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Dresden. Seit dem gestrigen Donnerstag (29. September) ist im Militärhistorischen Museum (MHM) der Bundeswehr in Dresden eine Sonderausstellung mit dem Titel „Die Bundeswehr in der Ära Merkel – Krieg und Frieden 2005 bis 2021“ zu sehen. Am Vortag fand für Medienvertreter ein sogenannter „Presserundgang“ statt. Die Ausstellung schließt am 31. Dezember 2022.

In der Bundesrepublik Deutschland und für die Bundeswehr gab es zum Ende des Ost-West-Konflikts im Jahr 1990 keinen Plan für die Zeit danach. Der Weg der Streitkräfte von einer Armee der Landes- und Bündnisverteidigung im Kalten Krieg über die „Armee der Einheit“, die von starker „Friedensdividende“ profitieren konnte, bis hin zu einer Armee im internationalen Einsatz war vielmehr ein Transformationsprozess. Dieser dauerte letztendlich gut drei Jahrzehnte.

Nunmehr sind Bilanzen gefragt. Diese können eine Orientierungshilfe bei der Beantwortung der Frage sein, welche Rolle die Deutschen (im westlichen Bündnis) in künftigen Kriegen – denken wir nur an die Ukraine – werden übernehmen können. Zur Bilanz „Bundeswehr in der Ära Merkel“ will die Dresdener Sonderausstellung ihren Teil beitragen …

Afghanistan – von der blauäugigen Friedensmission zum blutigen Kampfeinsatz

Die Schau im MHM ist quasi der Schlusspunkt eines „chronologischen Rundgangs zur Militärgeschichte in Deutschland“. In den Blick genommen werden bewusst die Merkelschen Kanzlerjahre, weil sich hier für die Bundeswehr Einschneidendes ereignet hat. Es ist die Zeitspanne mit dem längsten Waffeneinsatz in der Geschichte der Bundeswehr, dem Afghanistaneinsatz. In die Ära Merkel fallen außerdem die Aussetzung der Wehrpflicht, der aktuelle Traditionserlass sowie ein neues Weißbuch als Reaktion auf wachsende sicherheitspolitische Herausforderungen. Durch den Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 werden diese Jahre im Rückblick zu einem abgeschlossenen Zeitraum.

Die Zeitspanne ist demnach geprägt durch das Spannungsfeld zwischen Krieg und Frieden und einem grundlegenden Wandel der Bundeswehr. Die Friedensmission in Afghanistan entwickelte sich nach und nach zu einem Kampfeinsatz, an dem erstmals auch Bodentruppen der Bundeswehr beteiligt waren: Deutsche kämpften, töteten, wurden verwundet und fielen. Zugleich taten sich lange Zeit Politik und Gesellschaft in Deutschland schwer, beim Geschehen in Afghanistan von „Krieg“ zu sprechen.

Ukraine – Putins Krieg hat auch Auswirkungen auf die Bundeswehr

Der Überfall Russlands auf die Ukraine verändert auch den Blick auf die Themen der Dresdener Sonderausstellung. Die Landes- und Bündnisverteidigung hat seit dem Angriff Putins auf das Nachbarland einen neuen Stellenwert, die Ausrüstung der Bundeswehrangehörigen eine neue Dringlichkeit erhalten. Die Truppe ist dazu mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro ausgestattet worden, Planungen laufen.

Vor diesem Hintergrund bietet die MHM-Ausstellung eine einmalige Gelegenheit, sich folgender Frage zu stellen: „Haben sich – und wenn ja – wie haben sich Gesellschaft und Bundeswehr in der Ära Merkel verändert, wie gingen und gehen sie heute mit alten Problemen (denken wir nur an das Thema „Rüstung und Beschaffung“) und neuen (Kriegs-)Gefahren um?“

Die Sonderausstellung „Krieg und Frieden“ experimentiert mit neuen Formen von Gestaltung, Texten und Medien-Einsatz. Damit regt sie an, wechselnde Standpunkte einzunehmen. Zugleich knüpft die Ausstellungskonzeption an das Grundprinzip des MHM an, ungewohnte Denkräume zu eröffnen und Perspektiven zu wechseln. Das Museum geht damit einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer Neukonzeption. Ziel sei es, so die Verantwortlichen, eine Diskussion über das Verhältnis der deutschen Gesellschaft zu ihren Streitkräften anzustoßen und dazu auch eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema „Krieg und Gewalt“ in Gang zu setzen.


Randnotiz                                  

Sonderausstellung „Die Bundeswehr in der Ära Merkel – Krieg und Frieden 2005 bis 2021“.
Ort: Militärhistorisches Museum der Bundeswehr/MHM, Olbrichtplatz 2, 01099 Dresden.
Ausstellungsdauer: 29. September 2022 bis 31. Dezember 2022.

Öffnungszeiten:
Montag 10 bis 21 Uhr;
Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr;
Mittwoch geschlossen.
Am 3. Oktober 2022, Tag der Deutschen Einheit, ist das Museum von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Eintrittspreise:
Dauerausstellung: regulär 5 Euro, ermäßigt 3 Euro;
Sonderausstellung: regulär 5 Euro, ermäßigt 3 Euro;
Kombi-Ticket: regulär 7 Euro, ermäßigt 5 Euro;
Jahreskarte: regulär 15 Euro, ermäßigt 3 Euro;
(Bezahlung mit EC- und Kreditkarte möglich; freier Eintritt und Ermäßigungen unter anderem für Angehörige der Bundeswehr sowie Kinder und Jugendliche; montags freier Eintritt ab 18 Uhr).

Ausstellungsführer: Im Sandstein Verlag (Goetheallee 6, 01309 Dresden; Tel. 0351 44078-0) ist eine Begleitschrift erschienen (112 Seiten mit 168 farbigen Abbildungen). Herausgeber: Kristiane Janeke, Sönke Neitzel, Rudolf J. Schlaffer/Militärhistorisches Museum der Bundeswehr. Die Publikation kostet 15 Euro.

Alle Angaben ohne Gewähr.


Zu unserer Bildsequenz:
1. Frontansicht des Militärhistorischen Museums (MHM) in Dresden. Die Architektur ist eine Kombination von Altbau und neuem Keil-Anbau, die symbolisch die wechselvolle deutsche Militärgeschichte widerspiegelt. Das Konzept stammt von dem US-Architekten Daniel Libeskind. Das MHM war am 14. Oktober 2011 nach einer siebenjährigen Umbauzeit neu eröffnet worden.
(Foto: Michael Mandt/Bundeswehr)

2. Ein Schlüsselobjekt der Sonderausstellung „Die Bundeswehr in der Ära Merkel – Krieg und Frieden 2005 bis 2021“ ist das Wrack eines ausgebrannten Fahrzeugs Typ „Mungo“. Es befindet sich im unteren Bereich der Dauerausstellung. Dieses Fahrzeug nutzten am 20. Oktober 2008 deutsche Fallschirmjäger im Einsatz südlich von Kunduz. Während ihrer Mission sprengte sich ein Selbstmordattentäter auf einem Fahrrad vor dem Fahrzeug in die Luft. Zwei Soldaten und fünf afghanische Kinder starben bei dem Anschlag, zwei Schwerverwundete – ein Soldat und ein Kind – konnten gerettet werden. Bei einem Besuch im Jahr 2019 hinterließ ein Kamerad der getöteten Armeeangehörigen am Wrack einen Kranz aus Stacheldraht, Erkennungsmarken und Dienstgradabzeichen.
(Foto: Andrea Ulke/Bundeswehr)

3. Fotografie „Hauptfeldwebel Thorsten N. nach der Rückkehr ins Camp Marmal (Mazar-e Sharif)“. Arbeit aus der Werkgruppe „Afghanistan“ von Jens Umbach, 2010. Umbach fotografierte 2010 und danach erneut 2011 Bundeswehrangehörige während ihres Afghanistaneinsatzes. Nach einem aufwendigen Genehmigungsprozess war er damals mit mehreren Hundert Kilo Ausrüstung nach Masar-e Scharif gereist. 2014 arbeitete der Fotograf wieder in Afghanistan, dieses Mal nahm er Einheimische in den Blick. Als der fast 20 Jahre dauernde Bundeswehreinsatz am Hindukusch im Jahr 2021 unerwartet endete, fotografierte Umbach auch die heimkehrenden deutschen Soldaten.
(Foto: Jens Umbach)

4. Ausstellungsobjekt „Helm“, zur Verfügung gestellt von Hauptfeldwebel Annika Schröder. Afghanistan war der erste Auslandseinsatz der damals 25-jährigen Soldatin von der Sanitätskompanie des Luftlandeunterstützungsbataillons 272 (das Bataillon war verteilt auf die Standorte Oldenburg und Seedorf; zum 31. März 2015 erfolgte im Zuge der Einnahme der Struktur „HEER2011“ die Auflösung). Schröder wurde 2010 als Rettungsassistentin und Fahrzeugkommandantin eines Beweglichen Arzttrupps (BAT) zusammen mit einem Arzt und einem Kraftfahrer und auf dem Transportpanzer Fuchs in Afghanistan eingesetzt. Gegen Mittag des 2. April 2010 wurde ihr BAT im Rahmen der „Immediate Reaction Force“ (IRF: Schnelle Eingreifkräfte) alarmiert und nach Isa Khel in der Kunduz-Provinz entsandt. Dort tobte das insgesamt neun Stunden dauernde sogenannte „Karfreitagsgefecht“. Vor Ort versorgten Schröder und ihr Team verwundete Bundeswehrsoldaten. Sie selbst barg unter Beschuss zwei Gefallene und zwei Verwundete. Die Soldatin erhielt dabei mehrere Treffer in ihren Sanitätsrucksack, blieb jedoch unverletzt. Heute unterrichtet Annika Schröder als Lehrfeldwebel unter anderem an der Unteroffiziersschule des Heeres in Delitzsch oder als Gast von Behörden. Schwerpunkte ihrer Vorträge: die „Rettungskette“ und „Lebenserhaltende Maßnahmen“.
(Foto: Andrea Ulke/Bundeswehr)

5. Fotografie „Beendigung des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr“. Die Aufnahme vom 26. August 2021 zeigt die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Flugplatz der usbekischen Hauptstadt Taschkent. Hierhin hatten die Maschinen der Deutschen Luftwaffe zunächst die aus der afghanischen Hauptstadt Kabul evakuierten Menschen geflogen. In Taschkent meldete der damalige Leiter der Evakuierungsmission, Brigadegeneral Jens Arlt, der Ministerin auch den erfolgreichen Abschluss der Mission. Am 30. Juni 2021 kehrten die letzten deutschen Soldaten schließlich aus dem Afghanistaneinsatz nach Deutschland zurück. Nach der Landung des letzten Kontingents im niedersächsischen Wunstorf trug Stabsfeldwebel Sandro Pflug die Truppenfahne, Brigadegeneral Ansgar Meyer rollte sie am Ende ein.
(Foto: Marc Tessensohn/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Gravierter Armreif, zur Verfügung gestellt von Hauptfeldwebel Naef Adebahr. Der damalige Oberfeldwebel wurde beim „Karfreitagsgefecht“ am 2. April 2010 bei Isa Khel schwer verwundet. Drei seiner Kameraden fielen: Hauptfeldwebel Nils Bruns (35 Jahre), Stabsgefreiter Robert Hartert (25) und Hauptgefreiter Martin Augustyniak (28). Zum Gedenken an die Gefallenen wurden von einem Bundeswehrangehörigen etliche der Armreifen angefertigt. Für Adebahr ist – so sagt er – dieses Erinnerungsstück „deutlich wichtiger als irgendeine Medaille“.
(Foto: MHM)


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