Berlin/Osnabrück. Bundestagsabgeordnete der Ampel-Fraktionen fordern die Bundesregierung in einem Schreiben auf, islamische Militärseelsorger in der Bundeswehr einzusetzen. In einem Brief – unterzeichnet von Konstantin Kuhle (Stellvertretender FDP-Fraktionschef), Filiz Polat (Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und migrationspolitische Sprecherin ihrer Fraktion) sowie der SPD-Parlamentarierin Aydan Özoguz (Bundestagsvizepräsidentin) – heißt es: „Die evangelische, katholische und jüdische Militärseelsorge leisten bereits heute einen unverzichtbaren Beitrag zur seelsorglichen Betreuung von […] Soldaten sowie deren Angehörigen. Muslimischen Rekruten bleibt diese Form der Unterstützung, anders als in Nachbarländern wie der Schweiz, allerdings schon viel zu lange verwehrt. Und das, obwohl mittlerweile mehr als 3000 [Bundeswehrangehörige] muslimischen Glaubens täglich pflichtbewusst ihren Dienst […] leisten.“ Über den Aufruf berichtete zuerst die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ).
Die Unterzeichner erinnern laut NOZ auch daran, dass im Februar dieses Jahres am neuen Islamkolleg in Osnabrück die ersten Studenten den Kurs für muslimische Seelsorge absolviert haben. „Wir möchten dies zum Anlass nehmen, um bei Ihnen für die Einrichtung einer muslimischen Militärseelsorge zu werben“, erklären die Abgeordneten in ihrem Schreiben an Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die Wehrbeauftragte des Bundestages Eva Högl.
Das Aufgabenspektrum der Streitkräfte und insbesondere die Auslandseinsätze hätten spürbare Auswirkungen auf die Lebenssituation von Bundeswehrangehörigen sowie deren Familien, so die Initiatoren des Projekts „muslimische Militärseelsorge“. „Ihre religiöse Betreuung in der Bundeswehr muss für uns einen hohen Stellenwert haben“, argumentieren die Abgeordneten.
Freidemokrat Kuhle sagte der NOZ: „Die Einrichtung einer muslimischen Seelsorge bei der Bundeswehr wäre ein Beitrag zur Anerkennung der Realität: Muslime übernehmen in vielen gesellschaftlichen Bereichen Verantwortung.“ Wenn der deutsche Staat die Ausbildung von Imamen – etwa am Islamkolleg in Osnabrück – fördere, „dann sollte er auch Möglichkeiten zur Beschäftigung der Absolventen dieser Ausbildung eröffnen“, meint Kuhle.
Wir haben über das Thema „muslimische Militärseelsorger in der Bundeswehr“ bereits einmal – am 24. Mai 2015 – berichtet (siehe hier).
Das Islamkolleg Deutschland (IKD), ein eingetragener Verein, wurde Ende 2019 in Osnabrück als Einrichtung für die islamtheologische praktische Ausbildung gegründet. Die feierliche Eröffnung erfolgte nach langer und intensiver Vorbereitungszeit am 15. Juni 2021.
Damit startete an diesem Dienstag vor gut zwei Jahren erstmals in Deutschland ein verbandsübergreifendes Angebot zur Aus- und Fortbildung von Imamen und anderem islamisch religiösem Personal wie Gemeindepädagogen oder Seelsorgern. Nach eigenem Verständnis schließen die IKD-Gründer – islamische Theologen, muslimische Personen des öffentlichen Lebens sowie Verbände (wie beispielsweise der Zentralrat der Muslime in Deutschland) – damit eine Lücke.
Die angehenden Imame müssen bereits ein Studium der islamischen Theologie abgeschlossen haben. Die zweijährige Ausbildung am IKD bereitet sie auf den praktischen Dienst in den Moscheegemeinden vor – konkret in den sieben Bereichen Predigtlehre, Koranrezitation, Seelsorge, Politische Bildung, gottesdienstliche Praktiken, Gemeindepädagogik und Soziale Arbeit. Der erste Ausbildungsjahrgang des Kollegs bestand aus 55 Personen, davon 19 Frauen und 36 Männer.
Zuvor predigten in deutschen Moscheen vor allem Imame aus dem Ausland. Politisch regte und regt sich seit langem Kritik an diesem Modell.
Größere Verbände wie die türkisch-islamische Ditib, der Verband der Islamischen Kulturzentren oder die Gemeinschaft „Milli Görüs“ betreiben in Deutschland zwar ebenfalls eine Ausbildung von religiösem Personal. Doch das Alleinstellungsmerkmal des IKD ist nach eigenen Angaben, dass dort die Ausbildung komplett auf Deutsch absolviert wird. „Die wissenschaftliche Anbindung, strukturelle Unabhängigkeit und professionellen Vernetzungen des IKD werden einen bedeutsamen Innovationsschub für hiesige muslimische Gemeinden bewirken“, versprach bei der Eröffnung im Sommer 2021 der Wissenschaftliche Direktor der Einrichtung, Prof. Dr. Bülent Ucar. Ucar wies zudem darauf hin: „Durch die Schaffung transparenter und unabhängiger Strukturen wollen wir auf allen Ebenen um Vertrauen werben und deutschsprachige Alternativen zum Status quo etablieren.“
Zu unserem Bildmaterial:
1. Symbolbild „Koran, die Heilige Schrift des Islam“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Foto: Zain Saade/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)
2. Die Bundestagsabgeordneten (von links) Konstantin Kuhle (FDP), Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) und Aydan Özoguz (SPD) sind die Unterzeichner des Schreibens „Militärseelsorge in der Bundeswehr für Muslime“.
(Fotos: Abgeordnetenbüros; Bildgestaltung/Bildmontage mediakompakt)
Kleines Beitragsbild: Symbolbild „Koran und Kerze“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Foto: Bert Fadly/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich)