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Inçirlik (Türkei)/Berlin. Piloten der deutschen Luftwaffe haben mit der Airbus-Version zur Luftbetankung, dem A310 MRTT, eine erste Unterstützungsmission im Rahmen des Kampfes gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) geflogen. Der Airbus-Tanker war am Dienstagabend (15. Dezember) von der türkischen Luftwaffenbasis Inçirlik aus gestartet. Laut Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam betankte der A310 während des insgesamt fünf Stunden dauernden Einsatzes zweimal Kampfjets der internationalen Koalition gegen die Terrorbanden des IS. Die deutsche Spezialmaschine landete Mittwoch kurz nach Mitternacht wieder auf dem Stützpunkt Inçirlik.

Über die Nationalität der betankten Maschinen machte das Einsatzführungskommando keine Angaben. Die deutsche Luftwaffe bezeichnete diesen Betankungseinsatz als „Beginn der ,Operation Inherent Resolve‘ für die Bundeswehr“. An den Luftangriffen gegen den IS in Syrien und im Irak beteiligen sich im Rahmen der Operation amerikanische, britische, französische und arabische Flugzeuge.

Reaktion auf die Pariser Anschlagserie vom 13. November 2015

Der Bundestag hatte den Bundeswehreinsatz gegen das Terrorregime des IS am 4. Dezember mit großer Mehrheit beschlossen. Diese Entscheidung war eine Reaktion auf die Anschläge vom 13. November in Paris, bei denen nach Angaben der französischen Regierung 130 Menschen getötet und 352 verletzt worden waren. Der IS hatte sich am 14. November in einer im Internet veröffentlichten mehrsprachigen Erklärung zu der Terrortat bekannt.

Nach dem Bundestagsmandat können nun bis zu 1200 deutsche Soldaten die internationale Allianz gegen den „Islamischen Staat“ unterstützen. Zwei Tornado-Aufklärungsflugzeuge, der Airbus zur Flugbetankung sowie ein Vorauskommando sind bereits seit dem 10. Dezember auf der türkischen Luftwaffenbasis Inçirlik stationiert. Die Aufklärer waren vom schleswig-holsteinischen Fliegerhorst Jagel aufgebrochen, der Tanker vom militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn (wir berichteten).

Erste Tornado-Maschinen in Inçirlik – keine Befähigung zur Aufklärung?

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wird die Bundeswehr die Luftangriffe der Koalition gegen den IS mit ihren Tornado-Aufklärern „spätestens am 8. Januar 2016“ unterstützen. Dieses Datum erfuhr dpa von einem Sprecher des Verteidigungsministeriums. Bis zum 15. Januar sollen dann insgesamt sechs deutsche Maschinen „vollständig einsatzbereit“ sein. Ab dem ersten Missionstag sollen zunächst im Rahmen der „vorläufigen Einsatzbereitschaft“ zwei Einsatzflüge pro Tag möglich sein. Ab dem 16. Januar will die Luftwaffe von Inçirlik aus bis zu vier Aufklärungsflüge täglich realisieren.

Nach Auskunft der Bundeswehr sind die bereits auf der türkischen Air Base stationierten beiden Tornados vom Taktischen Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ aus Jagel nur „mit ersten Orientierungsflügen“ beauftragt.

Stefan Beuke vom Flensburger Tageblatt, das zum Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag gehört, zitiert heute in seinem Beitrag „Zwei Jageler Tornados für Aufklärungsflüge ungeeignet“ einen Ministeriumssprecher. Diesem zufolge gehe es im Moment lediglich darum, die „komplexen Luftraumstrukturen und Koordinationsverfahren praktisch zu erfliegen“. Auch der Flugbetrieb auf der Basis in Incirlik werde dabei eingehend studiert. Ob die beiden deutschen Maschinen bereits die für den eigentlichen Einsatz nötige Konfiguration hätten, sei unerheblich, so der Sprecher gegenüber dem Zeitungsverlag. Erst bei den für später im Januar geplanten Einsätzen über Syrien würden Tornados gebraucht, die auch tatsächlich mit der aktuellen modernen Aufklärungstechnik fliegen könnten.

Vom reinen Passagiertransport zur strategischen Luft-zu-Luft-Betankung

Kurz noch einmal zurück zur Luftbetankungskomponente Airbus A310 MRTT (MRTT: Multi Role Transport Tanker) unserer Luftwaffe.

Die Teilstreitkraft hatte Ende der 1990er-Jahre insgesamt vier Airbus 310-304 von der Lufthansa übernommen und bis Herbst 2001 zu umrüstbaren Mehrzweckflugzeugen umbauen lassen. Seit 2002 steht der Bundeswehr damit folgendes Aufgabenspektrum zur Verfügung: reiner Passagiertransport, kombinierter Fracht- und Passagiertransport, Verwundeten- und Krankentransport sowie strategische Luft-zu-Luft-Betankung. Die Maschinen können durch das technische Personal der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung innerhalb weniger Tage bedarfgerecht konfiguriert werden.

Auf der Frachtversion aufbauend, verfügt die Tanker-Variante über insgesamt vier im unteren Laderaum eingebaute Zusatztanks, mit denen maximal 72 Tonnen Flugbenzin aufgenommen werden können. Unter jedem Airbusflügel gibt es einen rund 600 Kilogramm schweren Betankungspod, aus dem bei der Luftbetankung ein 22 Meter langer Schlauch mit einem Betankungskorb abgerollt wird („Hose and Drogue“-Technologie). Das zu betankende Flugzeug führt seine Tanksonde in den Korb ein. Pro Minute können dann bis zu 1600 Liter Treibstoff übergeben werden.

Die Tankerbesatzung besteht aus den beiden Piloten und einem Luftbetankungsoffizier (Air Refuelling Officer, ARO). Der ARO koordiniert und steuert von einer Bedien- und Kontrollstation, die hinter dem Cockpit eingerüsteten ist, den Betankungsvorgang. Dafür steht er in ständigem Funkkontakt mit der Tankerbesatzung und den Piloten der Flugzeuge, die auf Treibstoff warten. Mithilfe der seitlich im Rumpf eingebauten Video- und Infrarotkamerasysteme kann der ARO die Luftbetankung auf zwei Bildschirmen seiner Konsole überwachen und aufzeichnen, auch bei nächtlichen Einsätzen.

USA wünscht sich stärkeres militärisches Engagement der Allianzpartner

Am 15. Dezember stattete auch US-Verteidigungsminister Ashton Carter der Base Inçirlik im Rahmen seiner Nahost-Visite einen Besuch ab. Bei einem Pressegespräch bedankte er sich ausdrücklich bei Deutschland, Katar, Spanien und der Türkei für ihre nun stärkere Beteiligung am internationalen Kampf gegen den IS. Allerdings müssten mehr Nationen ihre Anstrengungen auf militärischem Gebiet gegen die Dschihadisten verstärken, verlangte Carter.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits am Sonntagabend (13. Dezember) die amerikanische Bitte nach einem größeren militärischen Engagement Deutschlands gegen den IS zurückgewiesen. In einem Interview mit dem ZDF sagte sie zu einem entsprechenden Schreiben Carters an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, in dem Washington eine stärkere Beteiligung an den Luftschlägen der Allianz in Syrien und dem Irak fordert: „Ich glaube, dass Deutschland seinen Teil leistet und dass wir jetzt nicht über neue Fragen sprechen müssen in diesem Zusammenhang in diesen Tagen.“

Unter dem Dach der „Operation Inherent Resolve“

Die USA und ihre Verbündeten fliegen seit dem 8. August 2014 Luftangriffe auf Stützpunkte, Kampfstellungen und Fahrzeuge des IS im Irak, seit dem 23. September vergangenen Jahres auch in Syrien. Dieser US-geführte Einsatz des Militärbündnisses heißt „Operation Inherent Resolve“ (siehe auch hier).

„Inherent Resolve“ bedeutet übersetzt etwa „Innere Entschlossenheit“ oder auch „Natürliche Entschlossenheit“. Das US-Zentralkommando hatte dazu am 15. Oktober 2014 in einer Pressemitteilung erklärt: „Die Operation ,Inherent Resolve‘ soll den unerbittlichen Willen und die tiefe Hingabe der USA und ihrer Partnernationen in der Region und in aller Welt demonstrieren, die Terroristengruppe IS und die von ihr ausgehende Bedrohung für den Irak, die Region und die weitere internationale Gemeinschaft zu eliminieren.“

Die am Kampf gegen den „Islamischen Staat“ beteiligten Nationen haben ihren nationalen Beiträgen an „Operation Inherent Resolve“ zumeist auch noch eine eigene Bezeichnung gegeben. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters vom 10. Dezember soll der Syrieneinsatz der Bundeswehr den Namen „Counter Daesh“ erhalten haben.

Die Süddeutsche Zeitung bot zum Begriff „Daesh“ vor Kurzem folgende Erklärung: „Das von Politikern und vor allem in der arabischen und israelischen Presse häufig für den IS verwendete Wort ,Daesh‘ kommt vom Akronym von ,Al-daula al-Islamija fi-l-Iraq wa-l-Scham‘ – DAIISH oder Da’ish. Das Akronym wird abwertend verwendet – es erinnert an andere arabische Begriffe, die etwa für ,Zwietracht säen‘ oder ,zertreten‘ stehen. Seit 2014 verwendet Frankreichs Präsident François Hollande eine französische Form von Da’ish, Daech, um den Anspruch des IS, ein Staat und Kalifat zu sein, zurückzuweisen und die Terrororganisation herabzusetzen. Andere westliche Politiker sind ihm gefolgt, wobei das Wort im Englischen zu Daesh wurde.“


Zu unserer Bildauswahl:
1. Luftbetankung durch einen Airbus A310 MRTT der Flugbereitschaft BMVg.
(Foto: PrInfoZ Luftwaffe)

2. Airbus A310 MRTT „August Euler“ mit ausgefahrenen Tankstutzen. Die Aufnahme wurde im Juni 2007 bei der damaligen Pariser Air Show gemacht.
(Foto: Dmitry A. Mottl)

3. Rostock-Laage am 20. Mai 2015 – ein Airbus A310 MRTT betankt bei der Übung SNAP (Significance of National Air Power) zwei Eurofighter- und zwei Tornado-Maschinen.
(Foto: Oliver Lang/Bundeswehr)


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