Berlin/Schrobenhausen/Tel Aviv (Israel). Am gestrigen Donnerstag unterzeichneten in Berlin Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein israelischer Amtskollege Yoav Gallant eine Gemeinsame Absichtserklärung (Joint Declaration of Intent) zur Beschaffung des Flugkörperabwehrsystems Arrow 3 für die Bundeswehr. Die Präsidentin des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), Annette Lehnigk-Emden, unterzeichnete anschließend zusammen mit ihrem Counterpart aus Israel die entsprechende Verpflichtungserklärung (Letter of Commitment). Vorausgegangen war die Genehmigung der US-Regierung für die Beschaffung des Waffensystems Arrow 3 an Deutschland.
Mit dem Arrow-System will Deutschland die Fähigkeitslücke zur Abwehr ballistischer Raketen insbesondere mittlerer und großer Reichweiten schließen. Das Flugkörperabwehrsystem wurde in einem gemeinschaftlichen Projekt durch Israel und die USA seit den 1980er-Jahren entwickelt. Maßgeblich daran beteiligt waren und sind das israelische Unternehmen Israel Aerospace Industries (IAI) und das US-Unternehmen Boeing. IAI und Boeing zeichnen auch verantwortlich für die Herstellung.
Arrow 3 ist bereits die dritte Systemgeneration. Seit 2017 ist die neueste Version in Israel einsatzbereit und kann deutliche Leistungssteigerungen im Vergleich zu seinen Vorgängern vorweisen
Bisher ist Israel das einzige Land, das über das Arrow-3-System verfügt. In der Vergangenheit haben sich jedoch mehrere Länder – unter anderem die NATO-Staaten Türkei und Großbritannien sowie Indien, Japan oder Singapur – um die Anschaffung des Systems beworben. Der Export aus Israel scheiterte allerdings immer wieder an politischen Gründen oder an der Absage der Vereinigten Staaten. Deutschland ist das erste Land, in welches das Arrow-System exportiert werden darf.
Unmittelbar nach Unterzeichnung der Dokumente auf Regierungs- und Ämterebene setzten Vertreter der Unternehmen MBDA Deutschland und IAI ihre Unterschriften unter einen Vorvertrag (Memorandum of Understanding, MoU) zur Kooperation bei der Einführung von Arrow 3 bei der Bundeswehr. Im Rahmen dieser Vereinbarung wird MBDA eigenen Angaben zufolge „alle notwendigen Maßnahmen zur Anpassung, Integration und Wartung des Systems in Deutschland unterstützen“ sowie „die Aktivitäten der deutschen Industrie koordinieren, die zur Unterstützung des Programms erforderlich sind“.
Als Hauptauftragspartner von IAI in Deutschland wird MBDA sowohl dem israelischen Partner als auch der Truppe dabei helfen, die Einsatzfähigkeit von Arrow 3 sicherzustellen und zu erweitern. In einer am gestrigen Donnerstag veröffentlichten Presseerklärung definiert das Schrobenhausener Unternehmens noch einmal das zu beschaffende Waffensystem: „Arrow 3 ist ein exo-atmosphärischer Flugkörper in der oberen Abfangschicht zur Bekämpfung von Bedrohungen über große Entfernungen; er ist ein wesentlicher Bestandteil der strategischen Fähigkeit Deutschlands zur Abwehr ballistischer Flugkörper (Ballistic Missile Defense/BMD)“.
Thomas Gottschild, Geschäftsführer von MBDA Deutschland, wird in der Pressemitteilung mit den Worten zitiert: „Das Memorandum of Understanding ist von großer Bedeutung für die industrielle Zusammenarbeit zwischen Israel und Deutschland. Wir werden als Hauptauftragspartner von IAI die Initiative der deutschen Regierung zum Aufbau eines Schutzschildes für Europa gegen die wachsende Bedrohung durch Raketen unterstützen. Wir bündeln die Fähigkeiten und Stärken unserer Unternehmen, um das Arrow-3-System in Deutschland gemäß dem von der deutschen Regierung festgelegten Zeitplan zu implementieren. Mit dieser Vereinbarung sind wir in der Lage, unseren Partner IAI und die Bundeswehr dabei zu unterstützen, eine strategische Fähigkeit gegen ballistische Raketen aufzubauen und zu erhalten.“
Boaz Levy, Präsident und CEO von IAI, äußerte sich ebenfalls: „Die Unterzeichnung des Memorandum of Understanding zur Kooperation zwischen Israel Aerospace Industries und MBDA Deutschland ist ein wichtiger Meilenstein – sowohl mit Blick auf die gemeinsamen Aktivitäten zur Lieferung des Systems Arrow 3 als auch für den Schutz der deutschen Bevölkerung. Das Arrow-System hat sich über mehrere Jahre und in Tests bewährt. Es wurde von IAI in enger Zusammenarbeit mit dem israelischen Verteidigungsministerium, der israelischen Luftwaffe und der United States Missile Defense Agency (MDA) entwickelt. Der Kauf von Arrow 3 durch Deutschland unterstreicht die technologischen Fähigkeiten des Systems und von IAI.“
Der Bundestag hatte im Juni dieses Jahres die ersten 560 Millionen Euro für das System freigegeben. Ein Einstieg! Verteidigungsminister Pistorius kündigte nach der Unterzeichnung der Joint Declaration of Intent an, das Abwehrsystem Arrow 3, zu dem auch weit reichende Radare gehören, könne voraussichtlich bereits Ende 2025 in einer ersten Stufe genutzt und solle danach schrittweise ausgebaut werden.
Weitere Details über das Beschaffungsvorhaben „Beschaffung des Flugkörperabwehrsystems Arrow 3“ können der Antwort der Bundesregierung vom 27. März 2023 auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von CDU/CSU entnommen werden.
Unter anderem erklärt darin die Regierung: „Die Fähigkeit zur exo-atmosphärischen Abwehr von Flugkörpern mittlerer und großer Reichweite ist als nationale Priorität Bestandteil des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr im Jahr 2023 und soll vom Waffensystem Arrow perspektivisch bereitgestellt werden. Damit soll vor allem der Schutz der Bevölkerung und des deutschen Staatsgebietes, aber auch ein wesentlicher Beitrag zur Raketenabwehr im Bündnis geleistet werden.“ Weiter heißt es, das Vorhaben ziele auf den nationalen Fähigkeitsaufbau in der Flugkörperabwehr ab. Die Beschaffungsabsicht sei allerdings auch im Rahmen der Initiative „European Sky Shield“ (ESSI) mit den europäischen Nachbarstaaten und Bündnispartnern erörtert worden.
Auf die Frage der Unionspolitiker, in Höhe welcher Summe die Bundesregierung Finanzmittel im Bundeshaushalt zur Beschaffung eines Systems zur Abwehr von Flugkörpern großer und mittlerer Reichweiten veranschlagt habe, erfahren wir: „Das Bundesministerium der Verteidigung hat […] Finanzmittel in Höhe von insgesamt drei Milliarden Euro veranschlagt.“ Und: „Die Beschaffung von Arrow soll mit Haushaltsmitteln aus dem Sondervermögen ,Bundeswehr‘ realisiert werden. […] Eine Finanzierung der Beschaffung aus dem Einzelplan 14 ist derzeit nicht vorgesehen.“
Mit dem Thema „Arrow 3“ hat sich vor Kurzem einmal mehr auch der CSU-Parlamentarier Florian Hahn (Wahlkreis München-Land) befasst. Hahn, der Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestages ist, wollte von der Regierung wissen: „An wie vielen Bundeswehrstandorten sollen nach Planung des Verteidigungsministeriums die zu beschaffenden Arrow-3-Batterien der Bundeswehr stationiert werden, und wann soll die Entscheidung getroffen werden, welche Standorte dafür ausgewählt werden?“ Der Unionspolitiker fragte in diesem Zusammenhang auch nach den infrastrukturellen Voraussetzungen, die eigens dafür geschaffen werden müssten.
Am 14. September antwortete die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung Siemtje Möller. Sie führte aus: „Die Anfangsbefähigung des Waffensystems Arrow wird am Standort Schönewalde hergestellt. Die Untersuchungen zur Auswahl weiterer geeigneter Liegenschaften für die Systemkomponenten der Zielbefähigung dauern noch an. An die Aufstellorte der Systemkomponenten werden weitreichende Forderungen gestellt. Die Konkretisierung der infrastrukturellen Voraussetzungen für die Arrow-Systemkomponenten ist derzeit noch Gegenstand laufender Gespräche mit dem Hauptauftragnehmer.“
Zu unserem Bildmaterial:
1. Die beiden Aufnahmen zeigen den Abschuss eines Lenkflugkörpers des israelisch-amerikanischen Raketenabwehrsystems Arrow.
(Bilder: IAI)
2. MBDA Deutschland und IAI unterzeichneten am 28. September 2023 ein sogenanntes Memorandum of Understanding für das Waffensystem Arrow 3. Links Boaz Levy (Präsident und CEO von IAI), daneben Guido Brendler (Leiter Vertrieb und Geschäftsentwicklung MBDA Deutschland).
(Foto: MBDA Deutschland)
Kleines Beitragsbild: Abschuss eines Arrow-Lenkflugkörpers.
(Bild: IAI; grafische Bearbeitung: mediakompakt)