Naval Yards (GNY).
German Naval Yards Holdings vereint drei Traditionswerften in Schleswig-Holstein: German Naval Yards Kiel (vormals HDW-Gaarden), Nobiskrug (Rendsburg) und Lindenau Werft (Kiel-Friedrichsort). Die Dachgesellschaft agiert auf zwei Geschäftsfeldern: German Naval Yards Kiel ist spezialisiert auf Planung und Bau großer Marineschiffe wie Fregatten, Korvetten und Offshore Patrol Vessels; Nobiskrug stellt Superyachten her. Reparatur und Wartung runden das Geschäft ab.
German Naval Yards Holdings ist eine hundertprozentige Tochter der Privinvest-Gruppe, einem führenden Anbieter von Marinelösungen. Zu Privinvests europäischem Werftenverbund zählen auch weltbekannte Branchenspezialisten wie die französische Marinewerft CMN und Isherwoods in Großbritannien.
Übrigens: Warum das geplante neue Mehrzweckkampfschiff der deutschen Marine die Bezeichnung „180“ trägt, kann das Presse- und Informationszentrum der Teilstreitkraft erklären. In der Antwort auf unsere Anfrage heißt es: „Die Zahl 180 wird durch eine in der Marine vorgegebenen Klassifizierungsvorschrift vergeben, aus der sich dann das Nummernschema ergibt. Die Zahl orientiert sich nicht an einer möglichen Besatzungsstärke.“
Die beiden Bilder zeigen:
1. Systemstudie des geplanten deutschen Mehrzweckkampfschiffes 180.
(Grafik: MTG Marinetechnik GmbH)
2. Ingo Gädechens, stellvertretender verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
(Foto: Michael Kandler/Büro MdB Gädechens)
… Wie kann man so dumm sein, die Unternehmensberatung McKinsey nach den vielen Bankenskandalen und der Vernichtung von Milliarden ins Verteidigungsministerium zu lassen. Und dann noch den Dienstleister Accenture (Accenture ging am 1. Januar 2001 durch Namenswechsel aus der 1989 gegründeten Unternehmensberatung Andersen Consulting hervor; das Unternehmen war ursprünglich ein Schwesterunternehmen des Wirtschaftsprüfers Arthur Andersen, der in die Enron-Pleite verwickelt war.) … Wie […] ist die Bundeswehr wohl dann, wenn man solche zwielichtigen Unternehmen ins Ministerium [lässt] …
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