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Berlin/Termez (Usbekistan). Das kam unerwartet: Deutschland gibt offenbar seinen seit dem 18. Februar 2002 genutzten Strategischen Lufttransportstützpunkt im usbekischen Termez auf. Laut einer Meldung der Bundeswehr wird die Logistik- und Truppendrehscheibe an der Südgrenze zu Afghanistan „in der bisherigen Form nicht mehr benötigt“. „Dort vorgehaltene Kräfte, militärische Fähigkeiten und Bundeswehrmaterial sollen daher bis zum Jahresende 2015 vollständig zurückverlegt werden“, heißt es in dem offiziellen Text. Am 7. Oktober seien die ersten 21 von bis zu 41 geplanten Bundeswehrangehörigen auf der kleinen Airbase eingetroffen, um die Rückverlegung bis Ende Dezember zu realisieren. Am gestrigen Sonntag (18. Oktober) hätten weitere 16 „Rückverlegungskräfte“ ihren Flug nach Termez angetreten. „Ihre Aufgaben liegen im Bereich Logistik, Sanität, Verwertung und Infrastruktur“, erklärte die Bundeswehr. Der Lufttransportstützpunkt Termez war mehr als 13 Jahre lang für den Nachschub der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) in Afghanistan von besonderer Bedeutung. Deutsche Soldaten, die auf dem Weg in den Einsatz am Hindukusch waren, machten in Termez Zwischenstopp und stiegen in die geschützten Transall-Maschinen um. Usbekistans Führung steht in der Kritik wegen anhaltender schwerster Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte.

Am 3. April dieses Jahres hatte der österreichische Standard in seiner Onlineausgabe unter Berufung auf das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet, die deutsche Bundesregierung stehe „vor heiklen Verhandlungen mit dem Regime des autoritären usbekischen Staatschefs Islam Karimow“. Eine deutsche Regierungsdelegation wolle „in den kommenden Wochen“ in der usbekischen Hauptstadt Taschkent einen neuen Mietvertrag für die Nutzung des Militärflughafens in Termez abschließen.

Die Bundesregierung selber hatte noch am 27. Juli zu Fragen der Linken-Fraktion Stellung genommen, die die Lage in Usbekistan betrafen. Die Linken wollten dabei unter anderem wissen, wie lange denn die Bundesregierung noch plane, Termez zu unterhalten. Die Antwort ließ keinesfalls auf eine baldige Aufgabe des Stützpunktes schließen. Vielmehr hieß es: „Die Entscheidung über die Dauer der Nutzung des Strategischen Lufttransportstützpunkts Termez über das Jahr 2015 hinaus erfolgt nach Festlegung beziehungsweise konkreter Ausgestaltung der weiteren Planungen der NATO zur Mission ,Resolute Support‘.“

Opposition erkundigt sich nach Umfang und Höhe der Nutzungskosten

Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen befasste sich erst kürzlich wieder einmal mit Usbekistan. In ihrer Kleinen Anfrage vom 3. September wollte die Opposition mehr zu der sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Kooperation erfahren, die die Bundesregierung trotz der unverändert schlechten Menschenrechtslage in Usbekistan mit dem zentralasiatischen Land pflegt. Zu dem 84 Punkte umfassenden Katalog zählt auch ein Komplex, der sich explizit mit der Nutzung des Militärflughafens in Termez befasst.

Hier taucht einmal mehr die zentrale Frage auf, welche Zahlungen von der Bundesregierung für den Gebrauch des militärischen Teils des Termez-Flughafens bislang geleistet worden sind und noch geleistet werden sollen. Wie bereits die Antwort der Bundesregierung vom 15. Juni dieses Jahres auf eine ähnliche, schriftliche Frage des Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour zeigt, ist Transparenz im Umgang mit den Nutzungskosten für den Lufttransportstützpunkt Termez unerwünscht.

Nouripour wollte in Erfahrung bringen: „Wie hoch waren seit Beginn der Nutzung durch die Bundeswehr im Jahr 2002 die jährlichen Kosten für Miete beziehungsweise Pachten für den Lufttransportstützpunkt Termez (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und welche jährlichen Kosten sind geplant?“

Usbekische Regierung besteht auf vertraulicher Behandlung der Vertragsdetails

Die Auskunft, erteilt durch den Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Markus Grübel, kann die Öffentlichkeit – sprich den Steuerzahler – wahrlich nicht befriedigen. Man erfährt, dass „die Entgelthöhe […] auf eindringlichen Wunsch der usbekischen Seite mit Zeichnung von Änderungsprotokollen modifiziert“ worden sei. Für das Regierungsabkommen habe die usbekische Seite auf vertrauliche Behandlung bestanden.

„Eine offene Übermittlung würde daher den Bruch dieser Vertraulichkeit darstellen und somit das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der vereinbarten fortdauernden Nutzung des Lufttransportstützpunktes Termez und die Gewährung von Transitrechten gefährden“, führt die Bundesregierung sibyllinisch aus.

Die Volksvertreter lässt Staatssekretär Grübel in der Antwort außerdem wissen: „In Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den möglichen negativen Folgen einer Offenlegung der erfragten Information wurde ein als ,Verschlusssache – Vertraulich‘ eingestufter Sachstand zum Inhalt des Abkommens in der Geheimschutzstelle des Bundestages zur vertraulichen Kenntnisnahme hinterlegt. In Ergänzung zu diesem Sachstandsvermerk wird eine tabellarische Übersicht über das für die Jahre von 2010 bis 2015 vereinbarte Nutzungsentgelt erstellt und ebenfalls bei der Geheimschutzstelle […] zur Einsichtnahme hinterlegt werden.“

Deutsch-usbekisches Regierungsabkommen vom April 2010

Immerhin geht aus der Regierungsantwort eindeutig hervor, dass die Zahlung eines jährlichen Nutzungsentgelts für das Recht auf Transit und die Nutzung des Verkehrsumschlagsknotens am Flughafen Termez „erstmals mit Abschluss des deutsch-usbekischen Regierungsabkommens vom 13. April 2010“ vereinbart worden war. Erinnern wir uns: Die Bundeswehr hat ihren Strategischen Lufttransportstützpunkt nahe der Grenze zu Afghanistan im Februar 2002 in Betrieb genommen.

Zu einer möglichen weiteren Nutzung führte auch Grübel im Juni noch einmal aus: „Eine Entgeltzahlung über 2015 hinaus hängt von der weiteren Nutzung von Termez als Lufttransportstützpunkt im Jahr 2016 ab. Die Entscheidung hierüber wird nach Festlegung beziehungsweise konkreter Ausgestaltung der weiteren Planungen der NATO zu ,Resolute Support‘ getroffen.“

Bundeswehr nutzt seit dem Sommer auch die C-17 Globemaster der Amerikaner

Kehren wir noch einmal zurück zum Onlinebeitrag der Bundeswehr vom 14. Oktober, in dem der Verzicht auf eine weitere Nutzung des Termez-Stützpunktes für die Zeit nach 2015 bekannt gegeben wird. Momentan, so der Text, werde der Flughafen Termez noch als „nationale Rückfallposition“ für eine mögliche Wiederaufnahme des geschützten Lufttransports vorgehalten. Dazu werde mit durchgängig rund 25 Soldaten „im sogenannten Stillstandbetrieb“ die Wiederaufwuchsfähigkeit des Flugplatzes Termez zum Strategischen Lufttransportstützpunkt innerhalb kurzer Zeit gehalten.

Zur Schließung des Lufttransportstützpunktes liefert die Bundeswehr abschließend folgende Begründung: „Die strategische Verlegung des Deutschen Einsatzkontingents ,Resolute Support‘ und der multinationalen Partner der Bundeswehr im Norden Afghanistans findet seit August 2015 zuverlässig unter Abstützung auf US-Transportflugzeuge vom Typ C-17 im Routineverfahren statt. Eine Fortsetzung des derzeitigen Stillstandbetriebs in Termez ist deshalb in der bisherigen Form nicht mehr erforderlich.“

Auch Hauptmann Dominik Wullers vom Potsdamer Einsatzführungskommando hatte in den vergangenen Wochen bereits mehrfach mit dem Thema „Termez“ zu tun. Der Sprecher für die Einsätze der Bundeswehr in Afghanistan erläuterte etlichen Vertretern nationaler und auch internationaler Medien, dass der Stützpunkt seit Ende des ISAF-Kampfeinsatzes lediglich noch als „Back-up“ genutzt werde und nicht mehr „aktiv“ sei.

Neithart Höfer-Wissing, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Usbekistan, war von der Presse ebenfalls schon des Öfteren auf die Zukunft des Bundeswehr-Stützpunktes Termez angesprochen worden. Sein Statement findet sich in etlichen Blättern der Region. Der Diplomat: „Allen Beteiligten war von Anfang an klar, dass unsere Nutzung von Termez nicht länger dauern würde als die Bundeswehr-Präsenz in Afghanistan selbst.“ Wegen der aktuellen Entwicklung – US-Präsident Barack Obamas Ankündigung vom 15. Oktober einer längeren Truppenstationierung in Afghanistan und der Zustimmung der Bundesregierung zu dieser Entscheidung – darf diese Äußerung jetzt allerdings doch kritisch gesehen werden.

Anhaltende Verfolgung jeder politischen Opposition in Usbekistan

In ihrer September-Anfrage zu Usbekistan benennen die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen namhafte Organisationen und Institutionen, die ein erschreckendes Bild der Menschenrechtslage in diesem zentralasiatischen Land zeichnen.

So soll nach Angaben von Amnesty International (AI) Folter in Usbekistan weit verbreitet sein. Sie werde routinemäßig eingesetzt, um Männer und Frauen zum Unterzeichnen falscher Geständnisse zu zwingen. Richter verurteilten Angeklagte regelmäßig auf Grundlage solcher erpressten „Geständnisse“ zu langen Haftstrafen, berichtet AI.

Nach Informationen von Freedom House gehört Usbekistan zu den zehn Ländern mit den gravierendsten Verletzungen von Menschen- und Bürgerrechten. Reporter ohne Grenzen stuft Usbekistan unter den 15 Ländern mit der geringsten Pressefreiheit weltweit ein. Human Rights Watch verweist auf die anhaltende Verfolgung jeder politischen Opposition, die Verfolgung religiöser Minderheiten, den Einsatz von Kinderarbeit und die Beschneidung der Medienfreiheit in Usbekistan.

Menschenrechtsorganisationen werfen der Bundesregierung bereits seit Jahren vor, sicherheitspolitische, geopolitische und wirtschaftliche Interessen den Vorrang vor dem Menschenrechtsschutz in Usbekistan einzuräumen. Das Thema hat sogar unter der Fragestellung „Termez versus Menschenrechte?“ Eingang gefunden in den Band „Usbekistan“ aus der Reihe „Wegweiser zur Geschichte“ des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (Anm.: heute Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, ZMS). Die Reihe thematisiert die Einsatzgebiete der Bundeswehr und dient den Soldaten auch zur Vorbereitung auf ihre jeweilige Auslandsmission.

Die Journalistin Claudia von Salzen zitiert in ihrem am 5. Januar dieses Jahres im Tagesspiegel erschienenen Beitrag „Neuer Geheimvertrag mit Usbekistan“ einen Sprecher des Verteidigungsministeriums, der beschwichtigte: „Die problematische Menschenrechtslage [in Usbekistan] wird regelmäßig von Deutschland bilateral, im EU-Rahmen sowie in Foren internationaler Organisationen thematisiert“. Wie schön, wie hilfreich …

Hat Staatspräsident Islam Karimow diesmal zu hoch gepokert?

Trotz aller Heimlichtuerei um die Nutzungsentgelte für den Strategischen Lufttransportstützpunkt Termez kursieren Zahlen. Der Tagesspiegel spricht in dem bereits erwähnten Beitrag von rund 16 Millionen Euro, die die Bundesregierung bislang an den usbekischen Machthaber Karimow jährlich gezahlt habe. Der Sender Radio Free Europe/Radio Liberty spekulierte vor wenigen Tagen über „11,5 bis 17 Millionen US-Dollar“, die Usbekistans Führung von Berlin früher jährlich für die Nutzung der Termez-Airbase bekommen haben soll.

2014 jedoch habe das usbekische Regime plötzlich die Nutzungsgebühr für den Lufttransportstützpunkt drastisch erhöht, meldete nun am 15. Oktober das in New York ansässige Nachrichtenportal EurasiaNet. Autor Joshua Kucera: „Für das vergangene Jahr hatte Usbekistan die Miete auf 35 Millionen Euro angehoben – mehr als eine Verdoppelung der früheren Gebühr. Zuletzt versuchte die usbekische Regierung sogar, [von Deutschland] etwa 72,5 Millionen Euro zu bekommen.“

Der Spiegel hatte bereits am 3. April über die Gier des usbekischen Staatschefs berichtet und erstmals diese Größenordnungen genannt. Die Meldung des Nachrichtenmagazins endete mit dem Satz: „Im Verteidigungsressort geht man davon aus, dass die deutschen Devisen in die Privatschatulle von Präsident Karimow fließen.“

Hinweis: Nach Veröffentlichung dieses Beitrages hatten wir Gelegenheit, die Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger nach ihrer Meinung zur überraschenden Schließung des Strategischen Lufttransportstützpunktes Termez zu fragen (siehe hier). Die Politikerin, Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen für Sicherheitspolitik und Abrüstung, hatte sich an der Kleinen Anfrage ihrer Fraktion zum Themenkomplex „Menschenrechtslage in Usbekistan und Nutzung des Militärflughafens im usbekischen Termez durch die Bundeswehr“ beteiligt. Die Anfrage an die Bundesregierung wurde am 3. September gestellt.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Wartung einer Transall auf der Airbase Termez. Einmontiert in das Bild ist ein Patch des Einsatzgeschwaders Termez, das bis August 2008 bestanden hatte.
(Foto: Luftwaffe)

2. Unsere Karte zeigt die Lage von Termez in Usbekistan und Mazar-e Sharif im Nachbarland Afghanistan. Die Aufnahme neben der Grafik entstand am 12. Dezember 2004 bei einem Flug von deutschen Transporthubschraubern CH-53 über Wüstengebiet von Termez nach Mazar.
(Foto: Sandra Herholt, Infografik © mediakompakt 10.15)

Kleines Beitragsbild: Schild im Eingangsbereich des Bundeswehr-Camps Termez.
(Foto: amk)


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