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Brüssel/Helsinki/Stockholm/Berlin/Moskau. Die bisher bündnisfreien Staaten Finnland und Schweden haben am Mittwoch vergangener Woche (18. Mai) offiziell die Mitgliedschaft in der NATO beantragt. Die beiden in Brüssel bei der Allianz akkreditierten Botschafter der Länder übergaben Generalsekretär Jens Stoltenberg die entsprechenden Dokumente. „Dies ist ein historischer Moment, den wir nutzen müssen“, sagte Stoltenberg bei einer kurzen Zeremonie im Hauptquartier des westlichen Militärbündnisses. Dort überreichten der finnische Botschafter Klaus Korhonen und dessen schwedischer Amtskollege Axel Wernhoff formell die Beitrittsgesuche.

Nach jahrzehntelanger Neutralität haben Finnland und Schweden nun offiziell den Beitritt zum nordatlantischen Verteidigungspakt beantragt. Schwedens Premierministerin Magdalena Andersson erinnerte am Montag (16. Mai) daran, dass ihr Land mehr als 200 Jahre lang eine neutrale und bündnisfreie Nation gewesen war (Finnland war es acht Jahrzehnte lang) und jetzt nach der Zustimmung des Parlaments in Stockholm zur Beantragung der NATO-Mitgliedschaft „eine Ära verlässt und in eine andere eintritt“.

Die finnische Parlamentsdebatte dauerte den ganzen Montag über und zog sich auch noch den folgenden Dienstag (17. Mai) hin. Die Abstimmung in Helsinki endete schließlich mit einer überwältigenden Mehrheit für die Bewerbung Finnlands um den NATO-Beitritt: 188 Abgeordnete votierten für einen Mitgliedsantrag im Verteidigungsbündnis, 8 stimmten dagegen.

Finnlands Außenminister Pekka Haavisto unterzeichnete unmittelbar danach den NATO-Mitgliedsantrag seines Landes. Haavistos schwedische Amtskollegin Ann Linde hatte den Mitgliedsantrag ihres Landes bereits am Dienstagmorgen unterschrieben. Einem Beitritt Finnlands und Schwedens müssen alle 30 NATO-Mitgliedsstaaten zustimmen.

Die beiden Länder, die sich unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs in der Ukraine für diesen epochalen Schritt entschieden haben, wollten ihre Mitgliedsanträge in der Brüsseler NATO-Zentrale bewusst gemeinsam einreichen.

Entscheidung für die Mitgliedschaft im Rahmen eines demokratischen Verfahrens

NATO-Generalsekretär Stoltenberg sprach bei der Entgegennahme der Antragsdokumente von „einem guten Tag während einer kritischen Phase für die Sicherheit des Bündnisses.“ Er betonte an die Adresse Moskaus gerichtet, dass jede Nation das Recht habe, ihren eigenen Weg zu wählen. Mit Blick auf Finnlands und Schwedens Botschafter bei der NATO sagte er: „Sie haben sich beide nach einem gründlichen demokratischen Verfahren entschieden. Und ich begrüße die Anträge Finnlands und Schwedens auf Beitritt zur Allianz von ganzem Herzen. Sie sind unsere engsten Partner. Und Ihre Mitgliedschaft in der NATO würde unsere gemeinsame Sicherheit erhöhen.“

Dass nun die Anträge von den beiden nordischen Ländern gestellt wurden, bezeichnete Stoltenberg als „historischer Schritt“. Die Bündnispartner ihrerseits würden nun die nächsten Schritte auf dem Weg Finnlands und Schwedens zur NATO prüfen. „Die Sicherheitsinteressen aller Bündnispartner müssen dabei berücksichtigt werden – wir sind entschlossen, alle Fragen zu klären und rasch zu einem Ergebnis zu kommen“, versicherte der Generalsekretär.

Türkischer Staatspräsident Erdogan blockiert Beitrittsprozedere

Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte die Anträge von Finnland und Schweden auf eine NATO-Mitgliedschaft ebenfalls als „historischen Schritt für das Verteidigungsbündnis und für Europa“. Finnland und Schweden würden mit dem Schritt das Recht der freien Bündniswahl ausüben, sagte Scholz. „Deutschland wird sich dafür einsetzen, dass das Beitrittsverfahren sehr zügig vonstattengeht.“

Einer Aufnahme in das Militärbündnis steht seitens der Bündnis-Familie lediglich die Türkei kritisch gegenüber. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte bereits am Montag (16. Mai) Finnland und Schweden vorgeworfen, die verbotene Arbeiterpartei PKK zu unterstützen, die in der EU als Terrororganisation eingestuft ist. Er kritisierte vor allem den „Kontakt“ Schwedens „mit Personen und Organisationen aus dem Umfeld der kurdischen PKK“. Auch sei die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, die von Ankara für den Putschversuch von 2016 verantwortlich gemacht wird, nach wie vor in Schweden aktiv. Das skandinavische Land hatte in den vergangenen Jahren vielen türkischen Regierungsgegnern Asyl gewährt. Gegenüber Finnland beließ es Erdogan bisher bei einem allgemeinen Appell für mehr Solidarität im Kampf gegen die PKK.

Bisherige Reaktionen aus Moskau momentan noch eher moderat

Und Russland? Russland spielte die Folgen eines möglichen Bündnisbeitritts der beiden nordischen Länder herunter. „Finnland, Schweden und andere neutrale Länder nehmen seit vielen Jahren an NATO-Militärübungen teil, die NATO berücksichtigt ihr Territorium bei der militärischen Planung der Bewegung nach Osten“, erklärte Russlands Außenminister Sergej Lawrow. „Daher gibt es in diesem Sinne wahrscheinlich keinen großen Unterschied.“ Russland werde die Situation beobachten und dann Schlussfolgerungen ziehen.

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hingegen sieht in dem geplanten NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens eine Bedrohung für sein Land. Die Lage an der westlichen Grenze Russlands werde durch eine wachsende militärische Gefahr gekennzeichnet, sagte Schoigu am Freitag (20. Mai) nach einer Ministeriumssitzung. Mit dem Beitritt nähmen die Spannungen im westlichen Wehrbezirk Russlands künftig deutlich zu. Bis Jahresende sollten dort deshalb zwölf neue Militärstützpunkte entstehen, kündigte der Armeegeneral an.


Zu unserer Aufnahme: Am 18. Mai 2022 übergaben Klaus Korhonen (links), Finnlands Botschafter bei der Allianz, und dessen Amtskollege Axel Wernhoff (rechts) die formellen Beitrittsanträge der beiden nordischen Länder zum nordatlantischen Verteidigungsbündnis. Die Dokumente nahm in der NATO-Zentrale in Brüssel Generalsekretär Jens Stoltenberg (Mitte) entgegen.
(Foto: NATO)

Kleines Beitragsbild: Die Beitrittsanträge der beiden nordischen Länder Finnland und Schweden.
(Foto: NATO)


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