Linstow/Berlin. Mehr Geld, mehr Personal, mehr Schiffe – der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, brachte vor Kurzem diesen Trend auf die Formel „Marine im Aufbruch!“ Über die aktuelle Entwicklung, die vor etlichen Monaten noch undenkbar schien, sagte er am 12. Januar in Linstow bei der traditionsreichen Historisch-Taktischen Tagung der Teilstreitkraft, kurz HiTaTa: „All diese Entwicklungen reflektieren die neue Stellung, die unsere Marine im Weißbuch des Verteidigungsministeriums einnimmt. Erstmals wird die strategische Bedeutung der Seeverbindungswege und Deutschlands Verantwortung für die Freiheit der Meere klar herausgestellt – eine Forderung der Marine seit vielen Jahren.“ Besonders die politische Entscheidung, der Teilstreitkraft jetzt neue und mehr Schiffe, Boote und Hubschrauber zur Verfügung zu stellen, helfe der Marine, den immer komplexer werdenden Herausforderungen auf Augenhöhe zu begegnen. Die Entwicklung und der Bau von Mehrzweckkampfschiffen 180 (MKS 180) zählt dabei momentan – neben der Beschaffung des Raketenabwehrsystems MEADS – zu den größten deutschen Rüstungsprojekten.
Das Mehrzweckkampfschiff stellt die übernächste Fregattengeneration der deutschen Marine dar. Es soll einmal Ziele in der Luft sowie über und unter Wasser bekämpfen. Bei Landeinsätzen sollen die Schiffe, wenn möglich, Unterstützung leisten. Die Herstellung der ersten vier MKS 180 wird Schätzungen zufolge knapp vier Milliarden Euro kosten, die Auslieferung soll ab 2023 beginnen (siehe hierzu auch unseren früheren Beitrag).
Die Beschaffung der vier Schiffe wurde vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) europaweit ausgeschrieben. Verblieben sind mittlerweile nur noch drei Bieterkonsortien: ThyssenKrupp Marine Systems gemeinsam mit der Fr. Lürssen Werft, das niederländische Unternehmen Damen Shipyards Group in Partnerschaft mit Blohm+Voss sowie German Naval Yards zusammen mit BAE Systems Maritime aus Großbritannien.
Lürssen mischt übrigens in zwei Bieterkonstellationen mit, hat die Gruppe doch (in Gestalt der Lürssen Maritime Beteiligung GmbH & Co. KG) im Oktober vergangenen Jahres die Hamburger Schiffswerft Blohm+Voss GmbH übernommen. Das Bundeskartellamt hat die Übernahme bereits genehmigt.
Im Oktober war auch bekannt geworden, dass sich die Entscheidung, welches Bieterkonsortium letztendlich den Zuschlag erhalten wird, auf Ende 2017 verzögern wird. Damit fällt auch der eigentliche Vertragsabschluss in die neue Legislaturperiode.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters am gestrigen Montag (13. Februar) berichtete, will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen jetzt mehr Mehrzweckkampfschiffe bestellen als zunächst geplant. Über die Beschaffung des fünften und sechsten Schiffes für die deutsche Marine sollte ursprünglich nicht vor dem Jahr 2030 entschieden werden. Reuters zitiert einen Sprecher des Ministeriums mit den Worten, der Bedarf sei da. Deshalb habe von der Leyen beschlossen, alle sechs benötigten MKS 180 jetzt zu ordern. Die Frage der zusätzlichen Kosten blieb unbeantwortet.
Auf die laufende Ausschreibung habe die Entscheidung der Ministerin keine Auswirkungen, erfuhr Reuters in Berlin. Die beiden zusätzlichen Schiffe werden wahrscheinlich als zweites Los beschafft werden.
Blicken wir noch einmal nach Linstow im Landkreis Rostock. Hier befasste sich Marineinspekteur Krause am Sonntag in seiner Rede zum Abschluss der diesjährigen Historisch-Taktischen Tagung noch einmal ausführlich mit der Tatsache, dass „erstmals seit 1990 deutsche Streitkräfte wieder wachsen“. Neben der Trendwende „Personal“ und zahlreicher Einzelmaßnahmen des Verteidigungsministeriums – wie etwa die Soldatenarbeitszeitverordnung – sei es nun besonders die „auftragsgerechte Ausstattung“, die diese positive Gesamtentwicklung befördere.
Zu den aktuellen Rüstungs- und Beschaffungsprojekten seiner Teilstreitkraft sagte Vizeadmiral Krause: „2017 wird die Fregatte ,Baden-Württemberg‘, die erste der Klasse F125, in den Dienst der Flotte gestellt. Sie wird mit ihrer Einsatzausdauer von zwei Jahren im Einsatzgebiet und als erstes konsequent auf das Mehrbesatzungskonzept ausgelegte Schiff Maßstäbe für die Entwicklung der Marine setzen.“
Die ministerielle Entscheidung, in einem zweiten Los fünf weitere Korvetten der Klasse K130 zu bestellen, kommentierte der Inspekteur so: „Diese Schiffe soll die Marine bekommen – wohlgemerkt über die 130 Milliarden Euro der Trendwende ,Finanzen‘ hinaus – weil sie ihren Auftrag erfüllt und an den richtigen Stellen, mit dem richtigen Ton und zur richtigen Zeit auf die Preisschilder hinweist. […] Diese Schiffe werden […] es uns ermöglichen, wieder Reserven zu schaffen und uns auch wieder stärker um den vernachlässigten Raum der Nordflanke zu kümmern. Sie werden uns helfen, die Abwärtsspirale zu durchbrechen. Wir werden diese Schiffe schnell in Fahrt bringen müssen. Deswegen brauchen wir eben auch das zweite Los und nicht noch eine Kleinserie von fünf Schiffen, die dann wieder Anlaufschwierigkeiten und Kinderkrankheiten haben. Ausbildung, Instandsetzung, Logistik und Einsatz sind mit einem zweiten Los ,K130‘ besser und effizienter zu bewältigen.“
Erfreut zeigte sich Krause bei der Tagung in Linstow auch über den erfolgreichen Premierenflug des ersten von 18 neuen Marinehubschraubern NH90 Sea Lion. Der Sea Lion wird ab 2019 nach und nach den Sea King ablösen und diesen ab 2023 ersetzen.
Dazu der Inspekteur: „Damit findet eine viel zu lange und schmerzhafte Entwicklung ihr Ende, in der auch die Marine keine glückliche Rolle gespielt hat. Aber damit es dazu kommt, liegt noch ein Allemannsmanöver vor uns: der Zeitplan an sich ist bereits sehr ambitioniert. Gleichzeitig gilt es aber, den SAR-Betrieb aufrecht und unsere betagten Seekönige in der Luft zu halten. Und ich bin froh, dass die Marine jetzt geschlossen hinter dem ,Sea Lion‘ steht.“
Positiv sei es auch, dass die Marine demnächst zwei zusätzliche Unterseeboote der Klasse 212A erhalten werde und der Fähigkeitserhalt der Maritime Patrol Aircraft (Seefernaufklärer P-3C Orion) bis zum Jahr 2035 sichergestellt sei.
Dann richtete der Vizeadmiral sein Augenmerk auf das Projekt „Mehrzweckkampfschiff der deutschen Marine“. Andreas Krause appellierte an seine rund 550 Zuhörer: „Die MKS 180 sind in der Ausschreibung; und trotz der Verzögerungen bei der Angebotserarbeitung wird weiterhin ein Vertragsschluss noch dieses Jahr angestrebt. Wir müssen alle gemeinsam dafür kämpfen, dass es nicht zu weiteren Verzögerungen kommt und die Schiffe ab Mitte des nächsten Jahrzehnts auch wirklich zulaufen. Der Fähigkeitserhalt der Fregatten F123 ist bis dahin – und ich betone: bis dahin – gesichert.“
Die Historisch-Taktische Tagung der Marine (in diesem Jahr war es die 57. Informations- und Diskussionsveranstaltung dieser Art) bietet als Forum Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit historischen und aktuellen Themen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Vorträge junger Offiziere und die anschließende Aussprache. Das Generalthema lautete diesmal: „Raison d’être und Realität – die Marine im Spannungsfeld zwischen Anspruch und operativem Ansatz“.
Unser Bildmaterial zeigt Systemstudien der zukünftigen MKS 180 der deutschen Marine.
(Grafiken: MTG Marinetechnik)
Ich bin ja nicht vom Fach, aber muss man ein Schiff von der (geplanten) Größe des MKS 180 nicht schon als Kreuzer definieren? Die 124er sind ja von ihren Fähigkeiten her auch eher Zerstörer als Fregatten.
Lieber Herr Klefeldt,
wir haben uns bei den Fachleuten erkundigt. Das Presse- und Informationszentrum im Marinekommando (herzlichen Dank an das Team in Rostock!) hat uns und Ihnen eine Antwort übermittelt:
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Grundsätzlich ist die Einschätzung korrekt, dass Schiffe in der voraussichtlichen Größe und mit den geplanten Fähigkeiten des Mehrzweckkampfschiffes Klasse 180 (MKS 180) traditionell als Kreuzer bezeichnet werden könnten.
Dies wird auch von anderen NATO-Nationen so gehandhabt. Für die Deutsche Marine ist jedoch festgelegt worden, Überwasserkampfeinheiten – die aufgrund ihrer Besatzungsstruktur als Schiff (und nicht als Boot) gelten – unabhängig von ihrer Größe und ihren Fähigkeiten als „Fregatte“ zu bezeichnen.
Eine Entscheidung, ob das MKS 180 einmal auch als „Fregatte“ bezeichnet werden wird, ist jedoch noch nicht getroffen worden.
Moin!
Ich kann Herrn Klefeldt da eigentlich nur eindeutig zustimmen. Ein Kriegsschiff (MKS 180), das die aktuellen Zerstörer (Arleigh-Burke-Klasse) und Kreuzer (Ticonderoga-Klasse) der U.S. Navy in Verdrängung (bis zu 10.000t), Länge (ca. 200m) und Fähigkeiten teils bei weitem übertrifft, kann nicht mehr als Fregatte klassifiziert werden.
Ich würde daher auch eher „Kreuzer“ oder sogar, sollten es wirklich 200m Länge und 10.000t Verdrängung werden, „Schwerer Kreuzer“ sagen. Auch wenn letztere Bezeichnung nicht mehr so wirklich zeitgemäß wäre, sei doch an den letzten deutschen „Schweren Kreuzer“, die „Prinz Eugen“ (200m Länge und etwa 14.000t Verdrängung), erinnert. Da moderne Schiffe nicht mehr so „Nass“ im Wasser liegen, kommt das ziemlich nah an das Projekt MKS 180 heran.
Meiner Meinung nach würde sich unsere Marine (beziehungsweise unser Land) bei einer Klassifizierung der MKS-180-Schiffe als Fregatten international wohl lächerlich machen. Aber das ist natürlich nur meinen Meinung.
In diesem Sinne, Moin Moin!