Bonn/Osnabrück/Hamburg. Der Reservistenverband fordert die Aufstockung der aktiven militärischen Reserve in Deutschland auf mehr als eine halbe Million Mann. Im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) sagte jetzt Verbandschef Patrick Sensburg: „Wir brauchen eindeutig mehr Reservisten.“ Erforderlich sei, dass Deutschland etwa dreimal so viele einsatzfähige Reservisten habe wie aktuelle Soldaten, so Sensburg. Bei der derzeitigen Größe der Bundeswehr (mehr als 181.000 Männer und Frauen in Uniform) liefe das auf etwa 540.000 Reservisten hinaus.
Laut Sensburg gebe es demgegenüber derzeit nur gut 40.000 Reservisten, die jährlich an Übungen teilnehmen, um die persönliche Wehrtauglichkeit zu erhalten. Weitere rund 810.000 registrierte Reservisten seien zwar im Alter von unter 65 Jahren, diese Gruppe nehme aber seit der Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht im Jahr 2011 nicht oder kaum mehr an Übungen teil, sagte der Präsident des Verbandes der NOZ.
Sensburg betonte, dass Reservisten sowohl für die Sicherung des „rückwärtigen Raumes“ als auch für den militärischen Einsatz in späteren Phasen eines Verteidigungskrieges essenziell seien. Er erklärte gegenüber der Zeitung: „Landesverteidigung stützt sich maßgeblich auf Reserven […] Kriege werden mit der aktiven Truppe begonnen und mit der Reserve beendet.“
Im Februar 2023 hatte sich Sensburg – ebenfalls im Gespräch mit der NOZ – bereits klar für eine zwangsläufige Rückkehr zur Wehrpflicht ausgesprochen. Er hatte argumentiert, die ureigenste Aufgabe der Bundeswehr sei die Landesverteidigung. Dies erfordere anderes Material und viel mehr Personal, Letzteres erreichbar nur durch eine Wehrpflicht.
Fast zeitgleich hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius eine Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht in Deutschland angeregt. Der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, hatte parallel dazu eine Wiedereinführung der Wehrpflicht nach altem Muster abgelehnt, sich jedoch offen für einen Pflichtdienst neuer Prägung gezeigt. „Massenstreitkräfte mit einer Wehrpflicht für einen ganzen Jahrgang, das bekommen wir in unserer Struktur und mit unserem Etat nicht mehr hin“, so Zorn dazu.
Zorns Nachfolger Carsten Breuer, seit dem 17. März 2023 der 17. Generalinspekteur der Bundeswehr, zeigt ebenfalls Sympathie für die Etablierung einer allgemeinen Dienstpflicht. Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte Breuer, er halte die Diskussion darüber für „absolut richtig“ – Krankenhäuser, Sozialeinrichtungen, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und die Bundeswehr könnten Orte sein, an denen ein solcher Dienst geleistet werden könne.
Am heutigen Dienstag (4. Juni) veröffentlichte Ipsos, eines der größten Markt- und Meinungsforschungsunternehmen der Welt mit etwa 20.000 Mitarbeitern und Präsenz in 90 Ländern, eine Umfrage zu einer möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht sowie zu Überlegungen hinsichtlich eines verpflichtenden Gesellschaftsdienstes im zivilen/militärischen Bereich.
Die Einführung eines solchen Pflichtdienstes befürworten der Ipsos-Studie zufolge knapp drei Viertel (73 Prozent) der Deutschen. Männer (77 Prozent) sprechen sich häufiger dafür aus als Frauen (69 Prozent), bei den jüngeren Befragten im Alter von 18 bis 25 Jahren ist der Anteil der Befürworter mit 66 Prozent am geringsten.
Die große Mehrheit der Befürworter (79 Prozent) ist dafür, dass dieser Dienst geschlechtsunabhängig verpflichtend sein sollte. Etwa die Hälfte der Befragten (49 Prozent) versteht die Pflicht nur für junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren, knapp jeder Dritte (30 Prozent) sieht alle Erwachsenen ab 18 Jahren in der Pflicht.
An der Spitze der von den Befragten als sinnvoll erachteten Gesellschaftsdienste stehen laut Ipsos die Arbeit in Pflegeeinrichtungen (71 Prozent) und Krankenhäusern (66 Prozent), gefolgt von Obdachlosenhilfe (59 Prozent), Katastrophenschutz und Rettungsdienst (je 58 Prozent). Ein Engagement in religiösen Einrichtungen hält nur jeder Fünfte (20 Prozent) für sinnvoll – das Schlusslicht von insgesamt 16 abgefragten Bereichen
Dazwischen bewegt sich der Dienst an der Waffe: Knapp vier von zehn Befragten (38 Prozent) halten einen verpflichtenden Militärdienst für sinnvoll. Männer (44 Prozent) befürworten dies häufiger als Frauen (32 Prozent), junge Befragte im Alter von 18 bis 25 Jahren stimmen ebenfalls überdurchschnittlich oft zu (42 Prozent).
Besuchen Sie uns auf https://twitter.com/bw_journal
Unsere Symbolbilder „Reservisten“ entstanden im Februar 2024 auf der Standortschießanlage Heuberg in Stetten am kalten Markt. Angehörige der Heimatschutzkompanie „Schwäbische Alb“ trainierten hier den Umgang mit der Pistole P8. Die P8 ist eine halbautomatische Pistole, die von vielen Einheiten der Bundeswehr genutzt wird und sich für gezieltes Einzelfeuer eignet. Die Soldaten tragen die P8 häufig als Zweitwaffe, um sich auf kurze Distanz zu verteidigen.
(Fotos: Anne Weinrich/Bundeswehr)