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Berlin/Lviv (Ukraine). Es waren knapp 15 offizielle Zeilen, die jetzt von vielen Medien aufgegriffen werden. Auf eine Anfrage der Linken zum Themenkomplex „Ukraine“ hatte die Bundesregierung am 29. Juni mitgeteilt, dass sich die Bundeswehr in diesem Sommer in der Ukraine „mit Einzelpersonal“ an den beiden multinationalen Übungen „Rapid Trident“ und „Sea Breeze“ beteiligen wird. In der Bundestagsdrucksache (18/5346) heißt es außerdem: „Neben der Teilnahme an 16 Übungen im Rahmen der Rückversicherungsmaßnahmen im Baltikum und in Polen innerhalb des Jahres 2015 entsendet Deutschland ein Kompanieäquivalent nach Litauen, Lettland und Polen für jeweils drei Monate. Die Entsendung erfolgt in enger Kooperation mit den gastgebenden Nationen mit dem Ziel, an deren nationalen Trainings- und Übungsaktivitäten teilzunehmen.“

An „Rapid Trident“ hatten deutsche Soldaten bereits im vergangenen Jahr – ungeachtet des Konflikts im Osten der Ukraine – teilgenommen (wir berichteten hier und hier). An der Marineübung „Sea Breeze“ im Schwarzen Meer hatten sich Kräfte der Bundeswehr letztmalig im Jahr 2013 beteiligt.

Bei „Rapid Trident“ und „Sea Breeze“ handelt es sich jeweils um Übungsserien im Geiste der NATO-Initiative „Partnerschaft für den Frieden“ (Partnership for Peace, PfP), die die Ukraine regelmäßig in enger Zusammenarbeit mit den USA und unter Einbindung weiterer Länder durchführt. Beide Übungen hatten schon im vergangenen Jahr für erhebliche Spannungen mit Russland geführt. Nach Auskunft der Bundesregierung erstreckt sich der Übungszeitraum von „Rapid Trident 2015“ vom 20. bis zum 31. Juli, der von „Sea Breeze 2015“ vom 31. August bis zum 12. September (Übungsregion Odessa, Mykolajiw, Cherson).

Fraktion der Linken hält einen neuen Kalten Krieg für denkbar

Beide Übungen haben inzwischen einen gewissen Traditionsstatus erlangt. Das erste Marinemanöver „Sea Breeze“ mit ukrainischer Beteiligung fand 1997 statt. Das Landpendant „Rapid Trident“ wird seit 2002 alljährlich im International Peace Keeping and Security Center – kurz IPSC – im ukrainischen Yavoriv nahe Lviv durchgeführt, als Nachfolger der „Peace Shield“-Übungen. Russland hat in der Vergangenheit beide militärischen Veranstaltungen stets mit großem Argwohn und protestierend verfolgt.

Auch in diesem Jahr werden „Sea Breeze“ und „Rapid Trident“ das Verhältnis zu Moskau wieder zusätzlich trüben. Dies befürchtet beispielsweise die Linke. „Die beiden Manöver in der Ukraine sind Teil einer Eskalationspolitik der NATO, die ich für brandgefährlich halte“, äußerte sich dieser Tage besorgt die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel. Sie hatte die Anfrage der Linken-Fraktion vom 5. Mai mitinitiiert und warnt nun: Die beiden Übungen „sind nicht vertrauensbildend gegenüber Russland und schwächen damit die Durchsetzung der Minsker Abkommen für eine friedliche Lösung in der Ukraine.“

Vor wenigen Tagen erst hatte Alexander Neu, Obmann der Fraktion Die Linke im Verteidigungsausschuss, in einer Kolumne grundsätzlich seine Sorgen artikuliert: „Seit über einem Jahr nimmt die Öffentlichkeit die wachsenden Spannungen zwischen dem ,Westen‘ und Russland mit Besorgnis wahr. Sowohl rhetorisch als auch militärisch wird mit den Säbeln gerasselt. Begriffe wie ,Eiszeit‘ oder ,Kalter Krieg‘ dominieren wieder den politischen und medialen Sprachgebrauch.“ Russland sehe sich durch die NATO- und EU-Osterweiterung politisch und militärisch bedrängt und verhalte sich dementsprechend, meint Neu. Der Westen wiederum sehe sich im russischen Verhalten bestätigt, demnach Russland – besonders vor dem Hintergrund der Krim-Annexion – kein vertrauenswürdiger Partner sei.

Der Bundestagsabgeordnete der Linken schreibt weiter: „Begleitet werden die gegenseitigen Vorwürfe von Manövern, Truppenverlegungen und Aufrüstungen beiderseits der russischen Grenze. Jüngst verkündete die russische Regierung, sie wolle bis Jahresende 40 neue strategische Atomraketen stationieren. Die USA beabsichtigen ihrerseits, wieder nuklear bestückte Marschflugkörper in Europa zu stationieren. Das ist der Stoff, aus dem Rüstungswettläufe und vielleicht noch Schlimmeres entstehen.“

„Keine Reaktion auf irgendwelche tatsächlichen Weltereignisse“

Ein Sprecher der US-Streitkräfte in Europa wies inzwischen mit Nachdruck darauf hin, dass es keinerlei Zusammenhang zwischen „Rapid Trident“ und der aktuellen Krise in der Ukraine gebe: „Diese jährliche Routineübung steht nicht in Verbindung und ist auch keine Reaktion auf irgendwelche tatsächlichen Weltereignisse.” Ein deckungsgleiches Statement dürfte sicherlich auch schon für die diesjährige „Sea Breeze“ vor der ukrainischen Schwarzmeerküste abgegeben worden sein.

Zu „Rapid Trident 2015“ werden übrigens im IPSC in Yavoriv rund 1800 Soldaten aus 18 Ländern erwartet, deutlich mehr als im vergangenen Jahr (1200). Die Bundeswehr will sich letzten Informationen zufolge hier mit fünf Soldaten beteiligen.

Deutschland seit April mit Soldaten in Kompaniestärke in der Region präsent

Die Bundesregierung erläuterte in ihrer Antwort auf den Fragenkatalog der Linken auch noch einmal die Gründe, die zu der erhöhten militärischen Präsenz der USA und von NATO-Mitgliedstaaten in Osteuropa geführt haben. Wir zitieren aus der Bundestagsdrucksache: „Die verstärkte Präsenz der NATO im östlichen Bündnisgebiet im Zuge der Umsetzung des ,Readiness Action Plans‘ erfolgt in Reaktion auf das veränderte Sicherheitsumfeld in Europa und dient der Rückversicherung der Alliierten. Gleichzeitig haben einige NATO-Mitgliedstaaten ihre militärische Präsenz bilateral erhöht, beispielsweise die USA. Auch Deutschland ist seit dem 16. April 2015 mit Soldaten in Kompaniestärke, die gemeinsame Übungen mit den Gastländern durchführen, in der Region präsent. Darüber hinaus beteiligt sich Deutschland an weiteren Übungen in der Region.“

Die Regierung erinnerte zugleich auch daran, dass sie sich weiterhin für einen Dialog mit Russland einsetze und die Kommunikationskanäle offenhalte. Auf Initiative von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier beim NATO-Außenministertreffen im Dezember vergangenen Jahres sei beispielsweise ein Krisenkontaktmechanismus zwischen der NATO und Russland vorgeschlagen worden, um unkontrollierte Eskalationsdynamiken zu vermeiden. Dieser Mechanismus sei inzwischen etabliert.

Insgesamt fünf internationale Übungen auf ukrainischem Territorium

Der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko hatte zu Jahresbeginn dem Parlament einen Antrag vorgelegt, in diesem Jahr insgesamt fünf Militärübungen mit ausländischer Beteiligung auf ukrainischem Territorium abhalten zu dürfen. Das Parlament in Kiew muss generell zustimmen, wenn sich ausländisches Militärpersonal vorübergehend im Land aufhalten soll.

Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur interfax-Ukraine vom 14. März handelt es sich hierbei um drei ukrainisch-amerikanisch geführte Stabsrahmenübungen und um zwei ukrainisch-polnische Übungen: „Fearless Guardian“, „Sea Breeze“, „Saber Guardian“/„Rapid Trident“ sowie „Secure Skies“ und „Law and Order“ (die beiden letztgenannten Übungen werden ukrainisch-polnisch durchgeführt). Das Parlament, der Oberste Rat, hatte später dem Poroschenko-Antrag übrigens mit 305 von 450 möglichen Stimmen zugestimmt.

Die Bundeswehr ist in diesem Jahr mit rund 4400 Soldaten an insgesamt 16 Übungen unter NATO-Flagge in Polen und im Baltikum vertreten. Im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union finden allerdings keine Übungen im Baltikum, in der Ukraine oder in der Kaukasusregion mit deutscher Beteiligung statt.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Symbolbild zur multinationalen Stabsrahmenübung „Rapid Trident 2015“.
(Foto: Joshua Leonard/U.S. Army)

2. US-geführte Großübung „Saber Strike 2015“ mit insgesamt 6000 Teilnehmern aus 13 Nationen im Baltikum und in Polen. Das Bild entstand bei einer der Eröffnungszeremonien am 8. Juni und zeigt angetretene deutsche Fallschirmjäger (wahrscheinlich Fallschirmjägerregiment 31, Seedorf).
(Foto: U.S. Army)

3. Scharfschütze vom Jägerbataillon 292 (Donaueschingen) bei „Saber Strike“ im litauischen Rukla.
(Foto: Jarred Woods/16th Mobile Public Affairs Detachment/U.S. Army)

4. Besuch des ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko am 20. April dieses Jahres zum Auftakt der ukrainisch-amerikanischen Übung „Fearless Guardian“. Rechts neben Poroschenko der US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey R. Pyatt.
(Foto: Alex Skripnichuk)

Kleines Beitragsbild: Soldaten der 3. Kompanie des Jägerbataillons 292 bei „Saber Strike“ in Rukla, Litauen.
(Foto: Jarred Woods/16th Mobile Public Affairs Detachment/U.S. Army)


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