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Berlin. Seit Beginn der Corona-Pandemie im Februar/März 2020 mussten insgesamt 49 Übungen oder Übungsbeteiligungen der Bundeswehr abgesagt werden. Dies teilte das Verteidigungsministerium am gestrigen Mittwoch (23. September) auf eine schriftliche Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Karsten Klein mit. Durch die Absagen werden voraussichtlich rund 25 Millionen Euro weniger Haushaltsmittel ausgegeben als ursprünglich geplant.

In der Vorbemerkung der ministeriellen Antwort, die dem bundeswehr-journal vorliegt, heißt es: „Übungen werden grundsätzlich längerfristig, im Regelfall etwa eineinhalb bis zwei Jahre im Voraus geplant. Durchführungszeiträume sind dabei nicht nur von Zielvorgaben, sondern auch von der übrigen Auftragslage sowie der Verfügbarkeit aller Beteiligten, oft auch multinationaler Partner, abhängig.“

In den Fällen, in welchen die Corona-Pandemie eine vertretbare Durchführung einer Übung nicht zugelassen habe, sei durch die Bundeswehr geprüft worden, ob das Vorhaben verschoben werden könne, ob Übungsziele teilweise anderweitig hätten erreicht werden können oder ob es einer vollständigen Neuplanung bedurft hätte. Das Ministerium wies an dieser Stelle auch darauf hin, dass eine Verschiebung von Übungen in das Jahr 2021 einer Neuplanung in Bezug auf die erforderlichen Haushaltsmittel gleichkomme.

Übungszweck von „Defender Europe 20“ konnte erfüllt werden

Abgebrochen werden musste unter anderem Mitte März die von den USA geführte Militärübung „Defender Europe 20“. Einem Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung zufolge fiel die Entscheidung zum Abbruch seitens der Amerikaner. Dazu ein Statement des Presse- und Informationszentrums der Streitkräftebasis vom 16. März: „Auf Grund der Ausbreitung des Coronavirus und in besonderer Verantwortung für die Gesundheit der beteiligten Soldaten sowie der Zivilbevölkerung wird die Übung ,Defender Europe 20‘ in Deutschland nicht weitergeführt. Die in Deutschland vorgesehenen Übungsanteile auf den Truppenübungsplätzen Bergen (Niedersachsen) und Grafenwöhr (Bayern) entfallen.“

In der Antwort des Verteidigungsministeriums an den FDP-Bundestagsabgeordneten Klein wird jetzt zudem erläutert: „Die US-Übung ,Defender Europe 20‘ wurde vorzeitig beendet, gleichwohl konnte der Übungszweck erfüllt werden. Die in der Folge abgesagten, im Zusammenhang stehenden Teilübungen und die damit verbundenen Beteiligungen der Bundeswehr werden grundsätzlich nicht nachgeholt. Dennoch hat die Bundeswehr alliierte Kräfte in größerem Umfang mit Maßnahmen des Host Nation Supports bei Hin- und Rückverlegung unterstützt.“

Einsatzbereitschaft der EU-Battlegroup war und ist gewährleistet

Ebenfalls von der Coronavirus-Pandemie betroffen war die Übung „European Challenge 20“. Sie sollte ursprünglich der multinationalen Vorbereitung sowie der Zertifizierung einzelner Elemente der von Deutschland geführten European Battlegroup (EU BG) 2020-2 dienen. Der Verband EU BG 2020-2 hält sich noch bis Ende des Jahres für Einsätze nach kurzer Vorwarnzeit im Auftrag der Europäischen Union bereit. Die EU-Battlegroup besteht aus neun Nationen, Rahmennation ist Deutschland.

Das Ministerium führt weiter aus: „Aufgrund verschiedener Faktoren – gerade hinsichtlich der Multinationalität – war eine Verschiebung dieser Übung innerhalb dieses Jahres nicht möglich. Ein Nachholen der Übung in 2021 ist nicht sinnvoll, da mit dem Ende des Bereitschaftszeitraums auch der Übungszweck nicht mehr gegeben ist. Gleichwohl konnten zwingend erforderliche Übungsziele und die Zertifizierungsauflagen in separaten, angepassten Ausbildungen und Übungen erreicht werden, sodass die Einsatzbereitschaft der EU BG 2020-2 gewährleistet war und ist.“

Vollständige Neubewertung durch betroffene Brigade erforderlich

Ersatzlos gestrichen wurde auch die deutsch-österreichische Übung „Berglöwe 20“. Dazu schreibt das Wehrressort: „Die Ziele der Übung ,Berglöwe 20‘, welche insbesondere dem Üben der binationalen Zusammenarbeit mit österreichischen Streitkräften im Fähigkeitsprofil der Gebirgsjägertruppe im Systemverbund einer Brigade dient, sind im laufenden Haushaltsjahr 2020 nicht mehr zu erreichen. In diesem Fall ist eine vollständige Neubewertung durch die betroffene Brigade erforderlich.“

Durch die Corona-bedingte Absage von insgesamt 49 Übungen unterschiedlichster Größenordnung werden im aktuellen Haushaltsjahr voraussichtlich etwa 25 Millionen Euro weniger Haushaltsmittel (aus Kapitel 1403 Titelgruppe 02 „Truppenübungen“) ausgegeben als geplant. Dabei entfallen durch die Absagen laut Ministerium „nach derzeitigem Kenntnisstand“ Einsparungen von etwa 5,3 Millionen Euro auf „Defender Europe 20“ und die damit zusammenhängenden Teilübungen, rund 4,2 Millionen Euro auf „European Challenge 20“ und alles in allem 256.000 Euro auf „Berglöwe 20“.

Individuelle Hygienekonzepte für neue Übungsvorhaben im Herbst

Auf der Grundlage eines ausgefeilten Hygienekonzepts wollen nun die Bundeswehr und ihre internationalen Partner die für Ausbildung und Einsätze notwendigen Übungsvorhaben wieder aufnehmen (wir berichteten im August).

Sowohl die deutschen als auch die amerikanischen Streitkräfte in Europa wollen im Herbst erneut größere Ausbildungsprojekte starten – die Amerikaner beispielsweise auf den Truppenübungsplätzen in Hohenfels und Grafenwöhr, die Bundeswehr im Gefechtsübungszentrum des Heeres in Letzlingen und im Gefechtssimulationszentrum in Wildflecken.

In einem Onlinebeitrag für bundeswehr.de schreibt Redakteur Alexander Schröder: „Um die Übungen durchführen zu können, hatten die Dienststellen Hygienekonzepte entwickelt, die die Präventionsmaßnahmen mit den Anforderungen der übenden Truppe, den Übungszielen und den Übungsorten in Einklang bringen. Die individuellen Konzepte für die einzelnen Übungsvorhaben setzen auf gezielte Infektionsschutzmaßnahmen. So sollen die Verbreitung des COVID-19-Erregers verhindert und eventuell auftretende Infektionen schnell identifiziert und eingedämmt werden können. Sollte sich das Pandemie-Geschehen regional oder bundesweit negativ entwickeln, werden die Übungsvorhaben angepasst und notfalls auch abgesagt.“


Zu unserer Bildsequenz:
1. Deutsch-österreichische Gefechtsübung „Berglöwe 2018“ – Übungsschwerpunkt waren damals die Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land.
(Foto: Tobias Skinner/Presse- und Informationszentrum Heer)

2. Übung „Defender Europe 20“. Die Aufnahme vom 21. Februar 2020 zeigt das Entladen von amerikanischen Militärfahrzeugen in Bremerhaven. Das Gerät war mit der ARC „Endurance“ aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland gebracht worden.
(Foto: Jason Johnston/U.S. Army)

3. Amerikanische Schützenpanzer M2 Bradley auf dem polnischen Truppenübungsplatz Drawsko Pomorskie am 8. Juni 2020. Die US-Kräfte nahmen in Polen an der Übung „Allied Spirit“ teil, einer Teilübung von „Defender Europe 20“. „Defender Europe 20“ war zu diesem Zeitpunkt bereits wegen Corona gestoppt worden. Die Teilnehmer an „Allied Spirit“ mussten sich einem speziellen Hygienekonzept, zu dem auch eine 14-tägige Quarantäne gehörte, unterziehen.
(Foto: Javan Johnson/U.S. Army)


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