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Berlin. Am heutigen Sonntag (26. Dezember) ist der Stephanustag. Katholische und evangelische Christen gedenken der verfolgten und bedrängten Glaubensgeschwister in aller Welt. Der Fachsprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Thomas Rachel, erklärte dazu: „Religionsfreiheit ist ein fundamentales Menschenrecht, das allerdings weltweit unter Druck gerät. Es ist ein Alarmsignal, dass drei von vier Menschen in Ländern leben, in denen die freie Ausübung von Religion eingeschränkt oder gar verboten wird.“ Besonders dramatisch sei die Situation für die Christen in Afghanistan, so Rachel weiter. „Insbesondere seit der Machtübernahme der Taliban.“

Ein Großteil der Christen muslimischer Herkunft müsse mit fatalen Konsequenzen bis hin zur Ermordung rechnen, wenn ihr Glaubenswechsel bekannt werde, so der Dürener CDU-Bundestagsabgeordnete. So hätten in Nigeria Angriffe islamistischer Gruppen auf Christen und ihre Kirchen stark zugenommen. Aber auch das Schicksal von tausenden jesidischen Frauen und Mädchen im Irak, die vom so genannten „Islamischen Staat“ versklavt und vergewaltigt worden seien, sei „ein schmerzhaftes Beispiel“ (siehe dazu unseren Beitrag vom Februar 2016).

Rachel forderte dazu auf: „Wir müssen weiterhin entschlossen für den Schutz und die Sicherheit von Christen und Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften in der Welt eintreten. Lautstark müssen wir das an ihnen begangene Unrecht anklagen und bekämpfen – im Großen wie im Kleinen.“ Aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sei es daher unerlässlich, dass das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit weitergeführt werde.

Der Unionspolitiker schloss seinen Appell mit der Mahnung: „Ohne das zentrale Menschenrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit bleiben auch die anderen Menschenrechte unvollständig. Dieses Bewusstsein muss noch viel stärker als bisher die öffentliche Aufmerksamkeit erregen und das außenpolitische und entwicklungspolitische Engagement Deutschlands in der gesamten Welt bestimmen.“

Christen in Nigeria und Indien ebenfalls extremer Verfolgung ausgesetzt

Auch Open Doors Deutschland e.V., das Hilfswerk für verfolgte Christen, beklagt den drastisch schwindenden Schutz der Religionsfreiheit. In einer Anfang Dezember veröffentlichten Presseerklärung der Organisation heißt es: „Seit Jahren attackieren religiös motivierte Islamisten besonders in Nigeria und in der Sahel-Region Kirchengemeinden und mehrheitlich von Christen bewohnte Dörfer. Berichten von Open Doors zufolge werden allein in Nigeria durchschnittlich zehn Christen täglich wegen ihres Glaubens getötet. Millionen wurden vertrieben, viele davon wohl für immer. In Indien hat eine Flut von Hassbotschaften in den Medien und sozialen Netzwerken die tätlichen Angriffe auf Christen und andere religiöse Minderheiten befeuert; dabei starben mehrere Christen. Wie in Nigeria gehen auch dort die Angreifer zumeist straflos aus.“

Christen seien in beiden Ländern extremer Verfolgung ausgesetzt, warnt Open Doors. In keinem Land gebe es mehr Gewalt gegen Christen als in Nigeria. Jährlich würden hunderte christliche Mädchen und Frauen entführt, vergewaltigt, zwangskonvertiert sowie versklavt oder zwangsverheiratet.

Unverständliche Entscheidung des US-Außenministeriums

In diesem Zusammenhang kritisiert das Hilfswerk heftig die im November getroffene Entscheidung des US-Außenministeriums, einige „besonders besorgniserregenden“ Länder von jener Liste gestrichen zu haben, die die weltweite „systematische, andauernde und besonders schwere Verletzungen der Religionsfreiheit“ dokumentiert.

Nigeria werde nicht einmal auf dieser Länderliste mit dem Status „unter Beobachtung“ aufgeführt, beklagt Open Doors. Das Gleiche gelte für Indien. Auf dem Weltverfolgungsindex von Open Doors belegten diese Länder die Plätze neun und zehn.

Markus Rode, der Leiter von Open Doors Deutschland, äußert sich dazu wie folgt: „Wenn die Bundesregierung wie auch die EU die Ermordung von Christen in Nigeria nicht zum Thema machen und die USA dieses Land nicht als ,besonders besorgniserregend‘ einstufen, dann sind deren Appelle zum Schutz der Menschenrechte kaum mehr als Lippenbekenntnisse. Etwa 340 Millionen Christen sind hoher bis extremer Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. Die Liste der Regierungen, die nicht willens sind, Christen und andere religiöse Gruppen zu schützen, wird beständig länger. Deshalb rufe ich besonders alle Christen in unserem Land auf, sich noch stärker für ihre verfolgten Glaubensgeschwister einzusetzen, durch Gebet und konkrete Hilfe.“

Verzichtet Regierung Scholz auf Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit?

Der Präsident der „Christian Association of Nigeria“ (CAN), Rev. Samson Olasupo Ayokunle, rügte vor Kurzem in seiner Eigenschaft als Sprecher der Kirchen ebenfalls die fatale Einschätzung der US-Regierung: „Christen waren und sind auch heute der Verfolgung durch [die dschihadistische Terrorbewegung] ,Islamic State West Africa Province‘ – ISWAP – und die Splittergruppierung ,Boko Haram‘ ausgesetzt. Das sind die Leute, die öffentlich ihr Ziel formuliert haben, das Christentum aus Nigeria auszurotten und den Islam als einzige Religion vom Norden bis hinunter zum Atlantik im Süden zu etablieren.“ Wenngleich auch Muslime unter der Gewalt der Islamisten litten, seien Christen doch am stärksten von Morden, Zerstörung und Vertreibung betroffen, sagte Ayokunle. Sie stünden nach Meinung der islamischen Fanatiker der Errichtung eines Kalifats von West- bis Ostafrika im Wege.

Die Organisation Open Doors Deutschland bedauert in ihrem Pressestatement abschließend, dass es möglicherweise unter der neuen Bundesregierung keinen Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit geben wird. Bislang hatte der CDU-Abgeordnete Markus Grübel das Amt inne (er war der erste Beauftragte der damaligen Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit und hatte das Amt im März 2018 angetreten).

Auch die EU hat keinen Sonderbeauftragten „für Religions- und Weltanschauungsfreiheit“ mehr. Zuletzt hatte der zypriotische Politiker und frühere EU-Kommissar Christos Stylianides das Amt bekleidet, nach nur vier Monaten jedoch bereits wieder niedergelegt. Vor Stylianides war die Stelle eineinhalb Jahre unbesetzt.

Allerdings hat die EU mit dem Iren Eamon Gilmore einen Sonderbeauftragten für Menschenrechte, dessen Mandat auch den Bereich „Religions- und Weltanschauungsfreiheit“ abdeckt. Gilmore wurde im Unterschied zum Sondergesandten für Religionsfreiheit von den EU-Regierungen benannt. Seine Nominierung erfolgte am 19. Februar 2019 durch die damalige Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini. Am Folgetag wurde diese Ernennung durch den Rat für Auswärtige Angelegenheiten der EU bestätigt.

Redaktioneller NACHBRENNER

Die Fraktionen der Ampel-Koalition haben inzwischen bekräftigt, das Amt des Religionsbeauftragten fortzuführen. „Das Amt soll bleiben“, erklärte der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe am 16. Dezember 2021 bei einer Debatte im Bundestag. Der religionspolitische Beauftragte der SPD, Lars Castellucci, regte an, mit Blick auf die Religionsfreiheit weltweit ein Monitoring aufzusetzen und nicht nur einzelne Länder in den Blick zu nehmen.

Anlass für die Parlamentsdebatte war ein Antrag der Union mit der Forderung, das Amt des Religionsbeauftragten fortzuführen. Es war unter der Großen Koalition 2018 eingeführt und mit dem CDU-Abgeordneten Markus Grübel besetzt worden. Angesiedelt ist das Amt beim Entwicklungsministerium. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hatte bereits am 15. Dezember erklärt, in Kürze einen Vorschlag für einen neuen Beauftragten bekanntzugeben. Im Koalitionsvertrag war das Amt nicht erwähnt worden.

Der CDU-Abgeordnete Michael Brand würdigte den bisherigen Amtsinhaber Grübel. Er habe das Amt „mit großem Engagement und Empathie ausgefüllt“. Brand plädierte für eine dauerhafte Verankerung eines Religionsbeauftragten. Grübel selbst betonte, dass sich weltweit rund 80 Prozent der Menschen einer Religion zurechneten. Er erklärte, „wer Religion geringschätzt, ist schlechterdings weltfremd“.

Nach Angaben eines Sprechers des Entwicklungsministeriums wird Schulze Anfang kommenden Jahres den persönlichen Austausch mit Vertretern aller Religionsgemeinschaften suchen, um über die Rolle der Religionen in der Entwicklungszusammenarbeit zu beraten. Nach Schulzes Verständnis gehöre zur Religionsfreiheit die Freiheit, ein religiöses oder weltanschauliches Bekenntnis zu wählen, aber auch die Freiheit, keiner Religion anzugehören. Die weltweit zunehmende Einschränkung des Grundrechts der Religions- und Weltanschauungsfreiheit sei ein Grund zur Sorge, heißt es in ihrem Ministerium.


Die Symbolaufnahme zeigt ein Schild im nigerianischen Bundesstaat Zamfara mit dem Hinweis auf die Scharia. Das Rechtssystem des Islam war hier am 27. Januar 2000 eingeführt worden. Im westafrikanischen Nigeria ist die Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten Grundlage der Legislative, der Exekutive und der Judikative. Die Wiedereinführung erfolgte zwischen 1999 und 2001 unter Berufung auf die in der nigerianischen Verfassung verankerte Religionsfreiheit und war mit einem Konflikt zwischen verschiedenen militanten Gruppen, Vertretern religiöser Gruppierungen und der Regierung Nigerias verbunden. Nach einer letzten demografischen Schätzung machen Muslime in Nigeria mehr als 50 Prozent der Bevölkerung aus. Sie leben überwiegend im nördlichen Teil des Landes. Die Mehrheit der nigerianischen Muslime sind Sunniten. Christen sind die zweitgrößte religiöse Gruppe (etwa 40 Prozent der Bevölkerung). Seit der Einführung der Scharia in den nördlichen nigerianischen Bundesstaaten sind dort Christen immer mehr zu Bürgern zweiter Klasse geworden.
(Foto: Open Doors Deutschland e.V.)


Kommentare

  1. Bernhard Wanner | 29. Dezember 2021 um 16:43 Uhr

    Am Beispiel Nigerias lässt sich studieren, dass Dschihad primär oft nur zur Maskierung ethnisch begründeter Machtübernahme dient.

    Im Falle Nigerias wird ein Großteil des Petrodollars zielgerichtet genau zu diesem Zweck eingesetzt. Wenn ehemalige Kolonialmächte nicht prinzipiell dagegen sind, sondern dies als kleineres Übel in Kauf nehmen, resultiert daraus auch die aktuelle mediale Verschleierung dieses Sachverhalts.

    Diesbezüglich ist dieser Artikel eine bemerkenswerte Ausnahme. Jedoch ist es empfehlenswert, den Fokus von der religiösen auf die ethnische Ursache zu verschieben. Andernfalls fehlt der Durchblick, der in angrenzenden Regionen (beispielsweise Sahel) vermutlich angestrebt wird.

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