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Brüssel/Oslo. Der Norweger Jens Stoltenberg, seit dem 1. Oktober 2014 Generalsekretär der NATO, wird seine im Herbst endende Amtszeit nicht mehr verlängern. Wie in diesen Tagen nationale und internationale Medien übereinstimmend berichteten, soll Stoltenberg „um den 1. Dezember herum“ neuer Chef der Zentralbank seines Landes werden. Das teilte das norwegische Finanzministerium mit.

Über einen möglichen Wechsel Stoltenbergs zur Norges Bank, der in Oslo beheimateten Nationalbank, hatte am 14. Dezember vergangenen Jahres erstmals Charlie Duxbury, der Stockholmer Korrespondent der US-Tageszeitung Politico, berichtet.

Nun ist es Gewissheit. Norwegens Finanzminister Trygve Slagsvold Vedum sagte gegenüber Medienvertretern: „Ich habe mich bemüht, den besten Zentralbankpräsidenten für Norwegen zu finden und ich bin überzeugt, dass es Jens Stoltenberg ist.“ Noch-NATO-Generalsekretär Stoltenberg erklärte am Freitag in Brüssel: „Ich werde bei der NATO bis zum Ende meiner Amtszeit am 1. Oktober meine ganze Kraft und Aufmerksamkeit auf die Führung des Bündnisses verwenden.“ Dies sei besonders in einer Zeit, in der Europa und Nordamerika zusammenstehen müssten, absolut notwendig“, fügte er vor allem mit Blick auf die schwelende Russland-Ukraine-Krise hinzu.

Im Herbst sieben Jahre an der Spitze des Atlantischen Bündnisses

Der aktuelle Chef der Norges Bank ist der 70-jährige Øystein Olsen. Er leitet die Institution seit Januar 2011 und wird nun in den Ruhestand gehen. Bis zur Übernahme durch Stoltenberg soll die derzeitige Vizechefin der Norges Bank, Ida Wolden Bache, kommissarisch die Leitung übernehmen.

Jens Stoltenberg ist studierter Wirtschaftswissenschaftler (Universität Oslo) und war zweimal Ministerpräsident seines Landes (2000/2001 und 2005 bis 2013). Am 28. März 2014 hatte ihn der Nordatlantikrat zum neuen NATO-Generalsekretär bestimmt. Stoltenberg gab damals an, zunächst keine direkte Absicht auf eine Kandidatur gehabt zu haben, aber von verschiedenen Regierungschefs überzeugt worden zu sein. Er war dann bei seiner späteren Bewerbung vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama und der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt worden. Der Norweger hatte das Amt in der Bündniszentrale in Brüssel als Nachfolger des Dänen Anders Fogh Rasmussen am 1. Oktober 2014 angetreten.

2018 wurde Stoltenbergs Amtszeit bis Herbst 2020 verlängert. Im März 2019 folgte eine erneute Verlängerung um weitere zwei Jahre bis zum 30. September 2022.

Erste Namen werden gehandelt – auch die von weiblichen Kandidaten

Die beiden Brüsseler Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung (SZ), Josef Kelnberger und Matthias Kolb, würdigten am gestrigen Freitag in einem gemeinsamen Beitrag die Verdienste Stoltenbergs als Generalsekretär der Allianz. Auch widmeten sie sich der jetzt bereits auf Touren kommenden Nachfolge-Debatte. Kelnberger und Kolb vermuten: „Die Sorge, dass der NATO-Generalsekretär in Gedanken schon bei seinem nächsten Karriereschritt ist, während der Frieden in Europa so gefährdet ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr, dürfte angesichts der großen Professionalität und Disziplin des Norwegers nicht aufkommen. Allerdings dürften die NATO und die Regierungschefs ihrer Mitglieder noch mehr mit den öffentlichen Spekulationen beschäftigt sein, wer Stoltenberg nachfolgen wird.“

Und in der Tat: Es werden bereits erste Namen gehandelt, auch die von Frauen. Denn wie die beiden SZ-Korrespondenten erfahren haben wollen, „fordern viele“, dass zum ersten Mal in der Geschichte des Bündnisses eine Frau gewählt werden sollte. In diesem Zusammenhang werde häufig der Name „Theresa May“ genannt, so die Autoren. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace habe die ehemalige Regierungschefin seines Landes öffentlich für den Job empfohlen. Die Frage sei allerdings, ob May angesichts der von ihr mitverschuldeten Verwerfungen um den Brexit wirklich Chancen habe, meinen Kelnberger und Kolb.

Für die Besetzung des ranghöchsten zivilen Postens in der NATO-Zentrale gibt es kein festgeschriebenes Verfahren. Es ist jedoch ein ungeschriebenes Gesetz, dass der militärische NATO-Oberbefehlshaber (seit dem 3. Mai 2019 der Vier-Sterne-General Tod D. Walters) aus den USA und der Generalsekretär (oder die Generalsekretärin) aus Europa kommen.

Da die Europäische Union künftig eine gewichtigere Rolle innerhalb des Bündnisses spielen will oder auch muss, könnte der zivile Chefsessel der NATO möglicherweise auch von einem EU-Kandidaten besetzt werden. Es gab in Deutschland bereits vereinzelt den Vorschlag, Ex-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ins Rennen zu schicken. Denkbar ist auch, dass der oder die Nachfolgerin Stoltenbergs aus Osteuropa kommt (wobei anzumerken ist, dass Stoltenbergs derzeitiger Vize Mircea Geoană bereits aus Rumänien stammt).

NATO-Gipfel Ende Juni in Madrid – Weichenstellung für die Zukunft

Wie dem auch sei – Spekulation hin oder her: Auf dem nächsten NATO-Gipfel am 29. und 30. Juni 2022 in Spaniens Hauptstadt Madrid wollen die Staats- und Regierungschefs der 30 Mitgliedsnationen gewichtige Entscheidungen zur Umsetzung der Reformagenda „NATO 2030″ treffen. Unter anderem wird es dabei um Pläne zur Erhöhung des Bündnisetats und zum Ausbau der politischen Konsultationen innerhalb des Bündnisses gehen. Geplant ist darüber hinaus die Annahme eines neuen Strategischen Konzepts für die NATO.

Bei einem Treffen am 8. Oktober vergangenen Jahres in Madrid mit Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte Stoltenberg über den neuen Kompass der Allianz gesagt: „Das Strategische Konzept von Madrid wird das neue Sicherheitsumfeld widerspiegeln, sich auf unsere Werte besinnen und unsere Einheit bekräftigen. Es wird sicherstellen, dass unser Bündnis für die Zukunft gerüstet ist.“ Eine der zentralen Zukunftsfragen für die NATO wird dabei auch sein, wer denn in die großen Fußstapfen des Norwegers, der im Herbst Brüssel mit den denkbar besten Referenzen verlassen wird, treten kann.


Die Aufnahme vom 13. Januar 2022 zeigt Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einer Sitzung des NATO-Militärausschusses. Das Military Committee ist das höchste militärische Entscheidungs- und Beratungsorgan innerhalb des Bündnisses. Zweiter von links: Generalleutnant Hans-Werner Wiermann, seit Juli 2019 Direktor des Internationalen Militärstabs der NATO in Brüssel (der Stab sitzt quasi an der Nahtstelle zwischen den militärischen Kommandos der Bündnisses und den politischen Leitungsgremien).
(Foto: NATO)

Kleines Beitragsbild: Pressekonferenz am 7. Januar 2022 mit NATO-Chef Stoltenberg nach einem Außenministertreffen.
(Foto: NATO)


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