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Strasbourg (Frankreich). Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments verurteilen fraktionsübergreifend die „ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen“ der Dschihadisten des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) an religiösen Minderheiten. Das Parlament verlangt von der Internationalen Gemeinschaft außerdem „dringende Maßnahmen“, um den von der Terrororganisation verübten systematischen Massenmord an „Christen, Jesiden, Turkmenen, Schiiten, Schabak, Sabier, Kakai und Sunniten“ zu beenden. Die Europapolitiker verabschiedeten dazu am Donnerstag (4. Februar) im französischen Strasbourg mit großer Mehrheit eine entsprechende Resolution. Das Dokument setzt den Schlusspunkt hinter die leidenschaftliche Parlamentsdebatte zu dem Thema vom 20. Januar, an der auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini teilgenommen hatte.

Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments bewerten die Menschenrechtsverletzungen durch den IS als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Sinn des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs“. Sie fordern den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen deshalb auf, diese Taten der IS-Dschihadisten zum Genozid, Völkermord, zu erklären.

Die Politiker interpretierten die gezielten Angriffe der Terrorbewegung gegen Andersgläubige oder Moslems, die nicht mit der IS-Auslegung des Islam einverstanden sind, „als Teil ihrer Versuche, alle religiösen Minderheiten in den von ihr beherrschten Gebieten zu vernichten“. Zu den betroffenen Christen zählen die Abgeordneten „chaldäische, syrische, assyrische, melkitische und armenische Christen“ (wir hatten vor Kurzem über die weltweite Verfolgung von Christen berichtet, die alljährlich durch das Hilfswerk Open Doors dokumentiert wird).

Sonderbeauftragter der Europäischen Union für Religionsfragen

Die Entschließung, die dann am 4. Februar per Handzeichen angenommen wurde, fordert die Union auf, das Amt eines ständigen Sonderbeauftragten für Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu schaffen. Darüber will das Dokument alle Länder der Internationalen Gemeinschaft dazu verpflichten, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord auf ihrem Gebiet zu verhindern. Jene, die vorsätzlich Gräueltaten begehen oder planen, dazu Beihilfe leisten oder zu diesem Zweck konspirieren, müssten „wegen Völkerrechtsverletzung – hauptsächlich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord – vor Gericht gebracht und belangt werden“, so der Entschließungstext.

Das Europäische Parlament erinnert die Mitglieder der Vereinten Nationen in ihrer Resolution auch an ihre Pflicht, „jede Art von Unterstützung für den IS und andere terroristische Organisationen, vor allem Lieferung von Waffen und finanzielle Unterstützung unter Einbeziehung des illegalen Erdölhandels, zu verbieten“ und solche Hilfen unter Strafe zu stellen. Die Staaten müssten zudem Maßnahmen gegen die Radikalisierung ergreifen und ihre Bürger daran hindern, auszureisen, um sich dem „Islamischen Staat“ anzuschließen.

Papst verurteilt Verfolgung, Folter und Ermordung von Christen in aller Welt

Die Kommission der Bischofskonferenzen in der Europäischen Union, COMECE (Commission of the Bishops‘ Conferences of the European Community) begrüßte in einer Presseerklärung am 4. Februar die Entschließung des Parlaments als „bedeutenden Schritt nach vorn“. Sie erinnerte dabei an den 9. Juli 2015, den Tag, an dem Papst Franziskus erklärt hatte: „Heute sehen wir mit Grauen, wie im Nahen Osten oder an anderen Orten der Welt viele unserer Brüder und Schwestern um ihres Glaubens an Jesus willen verfolgt, gefoltert und ermordet werden. Und wir müssen es auch anprangern: In diesem dritten Weltkrieg ,in Raten‘, den wir erleben, ist – drastisch gesprochen – eine Art Völkermord im Gange, der aufhören muss.“

Pater Patrick Daly, Generalsekretär der Kommission, wies in Brüssel darauf hin, dass diese EU-Resolution explizit auch die strafrechtliche Verfolgung der Massenmorde an religiösen Minderheiten durch den IS verlange.

Ein klares Signal für den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen

Die Menschenrechtsexpertin Sophia Kuby von ADF International erklärte in der belgischen Hauptstadt nach der Parlamentsabstimmung: „Es war höchste Zeit, dass die Europäische Union auf die gezielten Massenmorde, auf die Vergewaltigungen von christlichen und jesidischen Mädchen und Frauen sowie auf die Zerstörung von Heiligtümern in Syrien und im Irak reagiert.“

Der Vorsitzende des Zentralrats Orientalischer Christen in Deutschland (ZOCD), Mike Malke, sagte über die Entschließung des Europäischen Parlaments vom Donnerstag: „Dies sollte ein klares Signal für den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sein, entsprechend zu handeln.“ Es müsse nun für den Schutz der verfolgten Minderheiten Sorge getragen werden, „um den fortdauernden Exodus zu stoppen und die Menschen in ihrer angestammten Heimat zu halten“.


Unsere Bildauswahl:
1. Das Europäische Parlament debattierte am 20. Januar 2016 in Strasbourg über den Entschließungsantrag „… zu dem vom sogenannten IS verübten systematischen Massenmord an religiösen Minderheiten“. Am 4. Februar 2016 stimmten die Delegierten – ebenfalls in Strasbourg – fraktionsübergreifend und mit großer Mehrheit diesem Antrag zu. Das Bild zeigt das Plenum am 20. Januar.
(Foto: European Parliament/European Union 2016)

2. Der österreichische Europaparlamentarier Josef Weidenholzer von der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (S&D) während der Debatte am 20. Januar 2016.
(Foto: European Parliament/European Union 2016)

3. Federica Mogherini, Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, am 20. Januar 2016 im Parlament in Strasbourg.
(Foto: European Parliament/European Union 2016)

Kleines Beitragsbild: Debatte am 20. Januar 2016 im Europäischen Parlament in Strasbourg – der britische Politiker Charles Tannock von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR).
(Foto: European Parliament/European Union 2016)


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