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Jagel/Büchel/Inçirlik (Türkei). Ab heute ist auch die deutsche Luftwaffe im Syrieneinsatz. Nachdem sich bereits in der Nacht zum Sonntag (6. Dezember) die Fregatte „Augsburg“ im südöstlichen Mittelmeer einem multinationalen Verband um den französischen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ für den Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) angeschlossen hatte, brachen am heutigen Donnerstag (10. Dezember) weitere Bundeswehranteile zur Anti-IS-Mission auf. Bei stürmischem Wetter starteten am Vormittag vom schleswig-holsteinischen Fliegerhorst Jagel aus zwei Tornado-Aufklärer des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51 „Immelmann“ Richtung Türkei.

Unter dem Kommando von Brigadegeneral Andreas Schick verlegten heute auch rund 40 Soldaten des Geschwaders „Immelmann“ an Bord einer Transportmaschine A400M nach Inçirlik. Auf der Luftwaffenbasis gut zwölf Kilometer östlich von Adana in der Südtürkei sollen sie die deutschen Aufklärungstornados und ein Tankflugzeug Airbus A310 MRTT (MRTT: Multi Role Transport Tanker) unserer Luftwaffe betreuen. Der Tanker war heute vom militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn aus gestartet.

Der Deutsche Bundestag hatte am 4. Dezember den Antrag der Bundesregierung angenommen, bewaffnete deutsche Streitkräfte „zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS“ einzusetzen, und somit der Entsendung von maximal 1200 Bundeswehrsoldaten in den Syrieneinsatz zugestimmt. Dazu war auch das entsprechende Fähigkeitspaket – bestehend aus den Komponenten „Schutz eines Flugzeugträgers“, „militärische Aufklärung“ und „Luftbetankung“ – beschlossen worden (wir berichteten).

Hintergrund dieser parlamentarischen Entscheidung war und ist die Bitte Frankreichs nach den Anschlägen in Paris vom 13. November um militärischen Beistand und andere Unterstützung. Zu der Pariser Terrorserie hatte sich der IS bekannt.

„Sie haben ein klares Mandat und unsere volle Solidarität“

Die Teile des ersten deutschen Kontingents waren am heutigen Donnerstagvormittag auf dem Fliegerhorst Jagel bei einem Appell von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig und dem Kommandierenden General des Luftwaffentruppenkommandos, Generalleutnant Helmut Schütz, in den Syrieneinsatz verabschiedet worden.

Albig sagte dabei unter anderem: „Deutschland und unsere Bündnispartner erwarten ausgesprochen viel von Ihnen: Die Lage in der Region ist unübersichtlich und komplex, und es gibt Risiken.“ Doch es gebe den festen und demokratisch gefassten Entschluss des Parlaments, einen Beitrag im Kampf gegen den Terror zu leisten und ein klares Zeichen zu setzen. Niemand habe dem leichtfertig zugestimmt, so der Ministerpräsident.

Der Regierungschef dankte den gut 40 Einsatzkräften des Vorauskommandos des Luftwaffengeschwaders 51, dass sie bereit seien, diese schwierige Aufgabe zu übernehmen. „Schleswig-Holstein steht an Ihrer Seite. Sie haben ein klares, verbindliches Mandat für Ihren Einsatz und unsere volle Solidarität. Unsere Gedanken sind bei Ihnen und bei Ihren Familien. Überstehen Sie gut diese Zeit der Trennung und des Einsatzes.“

Zwei Tornado-Grundvarianten – beide befähigt auch für die Aufklärungsrolle

Fast zeitgleich fand rund 660 Kilometer entfernt am Luftwaffenstandort Büchel/Cochem in der Eifel ein Medientag statt. Von Büchel aus werden im Januar zwei Tornado-Maschinen des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 ebenfalls nach Inçirlik verlegen. Insgesamt werden dann von der Türkei aus sechs deutsche Aufklärer – vier ECR-Tornado aus Jagel (ECR: Electronic Combat and Reconnaissance/Elektronische Kampfaufklärung) und zwei IDS-Tornado (IDS: Interdiction Strike/Abriegelung und Angriff) aus Büchel – die internationale Allianz gegen den IS im Rahmen der „Operation Inherent Resolve“ unterstützen.

Kurz noch ein paar Anmerkungen zu den deutschen Tornado-Varianten. Grundsätzlich teilt sich die Tornado-Flotte unserer Luftwaffe in den Jagdbomber IDS und den Tornado ECR auf. Der ECR ist die für die elektronische Gefechtsfeldaufklärung entwickelte Variante. Durch seinen Einsatz sollen eigene Flugzeuge gegen Boden-Luft-Raketen geschützt werden, indem das feindliche Radar aus der Luft gestört wird und eigene Jagdbomber die feindlichen Stellungen zerstören. Der Tornado ECR ist unter anderem mit Anti-Radar-Lenkwaffen bestückt. Unter den Flügeln können Luft-Luft-Lenkflugkörper des Typs „Sidewinder“ mitgeführt werden (zukünftig wird die „Sidewinder“ durch den modernen Luft-Luft-Lenkflugkörper „IRIS-T“ ersetzt werden).

Beide Tornado-Varianten – der IDS-Tornado und der ECR-Tornado – sind dazu befähigt, in der Aufklärungsrolle eingesetzt zu werden. Dazu können sie mit dem digitalen Aufklärungssystem RecceLite (Reconnaissance Litening Targeting Pod) ausgerüstet werden, über das die deutsche Luftwaffe seit 2009 verfügt. RecceLite sammelt in niedrigen und mittleren Höhen mit Hilfe von Infrarot- und optischen Sensoren bei Tag und Nacht hochauflösendes digitales Bildmaterial. Die Aufklärungsergebnisse werden während des Fluges in Echtzeit an die Bodenstation übertragen.

Alles in allem begibt sich unsere Luftwaffe mit einem interessanten „Tornado-Mix“ nach Inçirlik und von da aus in den Syrieneinsatz.

Alle vier deutschen Maschinen am Nachmittag sicher gelandet

Blicken wir jetzt kurz in die Südtürkei. Auf der Inçirlik Air Base landeten am heutigen Nachmittag kurz nach 15 Uhr deutscher Ortszeit die beiden Tornado-Aufklärer und der A400M aus Jagel mit dem Vorauskommando. Auch das Airbus-Tankflugzeug traf auf der türkischen Luftwaffenbasis ein. Bei der Ankunft wurde das deutsche Teilkontingent von türkischen und amerikanischen Militärs begrüßt.

Brigadegeneral Schick stellte nach der Landung lapidar fest: „Ab heute sind wir im Einsatz.“ Sein Ziel ist es, am 16. Dezember die erste Betankungsmission zu fliegen und Mitte Januar mit den ersten Aufklärungsflügen zu beginnen. Nach den Planungen sollen in Inçirlik bis zu 250 Bundeswehrsoldaten stationiert werden, mit deren Hilfe die Betankungs- und Aufklärungsflüge über Syrien realisiert werden können.

Fraktion der Linken fordert sofortigen Abbruch des Bundeswehreinsatzes

Massive Kritik am Syrieneinsatz der Bundeswehr äußern die Linken. So erklärte die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion, Heike Hänsel, „anlässlich der Entsendung des Vorauskommandos der Bundeswehr“ in die Türkei: „Es ist völlig unglaubwürdig, wenn die Bundesregierung vorgibt, an der Seite der Türkei und Saudi-Arabiens – die beide islamistische Terrormilizen in Syrien unterstützen – den IS bekämpfen zu wollen. Der Bundeswehreinsatz muss sofort abgebrochen werden, noch bevor er richtig beginnt.“

Weiter warnt die Bundestagsabgeordnete der Linken: „Die Angabe der Bundesregierung, keine Daten über Stellungen der kurdischen Selbstverteidigungsstreitkräfte im Norden Syriens an die Türkei weiterzugeben, klingt wenig glaubwürdig, denn natürlich werden diese Daten innerhalb des NATO-Verbundes weitergeleitet.“ Die Bundesregierung könne nicht ausschließen, so Hänsel, dass diese Daten dann auch vom NATO-Mitglied Türkei oder von mit Saudi-Arabien verbündeten islamistischen Milizen genutzt würden, um mit den Kurden in Syrien ausgerechnet diejenigen anzugreifen, die sich dem IS bislang am entschiedensten entgegengestellt hätten. „Wer sich in diesen Krieg mit den vielen Beteiligten und ihren widerstreitenden Interessen begibt, läuft Gefahr, Interessen zu dienen, die nicht einmal von dem von der Bundestagsmehrheit beschlossenen Mandat geschweige denn vom Grundgesetz gedeckt sind“, befürchtet die Politikerin.

Gutachten nennt Begründung für Entsendung deutscher Soldaten „unhaltbar“

Ein Rechtsgutachten für die Fraktion der Linken im Bundestag kommt zudem zu dem Schluss, dass der Syrieneinsatz der Bundeswehr „rechtswidrig“ ist. In einem elfseitigen Papier des emeritierten Professors für Verfassungs- und Völkerrecht Norman Paech heißt es in der Zusammenfassung unter anderem: „Die von der Bundesregierung in Anspruch genommene rechtliche Begründung für die Entsendung deutscher Streitkräfte nach Syrien ist unhaltbar.“

Paech, der von 2005 bis 2009 Bundestagsabgeordneter und außenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke gewesen war, warnt in seinem Gutachten: „Die Entsendung der Bundeswehr wäre ein schwerer Verstoß gegen geltendes Völker- und Verfassungsrecht.“

Zu den militärischen Kämpfen gegen den IS sagt der Gutachter: Sie „sind in völkerrechtlicher Terminologie ein internationaler Konflikt. Er erstreckt sich über zwei Staaten, Irak und Syrien, an ihm nehmen derzeit 15 Staaten teil. Es handelt sich um einen Krieg, der schon lange die nationalen Dimensionen eines nicht internationalen Konflikts (Bürgerkrieg) gesprengt hat, und muss auch als Krieg bezeichnet werden.“

Ob die Linke gegen diesen Einsatz der Bundeswehr vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wird, ist auch nach Veröffentlichung der „verfassungs- und völkerrechtlichen Analyse“ von Professor Norman Paesch unklar.

USA verlangen von den Verbündeten größere Anstrengungen im Kampf gegen IS

Zum Krieg gegen den IS äußerte sich am Mittwoch dieser Woche (9. Dezember) auch US-Verteidigungsminister Ashton Carter in Washington. Bei einer Anhörung im Streitkräfteausschuss des Senats erklärte er: „Wollen wir den IS global und auch bei uns besiegen, so müssen wir den Hebel dort ansetzen, wo dieses Krebsgeschwür am stärksten wuchert – im Irak und in Syrien.“ Um die Terrororganisation zu schlagen, müsse der Staat alle zur Verfügung stehenden Mittel aufbieten: Außenpolitik und Diplomatie, das Militär, den Heimatschutz, die Nachrichtendienste, die Gesetzgebung, seine Wirtschaftskraft und auch den gesamten Bereich der Kommunikation und Information.

Carter forderte mehr Unterstützung aus der Anti-IS-Koalition, insbesondere von den sunnitischen Golfstaaten. Die USA hätten bereits massive Leistungen erbracht. „Wir drängen Verbündete in der Region und weltweit, mehr zum Kampf gegen den IS beizutragen. Die Anschläge der letzten Wochen haben gezeigt, dass dieser Kampf in unser aller Interesse ist“, appellierte er.

Alle US-Verbündeten seien aufgefordert, sich verstärkt mit Militärausbildern, Waffen- und Munitionslieferungen, Spezialkommandos sowie Kampfflugzeugen an der Mission zu beteiligen. Ausdrücklich lobte Carter bei der Anhörung Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien dafür, ihren Einsatz ausgeweitet zu haben. Kritik äußerte der Verteidigungsminister an Russland, das sich zwar auf den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ verpflichtet habe, sich in Wahrheit jedoch darauf konzentriere, die Gegner von Baschar al-Assad zu bombardieren.


Die Bundeswehr hat die Verabschiedung des Vorauskommandos für den Syrieneinsatz der Luftwaffe am 10. Dezember 2015 in Jagel für Medienzwecke hervorragend dokumentiert. Dafür darf man an dieser Stelle auch einmal ausdrücklich Danke sagen. Zu den Aufnahmen:
1. Soldatengepäck für den Flug nach Inçirlik, Südtürkei.
(Foto: Jane Schmidt/Bundeswehr)

2. Verabschiedungsappell in Jagel.
(Foto: Jane Schmidt/Bundeswehr)

3. Beladung des Airbus A400M.
(Foto: Jane Schmidt/Bundeswehr)

4. Abflug in den Syrieneinsatz – Start der Tornado-Maschinen in Jagel.
(Foto: Jane Schmidt/Bundeswehr)

5. Brigadegeneral Andreas Schick (links), Kontingentführer des Syrieneinsatzes, fliegt mit seinen Soldaten im A400M des Lufttransportgeschwaders 62 nach Inçirlik.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)

6. Angehörige des Vorauskommandos.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)

7. Landung der deutschen Tornado-Maschinen auf der Luftwaffenbasis Inçirlik am 10. Dezember 2015 kurz nach 15 Uhr deutscher Zeit.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)

8. US-Verteidigungsminister Ashton Carter am 9. Dezember 2015 bei der Anhörung vor dem Streitkräfteausschuss des Senats in Washington. Zentrales Thema: der IS.
(Foto: Krystal Ardrey/U.S. Air Force)


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