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Berlin. Die acht Seefernaufklärer P-3C Orion unserer Marine sind mit Sicherheit kein Beispiel für eine gelungene deutsche Rüstungsbeschaffung. Im Gegenteil! Diese Luftfahrzeuge, die man im Jahr 2004 von der Königlich Niederländischen Marine gekauft hat, sind alle bereits mehr als 30 Jahre alt. Bei der Bundeswehr sollen sie noch bis zum Jahr 2035 im Dienst verbleiben. Dies setzt finanzintensive Grundüberholungen und Modernisierungen voraus. Alles in allem hat die Orion-Flotte schon Ende 2014 mehr als eine Milliarde Euro verschlungen. Weitere Investitionen im mehrstelligen Millionenbereich stehen an. Deutliche Worte kamen dazu bereits vom Bundesrechnungshof, der in seinen „Bemerkungen“ – nachzulesen im Teil 1 unseres Beitrages – den „schlechten technischen Zustand“ der Maschinen bei ihrer Übernahme kritisierte. Apropos Bundesrechnungshof: Zum 300-jährigen Jubiläum der externen deutschen Finanzkontrolle erinnerte Bundespräsident Joachim Gauck an die Bedeutung dieser Institutionen für das Gemeinwesen. Er sagte beim Festakt am 18. November 2014 in Bonn: „Es ist uns zu wünschen, dass die ,Bemerkungen‘, wie der Bundesrechnungshof es vornehm nennt, dabei nicht nur als lästiges Störfeuer für die jeweilige Regierung und willkommene Argumentationshilfe für die jeweilige Opposition sein werden, sondern als das, was sie auch sind – Ausdruck der Selbstverpflichtung eines Staates, eines guten Staates, im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu handeln.“

Am 1. Juli dieses Jahres nun bewilligten der Verteidigungsausschuss und danach der Haushaltsausschuss des Bundestages die nächsten Renovierungs- und Modernisierungsschritte für die P-3C Orion der deutschen Marine.

Die Verträge, die danach mit der Industrie geschlossen werden konnten, beinhalten folgende Maßnahmen: Beschaffung und Einrüstung neuer Tragflächen und Leitwerke zur Verlängerung der Nutzungsdauer der Maschinen, Erneuerung der Missionsavionik sowie Mustereinbau zum Erhalt der „Instrumented Flight Rules“-Fähigkeiten der Flugzeuge. Diese drei Beschaffungsvorhaben sollen Medienberichten zufolge weitere rund 572,5 Millionen Euro kosten (siehe auch hier).

„Rewinging“ – Ausstattung der acht Aufklärer mit neuen Tragflächen

Der Auftrag, die acht deutschen Orion im Rahmen eines Mid-Life Upgrade (MLU) unter anderem mit neuen Tragflächen ausstatten, ging an ein Konsortium bestehend aus Airbus Defence and Space (Ottobrunn/Taufkirchen) und Lockheed Martin Overseas Services Corporation, kurz LMOSC (Bethesda, Maryland).

Der mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr geschlossene Achtjahresvertrag umfasst die Produktion von acht MLU-Kits (äußere Tragflächen, zentrales Rumpfmittelteil und Höhenleitwerk). Diese Kits werden von LMOSC vor allem in Marietta im US-Bundesstaat Georgia, aber auch an anderen amerikanischen Standorten hergestellt. Airbus Defence and Space wird für die Integration, Installation und Abnahme der MLU-K15-Kits für die Orion in Manching verantwortlich sein.

„Mit dem Einbau der neuen Tragflächen verlängert sich die Lebensdauer dieser Seefernaufklärer um 15.000 Stunden pro Flugzeug, sodass die Flotte der deutschen Marine auch künftigen Einsatzanforderungen gerecht werden wird“, sagte Mark Jarvis. Er ist Leiter des Programms „P-3“ bei Lockheed Martin. Frank Bodenstein, Leiter „P-3 Orion/Logistic and Engineering Programmes“ bei Airbus Defence and Space wies darauf hin: „Dieser Auftrag zeigt deutlich die künftigen Anforderungen an dieses Waffensystem.“ Die Umrüstung, die alleine mit 292,4 Millionen Euro zu Buche schlage wird, soll 2023 abgeschlossen sein.

Endgültige Entscheidung erst nach Auswertung des Musterbetriebes

Verantwortlich für den Mustereinbau zum Erhalt der „Instrumented Flight Rules“-Fähigkeiten ist Airbus Defence and Space. Das Unternehmen muss sich die Einnahmen aus diesem Regierungsauftrag – 58 Millionen Euro bis 2019 – am Ende mit den Unterauftragnehmern Rockwell Collins (Cedar Rapids, Iowa), Northrop Grumman (West Falls Church, Washington D.C.) und Rohde & Schwarz (München) teilen.

Sollten der Mustereinbau und die anschließende Erprobungsphase positiv verlaufen, ist die Umrüstung der gesamten deutschen Orion-Flotte vorgesehen.

Grundlegende Erneuerung der Orion-Missionsavionik

Das dritte Paket für die acht deutschen Orion kommt komplett aus den USA. Wie die Defense Security Cooperation Agency (DSCA) bereits am 11. April vergangenen Jahres in einer Pressenotiz mitgeteilt hatte, hat die deutsche Regierung amerikanische Unternehmen mit der grundlegenden Erneuerung der Orion-Missionsavionik betraut. Der Auftrag nach dem US-Verfahren „Foreign Military Sales“ (FMS) beinhaltete auch die Anpassung des Orion-Simulators sowie die Installation eines bodengestützten Missionskontrollsystems.

Die Hauptauftragnehmer: Lockheed Martin Mission Systems and Training (Owego, New York sowie Manassas, Virginia), General Dynamics (Bloomington, Minnesota) und Lockheed Martin Aeronautics Company (Marietta, Georgia). Dieser Teil der Lebensdauerverlängerung und Modernisierung der acht deutschen Seefernaufklärer kostet den deutschen Steuerzahler etwa 222,1 Millionen Euro.

„Wer kauft eigentlich warum ein Flugzeug mit defekten Tragflächen?“

Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages, Gesine Lötzsch, äußerte sich gegenüber dem bundeswehr-journal verärgert über das Waffensystem P-3C Orion CUP der deutschen Marine. Die Bundestagsabgeordnete der Linken: „Wir haben die Beschaffung des Seefernaufklärers Orion immer kritisiert. Die Kosten explodieren, die Flugzeuge waren über Jahre fluguntauglich, ständig muss repariert, korrigiert und nachgerüstet werden. Über lange Zeit waren nur drei von acht Maschinen einsatzbereit.“

Der Haushaltsausschuss habe 2004 – damals ohne Beteiligung eines Vertreters der Linken – einvernehmlich für die Beschaffung gestimmt und dafür 366 Millionen Euro vorgesehen, rief die Parlamentarierin in Erinnerung. Spätestens als man bei allen Flugzeugen defekte Tragflächen festgestellt habe, hätte man das Projekt stoppen müssen. Zudem habe der Bundesrechnungshof frühzeitig und wiederholt vor den ausufernden Kosten gewarnt. Lötzsch an die Adresse der Verantwortlichen: „Im vergangenen Jahr haben die Gesamtkosten für die acht Orion-Maschinen die Eine-Milliarde-Euro-Grenze durchbrochen. 2020 werden es fast zwei Milliarden sein. Wie viele dieser Projekte will sich die Bundeswehr noch leisten? Wer kauft eigentlich warum Flugzeuge mit defekten Tragflächen?“

„Umrüstung der Flugzeuge ist in der Tat kein Schnäppchen“

Wesentlich moderater fällt die Kritik des CDU-Parlamentariers Ingo Gädechens aus. Der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Verteidigungsausschuss des Bundestages räumte allerdings gegenüber dem bundeswehr-journal ein: „Die P-3C Orion leisten bei der Marine einen wichtigen Beitrag zur Seefernaufklärung sowie Uboot-Jagd. Die Maschinen wurden 2006 kostengünstig von den Niederländern als Ersatz für die betagten Aufklärer Breguet Atlantic beschafft. Die Umrüstung der Flugzeuge ist in der Tat kein Schnäppchen. Leider sind die Maschinen beim Ankauf von den Niederländern in einem viel schlechteren technischen Zustand gewesen, als zunächst angenommen.“

Eine Grunderneuerung sei nun aber nicht nur deshalb notwendig, sondern auch wegen der bereits zehnjährigen Nutzungsdauer in der Bundeswehr dringend erforderlich. Bei den Maschinen würden daher die Missionsavionik, die Tragflächen und Leitwerke sowie die Ausstattung für den Instrumentenflug erneuert. Diese Umrüstung werde bis 2023 abgeschlossen sein und die Nutzungsdauer der Flugzeuge bis mindestens ins Jahr 2035 verlängern, so der Politiker und ehemalige Berufssoldat.

Gädechens Fazit und Ausblick: „Ich sehe im Augenblick keine Alternative zur Umrüstung, da ein adäquater Ersatz der P-3C Orion durch andere Maschinen oder Drohnen nicht zur Verfügung steht beziehungsweise deutlich teurer wären. Nach mir vorliegenden aktuellen Informationen ist die Umrüstung der P-3C deutlich effizienter als eine Neubeschaffung. Für die Zukunft kann ich mir vorstellen, dass beginnend mit der Einführung der geplanten Drohne MALE 2020 frühestens ab 2025 auch eine Variante zur Seefernaufklärung beschafft werden könnte. Bis dahin wird die Orion diese Aufgabe weiter verrichten müssen.“


Zu unserem Bildangebot „Orion – Teil 2“:
1. Blick in das Cockpit einer P-3C Orion der deutschen Marine; die Aufnahme wurde am 23. Mai 2012 auf dem Flugfeld Dschibuti kurz vor dem Start gemacht.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)

2. Im September 2013 waren bei der europäischen Operation Atalanta am Horn von Afrika Orion-Aufklärer aus Deutschland und Spanien gemeinsam im Einsatz.
(Foto: EU NAVFOR Somalia – Operation Atalanta)

Kleines Beitragsbild: Deutscher Seefernaufklärer P-3C Orion auf dem Flugplatz Dschibuti; das Bild entstand am 5. Juli 2008 im Rahmen des Auslandseinsatzes der Marineflieger am Horn von Afrika.
(Foto: Jan Frederik Holst/PrInfoZ Marine/Bundeswehr)


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