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Berlin/Osnabrück. Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr wieder mehr minderjährige Rekruten eingestellt – allerdings liegt die Zahl deutlich unter dem Höchstwert von vor einigen Jahren. Insgesamt wurden 1239 Jugendliche in die Truppe aufgenommen, die bei Dienstantritt noch keine 18 Jahre alt waren. Das geht aus offiziellen Daten hervor, die der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) vorliegen.

Gegenüber dem Vorjahr 2020 stieg der Anteil der Minderjährigen an den Rekruten demnach von 7,0 auf 7,4 Prozent. „Die Zahl der 17-jährigen […] Rekruten schwankt seit Jahren, ist jedoch in der Gesamtbetrachtung seit 2017 rückläufig“, erklärte ein Sprecher der Bundeswehr auf Anfrage der NOZ. Damals waren es 2126 Minderjährige oder prozentual gesehen 9,1 Prozent. Gründe für die Entwicklung nannte der Sprecher nicht.

Von den minderjährigen Rekruten wurden mehr als die Hälfte im fünften Dienstmonat volljährig. Mit deutlichem Vorsprung waren die meisten der Minderjährigen Männer, nur knapp jeder fünfte Kandidat war eine Frau (19,3 Prozent). Dies ist nach Auskunft der Bundeswehr ein etwas höherer Frauenanteil als bei den Neueinstellungen insgesamt (17,4 Prozent). Alles in allem nahmen die Streitkräfte im vergangenen Jahr 16.697 Soldaten neu in den Dienst – etwas mehr als im Jahr 2020 (16.442).

Wehrbeauftragte fordert Bundeswehr auf, die Einstellungspraxis zu überdenken

Seit Jahren gibt es an der Einstellungspraxis von Minderjährigen herbe Kritik. Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Eva Högl verwies beispielsweise erneut darauf, dass die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen für den Militärdienst ein Mindestalter von 18 Jahren festsetzt. Högl sagte der NOZ: „Es ist daher sehr kritisch zu sehen, dass die Bundeswehr weiterhin Minderjährige einstellt.“ Auch wenn dies nur mit Zustimmung der Eltern und unter strenger Dienstaufsicht geschehe, die der erhöhten Schutzbedürftigkeit Minderjähriger Rechnung trage. Die SPD-Politikerin forderte: „Die Bundeswehr sollte ihre Einstellungspraxis im Hinblick auf Minderjähriger überdenken, zumindest sollten die Ausbildung und der Dienst an der Waffe erst mit dem Erreichen der Volljährigkeit durchgeführt werden.“

Bewerber für die Bundeswehr müssen mindestens 17 Jahre alt sein, die Zustimmung der Eltern haben und eine sechsmonatige Probezeit absolvieren. Sie absolvieren auch einen physischen und psychologischen Eignungstest. Die 17-Jährigen sind nicht uneingeschränkt einsetzbar wie andere Soldaten – sie dürfen weder für den Wachdienst eingeteilt werden noch an Auslandseinsätzen teilnehmen und Waffen nur zu Ausbildungszwecken benutzen.

Schätzungsweise 250.000 Jungen und Mädchen zum Kämpfen gezwungen

Jedes Jahr am 12. Februar ist „Red Hand Day“ („Tag der roten Hand“). Er soll darauf aufmerksam machen, dass weltweit viele Kinder als Soldaten kämpfen müssen. Menschen in aller Welt malen am „Red Hand Day“ ihre Hand rot an und drücken sie auf ein Blatt Papier. Die rote Hand ist ein unmissverständliches Zeichen: „Stopp! Kinder dürfen nicht als Soldatinnen und Soldaten missbraucht werden!“

Anlässlich des 20-jährigen Jahrestages des „Red Hand Day“ am 12. Februar forderten die Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes Deutschland und die am Projekt „Global Net – Stop The Arms Trade“ (GN-STAT) beteiligten Initiativen konkrete Schritte der Bundesregierung zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten. Schätzungsweise 250.000 Jungen und Mädchen werden derzeit in mindestens 24 Ländern der Welt als Soldaten ausgebeutet, jeden Tag werden Kinder für den Waffendienst zwangsrekrutiert, getötet oder verstümmelt. Viele Kinder werden zur Spionage gezwungen oder als Träger oder Kämpfer missbraucht und sexuell ausgebeutet.

Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte von Terre des Hommes, erklärte am 10. Februar in Berlin: „Zum 20-jährigen Jahrestag des ,Red Hand Day‘ fordern wir die neue Bundesregierung auf, einen Aktionsplan mit konkreten Schritten zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten zu beschließen. Die Ampel-Koalition kündigt im Koalitionsvertrag eine restriktive Rüstungsexportpolitik und ein Rüstungsexportkontrollgesetz an – das ist überfällig, denn deutsche Kleinwaffen landen auch in den Händen von Kindersoldaten. Es wird höchste Zeit, dass keine deutschen Waffen mehr in Kriegs- und Krisenregionen geliefert und keine Kinder unter 18 Jahren als Soldaten rekrutiert werden.“

Deutschland sei der viertgrößte Waffenexporteur weltweit und habe in der letzten Legislaturperiode erneut mehr Rüstungsgüter exportiert als je zuvor, so der Experte der Kinderrechtsorganisation. Ein erheblicher Teil davon gehe direkt in Staaten, die an bewaffneten Konflikten und schweren Menschenrechtsverletzungen, wie der Tötung oder Rekrutierung von Kindern, beteiligt seien. Willinger zählte auf: „Dazu gehören die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Brasilien, Indien, Pakistan oder Thailand. Waffenexporte in solche Länder müssen dringend gestoppt und gesetzlich verboten werden, das muss zentraler Bestandteil des angekündigten Rüstungsexportkontrollgesetzes der neuen Bundesregierung sein.“

Aktion „Red Hand Day“ macht seit 2002 auf die Ausbeutung aufmerksam

Der „Red Hand Day“ fand erstmals am 12. Februar 2002 in Genf zur Feier des Inkrafttretens des sogenannten „Kindersoldaten-Zusatzprotokolls“ der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (Zusatzprotokoll zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten) statt.

Terre des Hommes und andere Kinder- und Menschenrechtsorganisationen benutzten damals bei einer Aktion in Genf erstmals das Symbol der roten Hand, um auf die Ausbeutung von Kindern als Soldaten aufmerksam zu machen. Das Zusatzprotokoll war von der unter anderem von Terre des Hommes gegründeten „Coalition to Stop the Use of Child Soldiers“ initiiert und durchgesetzt worden. Seit 2003 wird die Aktion „Rote Hand“ jährlich von Terre des Hommes und anderen Organisationen in Deutschland durchgeführt.

Über das Thema „Minderjährige bei der Bundeswehr“ haben wir in der Vergangenheit immer mal wieder berichtet, letztmalig im Januar 2021.


Zu unseren Aufnahmen:
1. Grundausbildung Freiwilligen Wehrdienst Leistender im Heimatschutz – Rekruten des Wachbataillons der Bundeswehr am 3. Juni 2021 bei ihrer Abschlussübung auf dem Truppenübungsplatz Döberitzer Heide.
(Foto: Tom Twardy/Bundeswehr)

2. Mädchen mit einer rot angemalten Hand, dem Symbol der Aktion „Red Hand Day“.
(Bildquelle: Terre des Hommes)


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