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Berlin/Eckernförde/Osnabrück. Am gestrigen Dienstag (21. Februar) besuchte Verteidigungsminister Boris Pistorius erstmals die Deutsche Marine. In Eckernförde konnte er einen Teil des Fähigkeitsspektrums der Teilstreitkraft – sowohl in See als auch an Land – kennenlernen. Bei seinem Truppenbesuch wurde Pistorius von Vizeadmiral Jan Christian Kaack, dem Inspekteur der Marine, begleitet. Für Irritationen im Vorfeld des Eckernförder Programms hatte eine Wortmeldung des CDU-Bundestagsabgeordneten Ingo Gädechens gesorgt. Er hatte dem neuen Minister geraten, „weniger Truppenbesuche zu unternehmen“. Die Neue Osnabrücker Zeitung hatte gar getitelt: „CDU-Abgeordneter rät Pistorius von Truppenbesuchen ab“ …

Zunächst nach Eckernförde: Nach einem intensiven Austausch mit dem Marineinspekteur hatte der Minister zunächst das Ausbildungszentrum des 1. Ubootgeschwaders im Marinestützpunkt besichtigt. Anschließend führten Angehörige des Seebataillons spezielle Fähigkeiten des Verbandes vor (die Soldaten zeigten dabei an der Hafenanlage des Stützpunkts, wie sie die Sicherheit eines Schiffes an einer Pier gewährleisten können).

Bei der darauffolgenden Seefahrt auf dem Minenjagdboot „Bad Bevensen“ konnte sich Pistorius bei etlichen Gesprächen mit Besatzungsmitgliedern ein sehr persönliches Bild vom Arbeitsalltag und von den Erfahrungen der Marineangehörigen machen. Auf der Fregatte „Hessen“ erhielt der Minister danach zusätzlich einen Einblick in das Arbeiten und Leben an Bord eines Kriegsschiffes.

Auf See folgten schließlich noch Übungseinlagen unter Beteiligung des Unterseebootes „U32“, des Flottendienstbootes „Oste“, der Fregatte „Baden-Württemberg“ und der Marineflieger. Des Weiteren fand ein Boarding des Kommandos Spezialkräfte Marine (KSM) auf der „Hessen“ statt. Zuletzt simulierte ein Verband – für diesen Programmpunkt bestehend aus den deutschen Fregatten „Hessen“ und „Baden-Württemberg“ sowie dem US-Zerstörer „Arleigh Burke“ – die Flugabwehr im Gefecht. Im Einsatz dabei auch: Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 71 „Richthofen“ aus Rostock/Laage.

Minister will „deutsche Seestreitkräfte künftig einsatzfähig aufstellen“

Zum Schluss seines Besuches an der Küste sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius unter anderem: „Die Marine leistet einen äußerst wichtigen Beitrag zur Landes- und Bündnisverteidigung an der Ostflanke, zeitgleich und mit beträchtlichem Aufwand beteiligt sie sich auch am Internationalen Krisenmanagement. Ich habe dem Marineinspekteur zugesagt, ihn mit ganzer Kraft zu unterstützen, um unsere Seestreitkräfte künftig einsatzfähig aufzustellen.“

Pistorius zeigt sich in Eckernförde am Ende seiner Dienstreise sichtlich beeindruckt. Er erklärte gegenüber Medienvertretern: „Deutschland verlang viel von seiner Marine und ihren rund 13.000 Frauen und Männern. Und sie liefert.“ Er habe, so der Minister, an diesem Dienstag hier „eine unglaublich motivierte, für die Sache arbeitende Marine erlebt – Frauen und Männer, die ihren Job mit Leidenschaft“ ausübten.

In den wenigen Wochen nach Amtsantritt bereits viermal bei der Truppe

Der Unionspolitiker Ingo Gädechens (Wahlkreis Ostholstein – Stormarn-Nord), der unter anderem Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Verteidigungsausschuss ist, hatte am 20. Februar unmittelbar vor dem Antrittsbesuch des neuen Verteidigungsministers bei der Deutschen Marine der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) gesagt: „Ich würde Boris Pistorius entgegen sonstigen Gepflogenheiten empfehlen, weniger Truppenbesuche zu unternehmen und sich primär um das Ministerium zu kümmern, denn dort brennt zurzeit die Luft.“ So zumindest zitiert ihn das Blatt.

Pistorius hatte sieben Tage nach seinem Amtsantritt (19. Januar) bereits Logistiker der Streitkräftebasis und Panzergrenadiere des Heeres bei der Schieß- und Gefechtsausbildung auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow in Sachsen-Anhalt besucht. Die Kräfte des Logistikbataillons 171 aus Burg bei Magdeburg stellen große Anteile des Logistikbataillons Land der Schnellen Eingreiftruppe der NATO (Very High Readiness Joint Task Force, VJTF). Die Panzergrenadiere des Panzergrenadierbataillons 122 aus dem ostbayerischen Oberviechtach, Teil der Panzergrenadierbrigade 12 „Oberpfalz“, sind mit dem umstrittenen Schützenpanzer Puma in der Variante 1. Los ausgestattet. „NATO-Auftrag und Puma-Problematik“ – ein Truppenbesuch am 26. Januar, der demnach sinnvoll war.

Vier Tage später, am 30. Januar, ließ sich Pistorius im Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Schwielowsee bei Potsdam über die Auslandseinsätze im Allgemeinen und Speziellen informieren. Auch hier ein vollkommen nachvollziehbarer und wichtiger Besuch „vor Ort“.

Es folgten zwei weitere Dienstreisen des Ministers: am 1. Februar nach Augustdorf zum Panzerbataillon 203 und am 20. Februar nach Munster zur Panzertruppenschule. In Augustdorf wollte sich Pistorius vor dem Hintergrund der Regierungsentscheidung zur Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine über die Leistungsfähigkeit des Waffensystems ein Bild machen. In Munster sammelte er handfeste Eindrücke von der derzeitigen Ausbildung ukrainischer Soldaten am Kampfpanzer Leopard 2 A6 und am Schützenpanzer Marder 1A3.

„Truppenbesuche sind oftmals so beliebt wie Fußpilz“

CDU-Mann Gädechens gehört aktuell dem Bundestagsgremium an, das über die Verteilung des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro wacht. Der Unionspolitiker war selbst jahrzehntelang bei der Bundeswehr: Im Jahr 1978 verpflichtete er sich bei der Marine als Zeitsoldat, von 1984 bis 2015 war er Berufssoldat. In dieser Zeit diente Gädechens im Führungsdienst, danach als Truppenfachlehrer, später dann zunächst als Stellvertretender Dienststellenleiter und anschließend als Dienststellenleiter der Marineortungsstellen Westermarkelsdorf und Staberhuk auf Fehmarn. Man darf sicher annehmen, dass der Bundestagsabgeordnete in Sachen „Bundeswehr“ weiß, wovon er spricht …

Gegenüber der NOZ erklärte der Christdemokrat nun: „Truppenbesuche belasten die Soldatinnen und Soldaten überproportional und sind oftmals so beliebt wie Fußpilz.“ Das Bundeswehrpersonal hätte oft so viel zu tun, dass man „nicht auch noch Fahrzeuge und die Kaserne aufhübschen will, weil irgendein Verteidigungspolitiker oder sogar der Minister anrollt“.

Gädechens verwies gegenüber der NOZ auf die mittlerweile erfolgten Besuche des neuen Verteidigungsministers bei der Truppe. Zugleich lobte er aber auch, dass sich Pistorius tatsächlich „in Rekordzeit“ in seine Aufgabe eingearbeitet habe.

Wir meinen – der Kommentar im bundeswehr-journal

Was den CDU-Politiker bei seinem Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung geritten hat, bleibt sein Geheimnis. War es eine parteipolitisch motivierte Grätsche gegen den Verteidigungsminister der SPD? War es lediglich tiefe Sorge um das Ministerium, wo angeblich „die Luft brennt“ (oder meinte Gädechens hier doch eher die Mäuseschar, die bei Abwesenheit der Katze so gerne auf den Tischen tanzt)? Oder hatte der sonst so klar analysierende und argumentierende Verteidigungsexperte bei seinem Interview einfach nur einen schlechten Tag (immerhin lobte er Pistorius für dessen rasche Einarbeitung)? Wir wissen es nicht! Was bleibt ist die verstörende NOZ-Schlagzeile „CDU-Abgeordneter rät Pistorius von Truppenbesuchen ab“.

Die vier Besuche von Neu-Amtsinhaber Pistorius bei der Truppe sind alles andere als „Lustreisen“. Alle vier Besuche zeugen davon, dass man sich hinsichtlich der Themen und Problematiken, der fehlenden Informationen und offenen Fragen bei der Auswahl der Besuchsziele und den Reisevorbereitungen große Gedanken gemacht hat. Pistorius ging dahin, wo – wie Medien es so plakativ formulieren – Uniformierten der „Schuh drückt“. Ein neuer Minister, der sich kurz nach seinem Amtsantritt bei der Truppe und im Gespräch mit Soldaten ein „ganz persönliches Bild aus erster Hand“ machen will, was kann daran verkehrt sein?

Egal auch, ob derartige Besuche bei den Soldaten „beliebt wie Fußpilz“ sind. Man sollte bei solchen Anlässen auf die Errichtung Potemkinscher Dörfer verzichten und stattdessen die Chance zum fruchtbaren Dialog nutzen. Gelegenheiten dazu –Gespräche etwa zwischen Minister und Vertrauenspersonen oder Kritik von der Basis – gäbe es genug.

Irgendwie scheint Ingo Gädechens bei seinen Einlassungen gegenüber der NOZ vom Kurs abgekommen zu sein. Wir raten dazu, sich einmal an frühere Verteidigungsminister der Union, die bei Truppenbesuchen nicht unbedingt ein überzeugendes Bild abgaben, zu erinnern.

Mit Kopfschütteln denkt der Autor dieser Zeilen noch an einen CDU-Minister Franz Josef Jung, der bei Terminen vor Ort irgendwie stets unnahbar, zumeist schmallippig und insgesamt blass blieb. „Ein Langweiler“, wie Chronisten damals festhielten. Oder an das komplette Gegenteil: Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU. Der Adelige hatte so viel Freude an seinem Amt, dass er sich sogar in Pilotenmontur ablichten ließ („wie Tom Cruise in Top Gun“). Bei einem seiner fünf Besuche der deutschen Truppen in Afghanistan binnen eines Jahres (2010) nahm zu Guttenberg sogar seine Frau Stephanie mit. Damals schrieb Kurt Kister in der Süddeutschen Zeitung: „Wie ein Fürst in alten Zeiten zieht er mit Gattin und Haushofmeister zu seinen Soldaten. Der Verteidigungsminister tut zwar gut daran, die Truppe in Afghanistan zu besuchen, aber leider macht er eine Show daraus.“ Und: „Afghanistan ist auf diesem Ego-Feldzug ein wunderbarer Hintergrund: Um Entschiedenheit und Mitgefühl auszudrücken gibt es – zumindest optisch – wenig Besseres als die tarngefleckte Volksverbundenheit mit der Frau Oberfeldwebel unter dem klaren Himmel Zentralasiens.“

Man stelle sich vor, Boris Pistorius würde sich bei einer seiner Reisen zu Bundeswehr-Standorten etwa von Fernsehmoderator Johannes B. Kerner begleiten (und medial vermarkten) lassen. Ein Unding (Neudeutsch „No Go“). Kerner gehörte übrigens im Dezember 2010 mit zur Entourage des CSU-Ministers bei dessen Afghanistan-Tour. Man will es heute fast nicht mehr glauben …


Die Aufnahme zeigt Verteidigungsminister Boris Pistorius während seines ersten Truppenbesuchs bei der Deutschen Marine in Eckernförder am 21. Februar 2023. Der CDU-Politiker unterhielt sich dabei intensiv mit Soldaten verschiedener Dienstgrade über den aktuellen Zustand und die Probleme der Teilstreitkraft.
(Foto: Tom Twardy/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Pistorius spricht während seines Besuches auch mit Soldaten des Kommandos Spezialkräfte Marine (KSM) an Bord der Fregatte „Hessen“.
(Foto: Tom Twardy/Bundeswehr)


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