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Berlin. Der Deutsche Bundestag hat am vergangenen Freitag (4. Dezember) den Antrag der Bundesregierung angenommen, bewaffnete deutsche Streitkräfte „zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS“ einzusetzen. Er folgte damit der Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses vom 2. Dezember. In namentlicher Abstimmung votierten 445 Abgeordnete für den Regierungsantrag, 145 stimmten dagegen, sieben Parlamentarier enthielten sich. Die Bundeswehr kann nun insgesamt bis zu 1200 Soldaten mit entsprechender Ausrüstung in den Syrieneinsatz entsenden. Die vorgesehenen Kräfte können eingesetzt werden, „solange die völkerrechtlichen Voraussetzungen und die konstitutive Zustimmung des Bundestages vorliegen, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2016“.

Der deutsche Beitrag für den Kampf gegen den Terrorismus und gegen die Terrortruppe des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) erfolgt vor allem auf der Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen (VN). Unterstützt werden Frankreich, der Irak und die internationale Anti-IS-Allianz.

Zudem hat der VN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 2249 vom 20. November alle Nationen dazu aufgerufen, die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung des IS in Syrien zu ergreifen.

Deutschland hilft Frankreich auch im Rahmen der Beistandspflicht unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU). Diese Pflicht ergibt sich aus Artikel 42 (7) des EU-Vertrages. Die Entsendung der Bundeswehrkräfte erfolgt im Rahmen und nach den Regeln eines „Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ nach Artikel 24 (2) unseres Grundgesetzes.

Fregatte „Augsburg“ bereits auf dem Weg ins Einsatzgebiet

Die Bundeswehr wird sich am internationalen Syrieneinsatz auf drei Fähigkeitsfeldern beteiligen: Schutz eines Flugzeugträgers, militärische Aufklärung und Luftbetankung.

Geschützt werden soll im östlichen Mittelmeer der französische Flugzeugträger „Charles de Gaulle“. Er dient vor der syrischen Küste als schwimmende Luftwaffenbasis, von der aus Kampfjets ihre Luftangriffe gegen den IS in Syrien fliegen. Die deutsche Marine unterstützt die Franzosen zunächst mit der Fregatte „Augsburg“, die am heutigen Sonntag (6. Dezember) bereits der „Charles de Gaulle“ unterstellt worden ist. Ziel des Verbandes ist nach Informationen der deutschen Marine der Suezkanal und nach dessen Passage dann das Arabische Meer, um „von dort den Einsatz französischer Kampfflugzeuge fortzuführen“.

Die „Augsburg“ unter dem Kommando von Fregattenkapitän Jörg Mascow hatte am 20. November ihre Heimatbasis Wilhelmshaven verlassen, um ursprünglich am europäischen Marineeinsatz EU NAFOR Med teilzunehmen. Die Rückkehr des Schiffes aus dieser Operation war für Anfang März 2016 geplant.

Übertragung der Aufklärungsergebnisse an die Bodenstation in Echtzeit

Die militärische Aufklärung erfolgt mit bis zu sechs Aufklärungsflugzeugen des Typs Tornado vom Taktischen Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ (Fliegerhorst Jagel in Schleswig-Holstein) und vom Taktischen Luftwaffengeschwader 33 (Fliegerhorst Büchel/Cochem in der Eifel) sowie mit dem System SAR-Lupe aus dem All.

Die deutsche Luftwaffe verfügt seit 2009 über das digitale RecceLite-Aufklärungssystem. Mit diesem System können eine deutlich höhere Qualität der Tornado-Aufklärungsergebnisse und eine verbesserte Auswertung erzielt werden. Darüber hinaus ist eine Echtzeitübertragung der Aufklärungsergebnisse im Flug an die Bodenstation möglich. RecceLite ist in der Lage, hochauflösendes digitales Bildmaterial bei Tag und bei Nacht mit Hilfe von Infrarot- und optischen Sensoren aus niedrigen und mittleren Höhen zu sammeln und dabei eine entscheidende Reduzierung der Gefährdung der Tornadobesatzungen zu erreichen (Anm.: Recce = Ableitung vom englischen Wort „reconnaissance“, zu deutsch „Aufklärung“/RecceLite = Reconnaissance Litening). Die Tornado-Maschinen aus Jagel und die aus Büchel können mit dem RecceLitePod ausgerüstet werden.

Bei einem Medientag am Freitag (4. Dezember) erklärte Oberst Michael Krah, der die „Immelmänner“ seit Juli 2014 befehligt: „Der bevorstehende Einsatz ist sicherlich gefährlich. Es gibt keinen Einsatz ohne Risiko. Ich bin aber überzeugt, dass wir mit unserer Ausrüstung, unseren Aufklärungs- und Selbstschutzsystemen sowie wegen des Ausbildungsstandes meiner Besatzungen auf diesen Einsatz gut vorbereitet sind.“ Das Geschwader wird für die bevorstehende Syrienmission auf die modernste Variante des Tornados zurückgreifen, hieß es in Jagel.

Deutsche Luftwaffe verlegt in den nächsten Tagen nach Inçirlik in die Türkei

Ein deutscher Airbus A310 MRTT (MRTT: Multi Role Transport Tanker) wird die Flugzeuge unserer Luftwaffe und die der Partnernationen in der Luft mit Treibstoff versorgen. So können die Piloten ihren Auftrag länger durchführen.

Zusammen mit dem Airbus-Tankflugzeug werden die Recce-Tornados aus Norddeutschland möglicherweise noch in dieser Woche zur türkischen Luftwaffenbasis Inçirlik verlegen.

SAR-Lupe ist das erste satellitengestützte Radar-Aufklärungssystem Deutschlands. Es besteht aus fünf baugleichen Kleinsatelliten und einem Bodensegment. Am 4. Dezember 2008 war das Gesamtsystem offiziell an das Kommando Strategische Aufklärung der Bundeswehr übergeben worden. (Anm.: SAR = Synthetic Aperture Radar/Radar mit einer synthetischen Bündelbreite.)

Auch Kräfte für die „Rettung und Rückführung isolierten Personals“ eingeplant

Der deutsche Beitrag für den Kampf gegen den IS beinhaltet gemäß Regierungsantrag alles in allem folgende militärische Fähigkeiten: Führung, Führungsunterstützung, Aufklärung, militärisches Nachrichtenwesen und sanitätsdienstliche Versorgung. Hinzu kommen logistische, sanitätsdienstliche und sonstige Unterstützungsleistungen. Der Part „Sicherung und Schutz (plus gegebenenfalls Rettung und Rückführung isolierten Personals)“ gehört ebenfalls zum Fähigkeitspaket für den Syrieneinsatz der Bundeswehr dazu.

Vom Verteidigungsministerium gibt es im Hinblick auf die Personalstärken der einzelnen Komponenten erste grobe Angaben. So soll die Komponente „Aufklärung“ etwa 400 bis 500 Soldaten umfassen, die Komponente „Luftbetankung“ 150, seegehender Schutz 300 sowie Stabspersonal zur Unterstützung rund 50 Kräfte. Zudem ist ein „personeller Puffer“ vorgesehen.

Der Einsatz erfolgt – so ist dem Antrag der Bundesregierung zu entnehmen – vorrangig im und über dem Operationsgebiet des IS in Syrien, im östlichen Mittelmeer, im Persischen Golf, im Roten Meer sowie in den angrenzenden Seegebieten. Die Bundeswehr kann auch auf dem Territorium von Staaten eingesetzt werden, deren Regierungen einem Einsatz zugestimmt haben. Außerdem entsendet Deutschland Personal in Stäbe anderer Staaten und der internationalen Allianz. Diese Stäbe leiten und koordinieren den Einsatz, beispielsweise von den Emiraten Kuwait oder Katar aus.

Regelmäßige Treffen mit dem russischen Militär zur Vermeidung von Konflikten

Die am Syrieneinsatz beteiligten Bundeswehrangehörigen werden dem Zentralkommando der Vereinigten Staaten (United States Central Command, CENTCOM) unterstehen. Das CENTCOM, das seinen Sitz in Tampa im US-Bundesstaat Florida hat, koordiniert die gesamte Operation der internationalen Koalition gegen die IS-Terrormiliz.

Darunter gibt es das Hauptquartier der Koalition in Kuwait, das auch die Marineeinsätze steuert. Die Luftwaffenbasis in Al Udeid (Katar) koordiniert die alliierten Luftstreitkräfte. Von dort aus werden auch die Aufträge an die deutschen Tornados ergehen. Im Stab auf der Al Udeid Air Base werden auch Bundeswehrsoldaten integriert sein.

Für die Nutzung der deutschen Tornado-Aufklärungsergebnisse gibt es übrigens klare Regeln: Deutschland will die Ergebnisse eines Tornadofluges zunächst selbst auswerten, erst danach werden die Bundeswehrsoldaten die gewonnenen Daten an die Luftstreitkräfte der Koalition weiterreichen.

Russland wird keine Daten deutscher Tornado-Maschinen erhalten. Nach Auskunft der Bundesregierung wird es allerdings mit russischem Militärpersonal „Deconflicting“-Runden geben. Dabei tauschen Russland und die Anti-IS-Koalition technische Informationen darüber aus, wer sich zu welcher Zeit in welchem Luftraum befindet. So sollen Missverständnisse vermieden und Unfälle ausgeschlossen werden.

Deutsche militärische Unterstützung eingebettet in einem politischen Ansatz

In ihrer Begründung für den „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS“ schreibt die Bundesregierung: Der „IS stellt aufgrund seiner extremistisch-salafistischen Gewaltideologie, seiner terroristischen Handlungen, seiner anhaltenden schweren, systematischen und ausgedehnten Angriffe auf Zivilpersonen sowie seiner Anwerbung und Ausbildung ausländischer Kämpfer eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar. Der bewaffnete Angriff auf Frankreich [am 13. November 2015] galt der Lebensweise und den Werten, die alle Bürger Europas teilen. Die Berufung auf die Beistandsklausel des EU-Vertrages ist nicht nur ein Ersuchen um den Beistand der EU-Mitgliedstaaten. Sie ist auch ein klares europapolitisches Signal und ein Appell an die EU-Mitgliedstaaten, sich dieser gemeinsamen Bedrohung geschlossen und geeint entgegen zu stellen.“

Der IS bedrohe dabei nicht nur die Werte der westlichen Welt, sondern auch die der muslimischen Gemeinschaften, so die Bundesregierung weiter. Dieser Bedrohung könne nur im Rahmen einer umfassenden politischen Lösung erfolgreich und nachhaltig begegnet werden. Hierfür seien bereits im Sommer vergangenen Jahres im Irak mit der inklusiven Regierungsbildung durch Premierminister Haider al-Abadi die Voraussetzungen geschaffen worden. In Syrien bedürfe es hierfür noch eines politischen Prozesses, der auf Grundlage des Genfer Communiqués vom 30. Juni 2012 zu einer ernsthaften politischen Transition führen könne.

Die deutsche militärische Unterstützung sei somit eingebettet in einen breiten politischen Ansatz, der von der großen Mehrheit der Staatengemeinschaft getragen werde und der auf politischer, diplomatischer, humanitärer, entwicklungspolitischer, militärischer und rechtsstaatlicher Ebene wirke. Die Bundesregierung verweist darauf: „Dieser Ansatz hat zum Ziel, den IS einzudämmen und Irak so zu stabilisieren, dass alle Bevölkerungsgruppen angemessen eingebunden werden, und durch diplomatische Bemühungen auf internationaler Ebene eine nachhaltige politische Befriedung Syriens und der Region zu erreichen.“

Mittlerweile 64 Staaten im gemeinsamen Kampf gegen den IS

Die internationalen Bemühungen im Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ werden mittlerweile von einer breiten internationalen Koalition getragen, die sich 2014 in Reaktion auf die territoriale Expansion des IS herausgebildet hat und der auch Deutschland angehört.

Diese Anti-IS-Allianz umfasst derzeit 64 Staaten und verfolgt eine umfassende Strategie mit den Handlungslinien Militär, Unterbrechung der Finanzströme, Unterbrechung des Zulaufs von ausländischen Kämpfern, Kommunikationsstrategie und Stabilisierung.

Deutschland beteiligt sich in allen fünf Bereichen an den entsprechenden Arbeitsgruppen der Gemeinschaft gegen den IS, einschließlich der Arbeitsgruppe „Militär“. Zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten hat Deutschland den Vorsitz der zivilen Arbeitsgruppe „Stabilisierung“ inne, welche die Stabilisierung der vom IS befreiten Gebiete in Syrien und Irak zum Ziel hat.

Bundeswehr federführend bei der militärischen Ausbildung im Nord-Irak

In ihrer Antragsbegründung erinnert die Bundesregierung auch noch einmal an die Maßnahmen, die von ihr bereits früher im Rahmen der Terrorismusbekämpfung und der Bekämpfung des IS ergriffen worden sind.

So engagiert sich Deutschland seit längerer Zeit schon bei der Ausbildung und Ausrüstung der kurdischen Sicherheitskräfte im Nord-Irak. Die Rückeroberung der nordirakischen Stadt Sinjar durch die Kurden am 13. November zeige, dass der IS gut ausgebildeten und ausgerüsteten, koordiniert vorgehenden Kräften unterlegen sei, schreibt die Regierung. Mittlerweile spiele Deutschland bei der Ausbildungsunterstützung der Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak und der irakischen Streitkräfte im Rahmen der internationalen Allianz gegen den IS eine führende Rolle bei der Koordinierung der militärischen Ausbildung.

Deutschland „intensiviert sicherheitspolitisches Engagement in der Region“

Für die Zukunft werde Deutschland – neben den unmittelbaren Unterstützungsleistungen im Kampf gegen den IS – die französischen Streitkräfte auch durch die Übernahme von stärkerer Verantwortung in Mali entlasten. Auch wolle man bei eventuellen weiteren Großschadensereignissen in Frankreich medizinische Soforthilfe bereitstellen. Beides sei ein sichtbares Zeichen deutscher Solidarität und Verlässlichkeit im Sinne der EU-Beistandsverpflichtung, betont die Bundesregierung. „Die direkte Beteiligung am Kampf gegen den IS stellt insgesamt eine Intensivierung unseres sicherheitspolitischen Engagements in der Region dar“, heißt es wegweisend in dem Antrag.

Die Kosten (einsatzbedingte Zusatzausgaben) für die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am Kampf gegen den IS werden für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 nach Regierungsangaben „voraussichtlich“ rund 134 Millionen Euro betragen.


Zu unserer Bildsequenz:
1. Bundestagsdebatte am 2. Dezember 2015 zum Thema „Einsatz der Bundeswehr gegen die Terrororganisation des IS“, am Rednerpult der Abgeordnete der Linken Dietmar Bartsch.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)

2. Ergebnis der Bundestagsabstimmung am 4. Dezember 2015 zum Syrieneinsatz deutscher Streitkräfte.
(Hintergrundfoto: Thomas Trutschel/photothek.net/Deutscher Bundestag)

3. Die Fregatte „Augsburg“, die zum Schutz des französischen Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“ ins östliche Mittelmeer entsandt wurde. Die Aufnahme zeigt das Schiff im März dieses Jahres in Wilhelmshaven.
(Foto: amk)

4. Medientag des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51 „Immelmann“ am 4. Dezember 2015 auf dem Flugplatz Jagel. Zentrales Thema: der bevorstehende Einsatz des Verbandes im Nahen Osten.
(Foto: Kevin Schrief/Bundeswehr)

5. Aufklärungstornado des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51 „Immelmann“ am 25. November 2015 in Spanien bei der NATO-Großübung „Trident Juncture“.
(Foto: Falk Bärwald/Bundeswehr)


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