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Berlin/Termez (Usbekistan). Deutschland gibt überraschend seinen seit dem 18. Februar 2002 genutzten Strategischen Lufttransportstützpunkt im usbekischen Termez auf. Einem Pressebericht der Bundeswehr zufolge wird die Truppen- und Logistikdrehscheibe an der Südgrenze zu Afghanistan „in der bisherigen Form“ nicht mehr benötigt. „Dort vorgehaltene Kräfte, militärische Fähigkeiten und Bundeswehrmaterial sollen daher bis zum Jahresende 2015 vollständig zurückverlegt werden“, so die offizielle Ankündigung. Die Grünen begrüßen die Schließung dieses deutschen Auslandsstandortes besonders „vor dem Hintergrund der desolaten Menschenrechtslage“ in der zentralasiatischen Republik. Seit 25 Jahren bestimmt dort der autoritär regierende Islam Karimow als Staatspräsident das Leben der etwa 30,7 Millionen Usbeken. Vor allem Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch werfen dem Regime Karimow anhaltende schwerste Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte vor.

Der Lufttransportstützpunkt Termez war mehr als 13 Jahre lang für den Nachschub der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) in Afghanistan von besonderer Bedeutung. Er diente vor allem der gesicherten Personalrotation des jeweiligen deutschen ISAF-Kontingents und anderer ISAF-Teilnehmerstaaten.

Dazu erfolgte der Personaltransport von und nach Deutschland mit dem Airbus A310, aber auch mit der Transall C-160. Durchschnittlich flogen zu den „ISAF-Zeiten“ pro Jahr etwa 140 Maschinen der Bundeswehr die lange Route. Den deutschen Lufttransport innerhalb Afghanistans übernahmen geschützte Transall oder ebenfalls geschützte Hubschrauber CH-53 GS. In geringerem Umfang war Termez auch Umschlagort für den militärischen Materialtransport (siehe auch hier).

EU-Zentralasienstrategie weist Usbekistan eine wichtige Rolle zu

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat sich erst kürzlich wieder einmal mit Usbekistan befasst. In ihrer Kleinen Anfrage vom 3. September wollen die Oppositionspolitiker mehr zu der sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Kooperation erfahren, die die Bundesregierung trotz der unverändert schlechten Menschenrechtslage in Usbekistan mit der Regierung in Taschkent pflegt.

Schon ein Blick auf die Online-Informationen des Auswärtigen Amtes zeigt den schmalen Grat, den die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik in Bezug auf das islamisch geprägte Nachbarland Afghanistans gehen muss. Das Amt konstatiert: „Usbekistan sieht in Deutschland seinen wichtigsten Partner in der Europäischen Union.“ Und: „Usbekistan kommt im Rahmen der Umsetzung der EU-Zentralasienstrategie eine wichtige Rolle zu.“ Gleichzeitig heißt es aber an anderer Stelle auch: „Usbekistan hat wichtige Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen ratifiziert, darunter den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und das Übereinkommen gegen Folter. Dem stehen aber in der Praxis weiter Menschenrechtsverletzungen gegenüber.“

Zu dem 84 Punkte umfassenden Fragenkatalog der Grünen zur Menschenrechtslage in dem Land zählt auch ein Komplex, der sich explizit mit der Nutzung des Militärflughafens in Termez befasst. Hier taucht einmal mehr die zentrale Frage auf, welche Zahlungen von der Bundesregierung für den Gebrauch des militärischen Teils des Termez-Flughafens bislang geleistet worden sind und noch geleistet werden sollen.

Allerdings hat die jetzt publik gewordene Regierungsentscheidung, diesen Strategischen Lufttransportstützpunkt aufzugeben, auch die Opposition leicht verblüfft. Wir fragten nach bei der sicherheitspolitischen Expertin von Bündnis 90/Die Grünen, Agnieszka Brugger. Die Abgeordnete ist unter anderem Obfrau ihrer Fraktion im Verteidigungsausschuss des Bundestages sowie Mitglied des Unterausschusses „Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung“.

Bundesregierung muss ihre Beweggründe für diese Entscheidung erklären

Frau Brugger – überrascht Sie die geplante Aufgabe von Termez? Ihre Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat ja erst vor wenigen Wochen der Bundesregierung einen umfangreichen Fragenkatalog zu Usbekistan vorgelegt, der auch eine Reihe von Punkten zur Nutzung dieses Strategischen Lufttransportstützpunktes beinhaltet. Wie ist Ihre Einschätzung, warum die Bundesregierung Termez – neben allen geäußerten offiziellen militärpolitischen Erklärungen – nun plötzlich doch aufgibt. Könnten die in der Presse kolportierten Differenzen über die Höhe der Pacht damit zu tun haben?
Agnieszka Brugger: Generell begrüße ich die Schließung von Termez vor dem Hintergrund der desolaten Menschenrechtslage in Usbekistan. Andere Staaten nutzten genau aus diesen Gründen Termez seit geraumer Zeit nicht mehr, nur die Bundesregierung ließ sich nicht von den Menschenrechtsverletzungen abschrecken. Auf meine Anfrage hin signalisierte die Bundesregierung noch im August letzten Jahres ihr Interesse, Termez auch für die Dauer der „Resolute Support“-Mission nutzen zu wollen. Vor ein paar Monaten wurden dann die abermals schwierigen Verhandlungen mit dem autoritären Regime in Usbekistan über den Mietvertrag für Termez bekannt. Die Bundesregierung muss nun erklären, welche genauen Beweggründe sie zu diesem Schritt veranlasst haben: Waren es schwierige Verhandlungen, die horrenden Wünsche der usbekischen Regierung hinsichtlich der Kosten, eine neue Bewertung der sicherheitspolitischen Lage?

Werden jetzt einige „Termez-Fragen“ aus dem Katalog der Grünen an die Bundesregierung neu gestellt werden müssen? Wird es einen „Nachtrag“ oder eine „Ergänzung“ zu dieser Kleinen Anfrage geben?
Brugger: Eine Ergänzung der Kleinen Anfrage ist nicht möglich. Wir werden nun zunächst im Verteidigungsausschuss nachfragen, was die wirklichen Beweggründe für die Schließung von Termez sind und abhängig von den Antworten eine neue Kleine Anfrage auf den Weg bringen.

Noch größere Anstrengungen bei der Unterstützung des Versöhnungsprozesses

Wie verträgt sich Ihrer Meinung nach die Schließung von Termez, das in der Vergangenheit ja auch als „Safe Haven“ (sicherer Hafen) für die Bundeswehrangehörigen in Afghanistan angesehen worden war, mit einer möglichen Verlängerung von „Resolute Support“ und einer zunehmend kritischer werdenden Lage am Hindukusch?
Brugger: Die noch in Mazar-e Sharif stationierten Soldatinnen und Soldaten stützen sich im Bereich Logistik seit August dieses Jahres auf die geschützten Transportflugzeuge C-17 der USA. Daher wird der Stützpunkt in Termez nicht mehr benötigt. Die Abgeordneten von Union und SPD tun nun so, als sei die Verlängerung von „Resolute Support“ die Antwort auf die schrecklichen Ereignisse in Kunduz. Damit macht man es sich zu einfach. Jahrelang hat man vor dem Ende des ISAF-Einsatzes auf eine verschlechterte Sicherheitslage mit immer mehr Militär reagiert, doch die Situation verbesserte sich nicht. Eine Verlängerung des Einsatzes wird die Sicherheitslage nicht wirklich verändern. Zentral ist dabei auch die Frage, wie die afghanischen Sicherheitskräfte trotz jahrelanger Ausbildung solche gravierenden Fehler bei der Einnahme und dann im Kampf um Kunduz begehen konnten. Gleichzeitig ist klar, dass wir die Menschen in Afghanistan nicht allein lassen dürfen. Dazu gehört die Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte über die nächsten Jahre. Es braucht jedoch auch endlich viel größere Anstrengungen der Internationalen Gemeinschaft bei der Unterstützung des Versöhnungsprozesses und zivilen Wiederaufbaus, die gerade zu Beginn des Einsatzes in Afghanistan sträflich vernachlässigt wurden. Das rächt sich heute bitter.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Blick auf den Strategischen Lufttransportstützpunkt der Bundeswehr im usbekischen Termez. Die Aufnahme stammt vom Oktober 2004.
(Foto: Sandra Elbern/Bundeswehr)

2. Die Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger, Bündnis 90/Die Grünen.
(Foto: Stefan Kaminski)

Kleines Beitragsbild: Schild im Eingangsbereich des Bundeswehr-Camps Termez.
(Foto: amk)


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