Berlin/Niamey (Republik Niger)/Wunstorf. Nach dem Militärputsch im Niger, der am Morgen des 26. Juli begonnen hatte, haben Frankreich und Italien mit Evakuierungsflüge reagiert. Die französische Regierung hatte dabei angeboten, auch Deutsche aus dem westafrikanischen Binnenstaat auszufliegen. Zahlreiche deutsche Staatsbürger hätten von dem Angebot Gebrauch gemacht, so Außenministerin Annalena Baerbock später. Wie das Pariser Außenministerium inzwischen mitteilte, so ist die französische Evakuierung aus dem Niger abgeschlossen. Mehr als 1000 Menschen sollen ausgeflogen worden sein, unter ihnen etwa 60 Deutsche. Am heutigen Donnerstagabend (3. August) teilte die Bundeswehr auf Twitter mit, dass „um 17:30 Uhr MESZ ein Flugzeug vom Typ A400M [der Deutschen Luftwaffe] den Flughafen der nigrischen Hauptstadt Niamey mit rund 50 Personen nach Deutschland verlassen“ habe.
Die Bundesregierung hatte – wohl auch vor dem Hintergrund des französischen Angebotes – zunächst darauf verzichtet, mit eigenen Kapazitäten Menschen aus dem Niger in Sicherheit zu bringen. Der Evakuierungsflug mit dem deutschen Airbus A400M aus Niamey zeugt von einem Sinneswandel. Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Geltow bei Potsdam bestätigte mittlerweile gegenüber Medienvertretern die Twitter-Meldung. Allerdings machte er keine Angaben darüber, ob es sich bei den evakuierten Personen ausschließlich um Zivilisten handelt; auch sind die Nationalitäten der rund 50 A400M-Passagiere bis jetzt unbekannt (laut SPIEGEL sollen die meisten ausgeflogenen Passagiere Bundeswehrangehörige sein). Die Ankunft des Flugzeugs wird der Bundeswehr zufolge „in der Nacht im niedersächsischen Wunstorf“ erwartet.
Die Republik Niger gehört zusammen mit Burkina Faso und Mali zur Sahelzone. Eine Region, die vor allem durch Schlagzeilen über kriegerische Auseinandersetzungen und Terrorakte auf sich aufmerksam macht. Niger hat sich dort zuletzt fast zu so etwas wie einem Ort der Hoffnung entwickelt, nachdem die Friedensmission der Vereinten Nationen in Mali gescheitert ist und die Militärregierungen von Mali und Burkina Faso sich zunehmend vom Westen abwenden.
Als letztes demokratisch regiertes Land des Länderdreiecks sollte Niger die Region stabilisieren helfen. Dafür hat das Land zuletzt immer mehr Entwicklungsgeld erhalten.
Zudem plante die EU eine Mission zur Bekämpfung des islamistischen Terrors, vor allem ausgeübt durch al-Qaida, den „Islamischen Staat“ (IS) und Boko Haram. Trotz massiver Präsenz von ausländischen Militärs – sowohl die USA, Frankreich als auch Deutschland sind in Niger vertreten – konnten beispielsweise Anschläge kaum eingedämmt werden. Die fragile Sicherheitslage in der Sahelzone hat mittlerweile zu einer gefährlichen Instabilität auch in Niger geführt. Wir erinnern: In Mali putschte sich im Mai 2021 das Militär an die Macht, in Burkina Faso gab es 2022 sogar zwei Staatsstreiche.
Die Bundeswehr betreibt einen Lufttransportstützpunkt in Niamey. Niamey ist das zentrale Drehkreuz für die Bundeswehr in Westafrika und wichtig für den laufenden Abzug aus dem benachbarten Mali.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat die Lage für die deutschen Soldaten in Niamey einmal mehr als „ruhig“ bezeichnet. Er betonte, sein Ministerium habe in enger Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt die Situation im Blick: „Die Priorität Nummer eins ist die Sicherheit unserer Kräfte.“
Der neue starke Mann im Niger, Abdourahamane Tchiani, präsentierte sich am 28. Juli in einem Fernsehauftritt als neues Staatsoberhaupt des westafrikanischen Landes. Seine Soldaten hätten die Macht in Niger übernommen, sagte der General der nigrischen Präsidentengarde. Als Grund für die Machtübernahme nannte Tchiani „eine sich verschlechternde Sicherheitslage im Land“. Die Regierung habe den Bürgern des Niger „keinen Weg aus der Sicherheitskrise“ anbieten können.
Zuvor hatte die Garde Präsident Mohamed Bazoum entmachtet und im Präsidentenpalast festgesetzt. Daraufhin hatte sich die Armee des Landes dem Putsch angeschlossen und bekanntgegeben, die neue Führung zu unterstützen. Zeitgleich wurde die Verfassung des Landes von den Putschisten für ausgesetzt erklärt. Die Institutionen des Staates wurden nach Angaben von Tchianis Anhängern aufgelöst. Ein neu gebildeter „Nationaler Rat zur Sicherung des Heimatlandes“ wurde ausgerufen – natürlich mit General Tchiani an der Spitze.
Mitglieder der abgesetzten Regierung widersprachen inzwischen heftig den Rechtfertigungen der Putschisten. Der Staatsstreich habe nach ihren Angaben „aus rein persönlichen Beweggründen“ stattgefunden. Die ehemaligen Regierungsmitglieder prangerten die „von den Anhängern Tchianis vorgebrachten Lügen“ an.
Die Republik Niger hatte zuletzt die längste demokratische Regierungszeit in der Geschichte des Landes erlebt, seitdem es sich 1960 von der Kolonialmacht Frankreich unabhängig erklärt hatte. Allerdings hatte es in dieser Zeit bereits vier Staatsstreiche und zahlreiche gescheiterte Putschversuche gegeben. Bazoum war 2021 als Präsident von Niger gewählt worden.
Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms „Sahel“ der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, sagte nach dem Putsch, dies sei ein „Albtraumszenario“ für den Westen, der auf Bazoum und Niger als „neue Sicherheitsanker“ für die Sahelzone gezählt hatte. Auch bringe die Situation die Bundeswehr in eine sehr komplizierte Lage, da der Abzug der deutschen Kräfte aus Mali über Niger laufen solle und somit der Zeitplan insgesamt bis Jahresende stark gefährdet sei.
Hinzu kommt ein weiterer gefährlicher Aspekt. Die beiden Newsdesk-Mitarbeiter der ZEIT David Rech und Maline-Mercedes Hofmann wiesen in ihrem heutigen Beitrag „Warum wurde gegen die Regierung in Niger geputscht?“ darauf hin: „Es wird befürchtet, dass die neu eingesetzte Militärführung sich Russland annähern und das Land dadurch seinen Einfluss in Afrika verstärken könnte. In Mali ist die ,Wagner‘-Gruppe bereits aktiv. ,Wagner‘-Chef Jewgeni Prigoschin hatte nach dem Putsch schnell Interesse bekundet, auch in Niger einzusteigen. Für Russland hätte eine militärische Zusammenarbeit mit Niger besonders symbolischen Wert – es wäre ein Zeichen an den Westen, dass ein Land, dass noch vor einer Woche wichtiger Partner westlicher Regierungen war, nun mit Moskau zusammenarbeitet.“
Auf dem Fliegerhorst in Wunstorf landete in der Nacht zum Freitag (4. August) wie angekündigt der deutsche Airbus A400M aus Niger. An Bord waren 30 Personen (die Bundeswehr hatte zunächst von 50 Passagieren gesprochen), darunter zehn Deutsche – neun Bundeswehrsoldaten und ein Zivilist. Neben den deutschen Staatsbürgern waren auch noch EU-Bürger und Angehörige weiterer Nationen ausgeflogen worden.
Wie ein Sprecher des Einsatzführungskommandos mitteilte, habe sich die Maschine der Bundeswehr bereits vor dem Militärputsch in dem westafrikanischen Land am Flughafen der nigrischen Hauptstadt Niamey befunden. Der A400M sei mit Genehmigung der Behörden des Niger gestartet.
Nach Angaben der Bundeswehr ist für den kommenden Montag (7. August) eine Wiederaufnahme des Flugbetriebs von Wunstorf zum Lufttransportstützpunkt in Niamey geplant. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen. Mit dem Flug soll der Transport von Soldaten und Material aufgenommen werden. Niamey ist – wie bereits erwähnt – das zentrale Drehkreuz für die Bundeswehr in Westafrika und besonders wichtig für den laufenden Abzug aus dem benachbarten Mali.
Angesichts einer angedrohten militärischen Intervention durch die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS hat die Militärjunta im Niger den Luftraum über dem Land am gestrigen Sonntag (6. August) doch noch geschlossen (ECOWACS = Economic Community of West African States).
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur konnte deswegen am heutigen Montag (7. August) ein Airbus A400M der Bundeswehr entgegen der ursprünglichen Planung nicht nach Niamey abfliegen. Inzwischen sollen zivile Auftragnehmer jedoch bereits andere Routen fliegen. Im deutschen Feldlager in Gao im Nachbarland Mali befinden sich derzeit noch rund 850 Bundeswehrangehörige.
Unser Symbolbild „A400M der Deutschen Luftwaffe in der Republik Niger“ entstand am 10. April 2022 anlässlich des Besuches der damaligen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Das Foto zeigt die Transportmaschine auf dem Flugfeld von Tillia, das dicht an der Grenze zu Mali liegt. Unsere Luftwaffe versorgte über Tillia bis Ende 2022 das deutsche Feldlager der Joint Special Operations Task Force (JSOTF) „Gazelle“. Mit dieser Mission wurden gut vier Jahre lang nigrische Soldaten von deutschen Spezialkräften ausgebildet.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)