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Berlin. Wer einmal bei der Bundeswehr gedient hat, der kennt sicherlich den Begriff „Café Viereck“. Im „Café Viereck“, einem gesicherten Raum mit spärlichster Ausstattung, verbringen nach dem Wehrstrafgesetz verurteilte Soldaten den Großteil ihres Arrestes. Entscheidend bei einem Strafarrest ist, dass die Zelle den Verurteilten zur weitestgehenden Untätigkeit zwingt. Dieser soll nun – so wird die Maßnahme im Amtsdeutsch beschrieben – „die erzwungene Untätigkeit zur Besinnung nutzen und das Unrechte des Tuns, dessentwegen er weggesperrt wurde, einsehen“.

Näher mit dem Thema „Freiheitsentzug bei der Bundeswehr“ befasste sich vor Kurzem die Bundestagsfraktion der AfD. Die Parlamentarier Rüdiger Lucassen, Jan Ralf Nolte und Gerold Otten wandten sich dazu mit 14 Fragen an die Bundesregierung. Die Kleine Anfrage beantwortete die Regierung am 5. April.

So erfahren wir, dass die Bundeswehr aktuell an 49 Standorten über Räume zum Vollzug von Arreststrafen verfügt. An den 13 Standorten, die nach Bewertung der Bundesregierung den Anforderungen des Fakultativprotokolls der Vereinten Nationen zum Übereinkommen gegen Folter (Optional Protocol to the Convention against Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment/OPCAT) nicht genügen, findet kein Vollzug statt.

Richtlinien der Vereinten Nationen für den Haftvollzug

Die 36 Bundeswehrstandorte, die nach Bewertung der Bundesregierung den OPCAT-Anforderungen entsprechen, sind: Husum, Rendsburg, Plön, Eutin, Rotenburg/Wümme Visselhövede, Neustadt am Rübenberge, Holzminden, Hagenow, Bad Sülze, Schortens, Torgelow, Kramerhof OT Parow, Cochem/Büchel, Gerolstein, Augustdorf, Ahlen, Minden, Merzig, Schwarzenborn, Prenzlau, Burg, Schönewalde Holzdorf, Storkow, Gera, Marienberg, Weißenfels, Bad Reichenhall, Feldkirchen, Ingolstadt, Müllheim, Roth, Stetten am kalten Markt, Ulm, Walldürn, Regen und Freyung.

Kein Vollzug findet an folgenden 13 Standorten statt: Füssen, Mittenwald, Pfreimd, Volkach/Bamberg, Fritzlar, Delmenhorst, Lüneburg, Seedorf, Köln, Germersheim, Koblenz, Bad Frankenhausen und Bad Salzungen.

An den drei Standorten Cochem, Schortens, Feldkirchen gibt es sogenannte Schlauchzellen (Abstand zwischen den gegenüberliegenden Wänden weniger als 2 Meter und Zellenlänge von fast 4,4 Meter), die jedoch nicht genutzt werden. Der Standort Cochem plant einen Neubau des Wachgebäudes beginnend ab dem Jahr 2030.

Präventivmaßnahmen in der Arrestzelle für den Notfall

Alle 83 zur Unterbringung von Arrestpersonen nutzbaren Räume an den Standorten der Bundeswehr haben nach Angaben der Bundesregierung einen Rauchmelder und einen Notrufknopf. Die Räume verfügen zwar über keinen abgetrennten Bereich für die Toilette, die Toilette sei aber – so die Regierungsantwort – entweder durch den Türspion nicht einsehbar oder durch eine sogenannte „Schamwand“ abgetrennt.

34 besonders gesicherte Räume sind laut Bundesregierung mit schwer entflammbaren, abwaschbaren Matratzen ausgestattet. An 16 Standorten ist es den Arrestanten bislang nicht möglich, selbstbestimmt das Licht in ihrer Arrestzelle ein- und auszuschalten. Auch ist an ebenfalls 16 Standorten eine freie Sicht aus der Zelle nach draußen unmöglich.

Sinnvolle Beschäftigung, Weiterbildung und Religionsausübung

Auf die Frage, welche Möglichkeiten verurteilte Soldaten haben, um „einen angemessenen Teil des Tages“ mit sinnvollen Beschäftigungen verbringen zu können, heißt es in der Antwort: „In der Regel nimmt die Arrestperson am Dienst teil. Der Besitz von Büchern und anderen Gegenständen zur Fortbildung oder zur sonstigen Freizeitbeschäftigung wird in angemessenem Umfang gestattet, soweit der Besitz oder die Überlassung oder Benutzung nicht mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist oder die Sicherheit oder Ordnung im Vollzug oder die militärische Ordnung gefährden würde. Zudem können Anordnungen zur Selbstbeschäftigung [im Sinne des Erziehungszwecks des Vollzuges] ergehen.“

Besonders zu berücksichtigen seien Weiterbildungswünsche, erklärte die Regierung außerdem. Bestehe in der Nähe des Arrestraumes Gelegenheit dazu, könne der Arrestperson unter Aufsicht die Teilnahme am Hörfunk- oder Fernsehprogramm gemäß ihrem Anspruch auf staatsbürgerliche Information oder der Zugang zum Internet zur Fortsetzung einer von ihr bereits begonnenen Fortbildung gestattet werden.

Der Arrestperson werde außerdem Gelegenheit gegeben, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses innerhalb der militärischen Anlage oder Einrichtung, in der der Vollzug durchgeführt wird, teilzunehmen. Die Bundesregierung weist ausdrücklich darauf hin: „Es besteht ein Anspruch auf seelsorgerische Betreuung.“


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Zu unserem Symbolbild „Café Viereck“:
(Bild aus dem Bildangebot von Pixabay: Mathias K./unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich; grafische Bearbeitung: mediakompakt)

Kleines Beitragsbild: Symbolaufnahme „Vergittertes Fenster“.
(Bild aus dem Bildangebot von Pixabay: mac231/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)


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