Berlin. Die transatlantischen Beziehungen und das gespannte Ost-West-Verhältnis waren die Schwerpunktthemen bei einem Kurzbesuch von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am heutigen Dienstag (18. Januar) in Berlin. Stoltenberg traf unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Er nahm am Nachmittag außerdem teil an einer Gesprächsrunde zu den aktuellen Herausforderungen für das Bündnis, die unter der Leitfrage „Neue Welt(un)ordnung: Was bewegt Jens Stoltenberg?“ stand. Ausrichter dieser Veranstaltung waren die Körber Stiftung und das Magazin DER SPIEGEL. Der Generalsekretär gab darüber hinaus dem ARD-Hauptstadtstudio ein Exklusiv-Interview, in dem er mit Blick auf den russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze vor einem „neuen militärischen Konflikt in Europa“ warnte.
Im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio kündigte Stoltenberg eine schriftliche Antwort auf die von Russland verlangten „Sicherheitsgarantien“ an. Die Vorschläge der NATO würden eine breite Palette an Themen enthalten: „Rüstungskontrolle; Maßnahmen, um die Transparenz bei militärischen Aktivitäten zu erhöhen; Raketen und viele andere Themen, die wichtig sind für die Sicherheit Europas und für die Situation in und um die Ukraine.“ In naher Zukunft werde die gemeinsame Antwort aller 30 Alliierten erfolgen, sagte Stoltenberg weiter.
Der Generalsekretär hatte bei seinem Besuch in Berlin verkündet, dass er zu weiteren Treffen des NATO-Russland-Rats eingeladen habe. Russland habe jedoch klargestellt, dass es erst die schriftlichen Vorschläge der NATO sehen wolle, bevor es auf die Einladung antworte. „Ich hoffe, dass Russland positiv antwortet. Die NATO ist bereit, sich weiter mit Russland zu treffen.“
Zugleich warnte Stoltenberg angesichts des russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine vor einer „echten Gefahr für einen neuen militärischen Konflikt in Europa“. Im ARD-Interview sagte der Norweger: „Wir müssen auf das Schlimmste vorbereitet sein: Dass Russland erneut militärische Gewalt einsetzt.“ Das müsse nicht unbedingt bedeuten, dass man einen „vollständigen Einmarsch mit zehntausenden Truppen“ erlebe. Aber er warnte vor „schweren, großen Cyberangriffen, Aktionen, die das politische System destabilisieren in der Ukraine und andere Arten der Aggression.“
Jens Stoltenberg, der sich am Vormittag mit Bundeskanzler Olaf Scholz getroffen hatte, lobte ausdrücklich die Rolle der Bundesregierung in dem Konflikt mit Russland: „Für diese Führungsrolle, die sie bei den Herausforderungen rund um die Ukraine spielt, danke ich ihr“, erklärte der Generalsekretär. „Deutschland ist einer der führenden Alliierten beim Ausführen dessen, was wir den ‚Doppelansatz‘ der NATO im Umgang mit Russland nennen: Wir brauchen Abschreckung und Verteidigung kombiniert mit Dialog. Solange wir einig und standfest sind, können wir auch reden.“
Stoltenberg begrüßte auch die Versuche Deutschlands, das Normandie-Format – die Vierergespräche zwischen Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine – wieder zu stärken.
Die Aufnahme zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts) und NATO-Generalsekretär Jens Stolzenberg bei ihrem Treffen am 18. Januar 2022 in Berlin, im Bildhintergrund das Reichstagsgebäude.
(Foto: NATO)
Kleines Beitragsbild: NATO-Chef Stoltenberg bei der Veranstaltung der Körber Stiftung und des SPIEGEL.
(Foto: NATO)