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Berlin/Mosbach. Ein Verein, der durch die Ermittlungen rund um ein denkbares rechtsextremes Netzwerk mit Mitgliedern aus Bundeswehr und Polizei aufgefallen ist, arbeitet möglicherweise am Aufbau eines bewaffneten Kommandos. Das zumindest behauptet die überregionale deutsche Tageszeitung taz. In dem am vergangenen Freitag (21. Dezember) veröffentlichten Beitrag „Hannibals Verein“ präsentiert das Blatt seine „Recherche zu rechtem Netzwerk“, dem unter anderem Soldaten, Polizisten und Behördenvertreter angehören sollen.

Den taz-Recherchen zufolge soll der Verein Uniter auf dem Gelände der ehemaligen Neckartal-Kaserne im badischen Mosbach mindestens eine Übung einer Einheit namens „Defence“ abgehalten haben. Vereinsmitglieder sollen dabei mit Waffen trainiert haben. In einer Vorabmeldung schrieb die taz dazu: „Während eines als Ersthelfer-Training angemeldeten Workshops des Vereins Ende Juni 2018 führte eine Gruppe von Männern in einem entlegenen Teil des Trainingsgeländes separate Kampftrainings durch.“ Die Männer hätten dabei mit Gewehren geübt, die sie auch nach Ende der Ausbildungseinheit mit sich führten.

Der Verein habe auf Anfrage mitgeteilt, so die taz, dass es sich bei dem Defence-Training um ein Selbstverteidigungstraining gehandelt habe, bei dem an Waffen geübt worden sei. Dabei solle es sich jedoch um Attrappen gehandelt haben.

Wie die Zeitung weiter berichtete, soll sich der Betreiber des Trainingsgeländes später in einem Brief an das baden-württembergische Innenministerium gewandt und zugleich Uniter untersagt haben, das Areal künftig weiter zu nutzen.

In Chatgruppen und bei persönlichen Treffen organisiert

Uniter e.V. ist nach Auskunft des Deutschen Patent- und Markenamtes am 17. April 2015 von André Schmitt unter der Marke 302015034967 zum Registereintrag angemeldet worden. Es bedarf keiner großen Fantasie, um die von der taz (und mittlerweile auch von anderen Medien) gewählte Personenbeschreibung „ein Mann namens André S.“ zu entschlüsseln. Aber belassen wir es bei „André S.“ und blicken zurück auf den 16. November. An diesem Freitag hatte die taz unter dem Titel „Hannibals Schattenarmee“ erstmals verstörende Ergebnisse zu beunruhigenden Fragen geliefert. „Gibt es ein rechtes Untergrundnetzwerk in Deutschland, in dem sich Regierungsgegner vernetzen, radikalisieren und gezielt auf bewaffnete Kämpfe vorbereiten?“ Und: „Gibt es ein Netzwerk, das hineinreicht in deutsche Behörden, in Verfassungsschutzämter und bis in die oberen Etagen der Bundeswehr?“ Ein Team des Blattes hatte ein Jahr damit verbracht, dazu belastbare Antworten zu liefern.

So hieß es beispielsweise im November-Beitrag, „S. alias Hannibal“ arbeite daran, „ein Netzwerk aufzubauen, in dem sich Soldaten, Polizisten, Behördenvertreter vernetzen, die befürchten, dass der Staat im Falle einer Katastrophe die öffentliche Ordnung nicht aufrechterhalten kann“. Diese Gleichgesinnten hätten sich in Chatgruppen, die es heute nicht mehr gibt, bei persönlichen Treffen und mithilfe des Vereins Uniter organisiert. In diesen Gruppen hätten auch Rechtsextremisten ihren Platz gefunden – „darunter drei Männer, denen die Bundesanwaltschaft vorwirft, dass sie die Tötung von Politikern, Aktivisten, Menschen aus dem sogenannten linken Spektrum planten“.

Das abschließende taz-Urteil vom 16. November: „S. ist niemand Geringeres als der Kopf eines bundesweiten Netzwerks, das im Zentrum weitreichender Ermittlungen steht. Sein Deckname ist ,Hannibal‘.“

Bundesregierung hat derzeit keine Erkenntnisse über ein Netzwerk

Nach Erscheinen des Beitrags lud zunächst der Verteidigungs- und der Innenausschuss des Deutschen Bundestages Experten der Nachrichtendienste vor (siehe auch hier). Die Bundesanwaltschaft wurde ebenfalls nach dem Netzwerk gefragt. Das Parlamentarische Kontrollgremium, zuständig für die Nachrichtendienste, ließ sich Akten liefern und wollte wissen, warum weder der Militärische Abschirmdienst noch der Verfassungsschutz früher reagiert hätten. Im Plenum des Parlaments wurde Kanzlerin Angela Merkel befragt. Heute stellt die taz fest: „Im politischen Berlin hat die Aufklärung begonnen.“ Hat sie?

Die Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) drückte aufs Tempo und wandte sich direkt an das Verteidigungsministerium. Dort fragte sie an: „Welche eigenen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über ein möglicherweise gewaltbereites konspiratives Netzwerk aus etwa 200 ehemaligen und aktiven Bundeswehrsoldaten innerhalb der Organisation Uniter e.V. mit Verbindungen von aktiven Bundeswehrsoldaten in die sogenannte Prepper-Szene?“

Thomas Silberhorn, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, antwortete am 28. November unter Bezugnahme auf den Fall des wegen Terrorverdachts festgenommenen Heeresoffiziers Franco A. (mehr dazu hier): „Aufgrund von Hinweisen aus dem Ermittlungsverfahren gegen Franco A. hat der Generalbundesanwalt im Jahr 2017 einen Beobachtungsvorgang zu Uniter e.V. angelegt. Anhaltspunkte für Straftaten, welche die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts begründen könnten, haben sich bislang nicht ergeben. Da die Beobachtung noch nicht abgeschlossen ist, können weitere Auskünfte nicht erteilt werden.“ Die Bundesregierung habe zum jetzigen Zeitpunkt keine Erkenntnisse über ein solches Netzwerk, versicherte der Staatssekretär.

Sektenähnliche Organisation mit eigenem Verteidigungskommando?

Die taz stellt in ihrem aktuellen Beitrag „Hannibals Verein“ nun die Frage, ob es „eine Defence-Gruppe innerhalb von Uniter gibt und was sie ausmacht“. Dies sei die zentrale Frage, wenn es um die Rolle und Bedeutung eines möglichen Netzwerks gehe. Denn: „Wozu braucht ein privater Verein, der organisiert ist wie eine Sekte, und dessen Mitglieder Zugang zu Waffen, Kasernen und sicherheitsrelevanten Bereichen haben, ein eigenes Verteidigungskommando? Wenn der Verein eigene Kampftrainings anbietet und eine eigene Kampfeinheit unterhält – ist das dann nicht ein paramilitärischer Arm?“

Wie die Zeitung ebenfalls in Erfahrung bringen konnte, sollen sich mittlerweile „mehrere eingetragene Vorstandsmitglieder von Uniter e.V.“ von dem Verein distanziert haben. Ein stellvertretender Vorsitzender sagte der taz, er sei bereits Anfang 2017 zurück- und aus dem Verein ausgetreten. „Ich durchschaue das nicht mehr, ich will nicht dafür haftbar gemacht werden“, zitiert die Zeitung den Mann, „der anonym bleiben möchte“.

Verein wehrt sich gegen „Falschinformationen und Rechtsverstöße“

In einem am Sonntag (23. Dezember) publik gemachten „Offenen Brief an die taz-Chefredaktion“ beklagt der Vorstand von Uniter eine „tendenziöse Berichterstattung“.

Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das an Chefredakteur Georg Löwisch adressiert ist: „Um unsachlichen Behauptungen und Vermutungen entgegenzutreten und Ihre falschen Darstellungen zu korrigieren, haben wir Ihrer Redaktion dazu innerhalb der jeweils angegebenen Fristen faktisch korrekte Informationen zukommen lassen, die im Wesentlichen keine Berücksichtigung fanden. Wir haben offene Hintergrundgespräche geführt und durch unsere Anwälte im Einzelnen auf die von Ihrer Redaktion im Rahmen der Recherchen und Berichterstattung begangenen Rechtsverstöße hingewiesen. Im jüngsten Artikel vom 21. Dezember 2018 wird deutlich, dass Sie mit Ihrer Berichterstattung zunehmend Falschinformationen aufsitzen und diese verbreiten, die sich bereits mit einem einzigen Telefonat klären ließen.“

Der Uniter-Vorstand appellierte abschließend an die taz-Chefredaktion: „Wenn journalistische Kollegen quer durch alle politischen Lager hindurch in der Lage sind, sich durch faktenbasierte Recherchen eine eigenständige Meinung zu bilden und sich deren Kritik im Wesentlichen darauf beschränkt, dass der Uniter e.V. in der Vergangenheit zu wenig Transparenz gezeigt hat, dann sollte es in einer gemeinsamen Anstrengung gelingen, auch Ihrer Redaktion zu vermitteln, was es mit einem überparteilichen und überkonfessionellen Netzwerk der ,Sicherheit für Leben, Bildung und Entwicklung‘ [Anm.: so das Vereinsmotto] tatsächlich auf sich hat.“


Das Bildmaterial zu unserem Beitrag stammt von Uniter e.V. (uniter.network) und findet sich auf Instagram (https://www.instagram.com/uniter.network/).


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