Berlin/Helsinki (Finnland). Der Allrounder „Transportpanzer Fuchs“ wird seit mehr als 40 Jahren bei der Bundeswehr beziehungsweise in den meisten Truppengattungen des Deutschen Heeres eingesetzt – vom Truppentransporter über das Führungs- und Funkfahrzeug, den ABC-Spürpanzer (ABC = atomar, biologisch, chemisch) bis hin zum Sanitätsfahrzeug. Von den einst rund 1400 für die deutschen Streitkräfte gefertigten „Füchse“ sind heute noch mehr als 820 in unterschiedlichsten Ausführungen in Nutzung. Alleine von Rüststand 1A8 stehen der Truppe 16 Varianten zur Verfügung – zusammen insgesamt 272 Panzer. Mittlerweile zeichnet sich aber das Ende der Fuchs-Nutzung, die in den 1980er-Jahren mit der Auslieferung des ersten Transportpanzers an die Bundeswehr begann, ab. Als möglicher Nachfolger ist unter andere der Patria 6×6 AWV (AWV = Armoured Wheeled Vehicle) des finnischen Rüstungskonzerns Patria-Group im Gespräch …
Vor Kurzem wandte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schwarz dazu mit einer Schriftlichen Frage an die Bundesregierung. Der Politiker (Wahlkreis Waldeck, Hessen), der Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestages ist, wollte wissen: „Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung hinsichtlich der Nachfolge des Transportpanzers Fuchs der Bundeswehr eine Vorentscheidung zugunsten des finnischen Modells Patria 6×6 getroffen hat und falls ja, aus welchen Gründen hat sich die Bundesregierung gegen ein Produkt von der deutschen Industrie entschieden?“
Ihm antwortete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung Thomas Hitschler. Hitschler erklärte: „Das Fahrzeug Patria 6×6 ist marktverfügbar. Durch den Beitritt zum finnisch geführten CAVS-Kooperationsprogramm [CAVS = Common Armoured Vehicle System] hat Deutschland die Voraussetzungen geschaffen, um unter anderem die technischen Details des Fahrzeugs zu bewerten. Dazu wird das Fahrzeug einer Reifegradanalyse unterzogen. Die Entscheidung zur Nachfolge des Transportpanzers Fuchs wurde damit noch nicht getroffen.“
Bereits im vergangenen Jahr hatte sich Schwarz erkundigt: „Welche Nachfolgeplanung hat die Bundesregierung für den Transportpanzer Fuchs und insbesondere welche Nachfolgeplanung besteht für den Transportpanzer Fuchs [im] Rüststand 1A8A7 für die ABC-Abwehr der Bundeswehr hinsichtlich der zeitlichen Umsetzung und der Mengenbedarfe aus der Umstrukturierung der ABC-Abwehr?“
Am 21. April 2022 hatte Staatssekretär Hitschler geantwortet: „Eine Regeneration der Fahrzeugflotte Transportpanzer 1 Fuchs ist für den Zeitraum 2025 bis etwa 2037 planerisch vorgesehen.“ Dabei würden, so der Vertreter des Verteidigungsministeriums weiter, „entlang der Vorgaben des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr bestehende Fähigkeiten regeneriert und – wo notwendig – ausgebaut“. Zur ABC-Version hatte Hitschler schließlich ausgeführt: „Die Transportpanzer 1 Fuchs A8A7 ABC finden entlang der ermittelten Mengengerüste im Zuge dieser Regeneration ebenfalls Berücksichtigung und sind dementsprechend planerisch hinterlegt.“
Am 17. April dieses Jahres trat Deutschland dem von Finnland initiierten und geführten CAVS-Programm für ein neues 6×6-Transportfahrzeug offiziell bei. Bereits am 14. Juni 2022 hatte der deutsche Vertreter – Vizeadmiral Carsten Stawitzki, Abteilungsleiter „Ausrüstung“ im Bundesministerium der Verteidigung – die Absichtserklärung für den Beitritt Deutschlands zum CAVS-Programm unterzeichnet.
Weitere Programmbeteiligte sind (neben Finnland) Schweden sowie Estland und Lettland. Patria ist als ausgewählter Anbieter der 6×6-Systemplattform für die Entwicklung des Fahrzeugs im Rahmen von CAVS verantwortlich.
Nach der Unterzeichnung der Technischen Vereinbarung erklärte Jukka Holkeri, Executive Vice President von Patria: „Wir freuen uns, dass Deutschland am CAVS-Programm teilnimmt […]. Das Programm bietet allen Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, kosteneffiziente, hochmoderne und modulare gepanzerte Fahrzeuge zu erwerben, die im Rahmen einer beispiellosen multinationalen Zusammenarbeit entwickelt wurden. Die Aufnahme eines weiteren Landes in das Programm wird die Mobilität und Versorgungssicherheit aller teilnehmenden Nationen verbessern.“
Im Rahmen des CAVS-Programms hatte Lettland bereits im August 2021 mehr als 200 gepanzerte Patria-Mannschaftstransportwagen bestellt. Finnland beschafft jetzt 91 gepanzerte Mannschaftstransporter mit Ausrüstung für sein Heer (der Vertrag beinhaltet zudem eine Option zur Beschaffung von bis zu 70 weiteren Fahrzeugen Patria 6×6 AWV). Inzwischen hat Patria auch hat mit der schwedischen Beschaffungsbehörde für Verteidigungsgüter (Swedish Defence Materiel Administration/Försvarets Materielverk, FMV) einen Vertrag über den Kauf von 20 gepanzerten 6×6-Fahrzeugen unterzeichnet (die ersten Lieferungen sollen innerhalb des Jahres 2023 erfolgen).
Waldemar Geiger, Redakteur der Online-Informationsplattform Soldat & Technik (Mittler Report Verlag, Bonn) schrieb am 17. April in seinem Beitrag „Fuchs-Nachfolge“ unter anderem: „Zweck des deutschen Programmbeitritts ist offenbar eine Prüfung, inwieweit die in die Jahre gekommene Flotte des Bundeswehr-Transportpanzers Fuchs durch ein marktverfügbares Fahrzeug ersetzt werden könnte.“ Dem bloßen Programm-Beitritt Deutschlands folge kein Automatismus bezüglich der Auswahlentscheidung für eine mögliche Fuchs-Nachfolge auf Basis des CAVS-Fahrzeuges, so der frühere Bundeswehroffizier weiter. Der Beitritt sei aber eine Notwendigkeit, um die Fahrzeuge in den deutschen Streitkräften zu testen und somit eine zukünftige Auswahlentscheidung vorzubereiten.
Laut Geiger soll für die zweite Jahreshälfte 2023 eine 25-Millionen-Euro-Vorlage für den Haushaltsausschuss erfolgen, mit der dann die Patria-Testfahrzeuge beschafft werden können.
Der finnische Konzern Patria (vollständig Patria Oyj/Oyj = Aktiengesellschaft nach finnischem Recht) ist das größte Unternehmen des Landes im Verteidigungssektor. Es produziert unter anderem elektronische Systeme – beispielsweise für die Luftraumüberwachung und die Ubootjagd – und fertigt Großgerät wie die gepanzerten Fahrzeuge Patria AMV und Patria 6×6 oder das Mörsersystem Patria NEMO (von New MOrtar).
Patria gliedert sich in die sechs Geschäftsbereiche „Aviation“ (Wartung und Reparaturen an Luftfahrzeugen), „Systems“ (Aufklärungs- und Überwachungssysteme), „International Support Partnerships“ (Wartung, Ersatzteilgeschäft, technischer Support), „Land“ (gepanzerte Fahrzeuge und Mörsersysteme), „Aerostructures“ (Strukturelemente für die zivile und militärische Luftfahrt) sowie „Millog“ (Wartung). Millog wird zu 61,8 Prozent durch Patria gehalten und stellte mit einem Umsatzanteil von 44,2 Prozent im Jahr 2021 den größten Geschäftsbereich dar.
Patria hat – neben Finnland – Geschäftsniederlassungen in Schweden, Norwegen, Estland sowie Lettland, Belgien, den Niederlanden und Spanien. Das Unternehmen beschäftigt insgesamt rund 3000 Arbeitnehmer.
Patria ist im Besitz des finnischen Staates (50,1 Prozent) und der norwegischen Kongsberg Defence & Aerospace AS (49,9 Prozent). Patria hält seinerseits 50 Prozent der Anteile am norwegischen Rüstungsunternehmen Nammo.
Zu unserer Bildsequenz:
1. Transportpanzer Fuchs der Bundeswehr bei der Übung „Feldberg“ am 8. Dezember 2016 auf dem Truppenübungsplatz Bergen.
(Foto: Carl Schulze/Bundeswehr)
2. Am 14. Juni 2022 unterzeichnete Vizeadmiral Carsten Stawitzki (rechts), Abteilungsleiter „Ausrüstung“ im Bundesministerium der Verteidigung, die Absichtserklärung für den Beitritt Deutschlands zum finnisch geführten CAVS-Programm. Neben Stawitzki der Direktor für das Rüstungswesen Finnlands und Vertreter des finnischen Verteidigungsministeriums, Raimo Jyväsjärvi.
(Bild: Patria-Group)
3. Der Patria 6×6 AWV, erstmals vorgestellt im Jahr 2018 bei der französischen Rüstungsmesse Eurosatory. Vielleicht wird das Fahrzeug einmal der Nachfolger des Bundeswehr-Transportpanzers Fuchs.
(Foto: Patria-Group)
Kleines Beitragsbild: „Tag der Bundeswehr“ am 9. Juni 2018 im oberbayerischen Feldkirchen – ein Transportpanzer Fuchs fährt als Beweglicher Arzttrupp (BAT) auf das Gelände.
(Foto: Markus Dittrich/Bundeswehr)