Berlin/Schwielowsee bei Potsdam/Bamako (Mali). Die Bundesregierung hat am gestrigen Freitag (12. August) den Einsatz der Bundeswehr im westafrikanischen Mali im Rahmen der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen MINUSMA (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission) vorerst ausgesetzt. Dies teilte gestern zunächst ein Sprecher des Verteidigungsministeriums mit. Details und Hintergründe waren auch einer späteren Pressemitteilung des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr zu entnehmen. Grund für die Regierungsentscheidung sind vor allem „Unstimmigkeiten“ mit den Machthabern in Malis Hauptstadt Bamako. Die dort regierende Militärjunta von Oberst Assimi Goïta habe der Bundeswehr zum wiederholten Male Überflugrechte verweigert, hieß es in Berlin und in der Presseerklärung des Kommandos. Ein turnusmäßiger Personalwechsel sei demnach momentan nicht möglich. 110 Bundeswehrangehörige sitzen in Mali fest. Die Frage nach der Zukunft einer deutschen Beteiligung an MINUSMA stellt sich immer drängender …
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte am Freitag auf Twitter mitgeteilt, die Bundeswehr müsse infolge der malischen Entscheidung die Operationen ihrer Aufklärungskräfte und die Transportflüge mit CH-53-Hubschraubern einstellen. Auch seien die deutschen Soldaten wegen des Abzugs französischer Truppen aus Mali (siehe unter anderem hier) nun vor allem mit der Eigensicherung befasst. Dafür war eigentlich jenes Kontingent eingeplant, das jetzt nicht nach Mali fliegen konnte.
Die Bundeswehr setzt in Mali die Heron-1-Drohne und Erkundungstrupps ein, um jenes Lagebild zu erstellen, das die MINUSMA-Befehlshaber ihren Blauhelm-Operationen zugrunde legen. Bei der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (VN) sind rund 17.000 Kräfte im Einsatz – darunter etwa 11.800 Militärangehörige, 1700 Polizisten sowie fast 3400 Zivilbedienstete (Stand April 2022). Die Bundeswehr hat derzeit 1042 Soldaten zu MINUSMA abkommandiert – unter ihnen 95 Frauen und 54 Reservisten (Stand 8. August 2022). In der Regel sind die deutschen Kräfte für sechs Monate in Mali eingesetzt.
Das in Schwielowsee (Ortsteil Geltow) bei Potsdam beheimatete Einsatzführungskommando der Bundeswehr teilte in seinem am gestrigen Freitag veröffentlichten Pressetext „MINUSMA – Lageentwicklung in Mali“ mit (alle nachfolgenden Daten beziehen sich auf 2022):
„Abstimmungsgespräche zwischen der malischen Übergangsregierung und der Mission MINUSMA der Vereinten Nationen/VN am 1. August führten nach Aussagen beider Seiten zu einer formalen Aufhebung des am 14. Juli durch die malische Übergangsregierung erklärten Rotationsstopps. Auf dieser Grundlage plante das Einsatzführungskommando am 12. August einen Rotationsflug mit der Firma Kühne & Nagel, der [etwa] 140 […] Soldaten nach Mali und [etwa] 100 […] Soldaten aus Mali ausfliegen sollte. Dieser Flug erhielt keine Überflug- und Landerechte.“
Weiter heißt es in der Pressemitteilung des Kommandos: „Das malische Außenministerium hatte zuvor erklärt, dass der [Rotationsstopp] nicht aufgehoben worden sei. Der geplante Personalwechsel konnte daher nicht erfolgen. Derzeit wird auf allen Ebenen an Optionen gearbeitet, den Personalwechsel zeitnah durchzuführen. Vertreter der VN-Mission MINUSMA hatten am 9. August den truppenstellenden Nationen die vorübergehenden Durchführungsbestimmungen für Personalwechsel dargestellt. Das deutsche Einsatzkontingent MINUSMA und der deutsche Militärattachéstab stellten daraufhin der VN-Mission alle erforderlichen Daten und Informationen zur Administration des Fluges am 12. August zur Verfügung.“
Das Einsatzführungskommando informierte außerdem darüber: „Ein für den Personaltransport zwischen Gao und Bamako nach Mali verlegter A400M befindet sich nach einem Blitzschlag zurzeit am Flughafen Bamako. Ein Transport von Passagieren ist damit nicht mehr möglich. Nach einer Inspektion durch ein Technikerteam aus Deutschland wird dieser A400M unmittelbar nach Deutschland zurückkehren.“
Durch die Absage des Fluges des Unternehmens Kühne & Nagel konnten auch die Verstärkungskräfte zur Sicherung des Flughafens in Gao nicht in den Einsatz verlegt werden. Das Einsatzführungskommando über die Konsequenzen: „Daher werden bis auf Weiteres die Operationen der Aufklärungskräfte und die Transportflüge mit dem Hubschrauber CH-53 eingestellt, um so ausreichend Kräfte für die Flughafensicherung in Gao zur Verfügung zu haben.“
Der Pressetext des Einsatzführungskommandos zitierte schließlich auch die Ministerin, die am heutigen Freitag erklärte: „Erneut haben die malischen Machthaber der MINUSMA Überflugrechte verweigert. Die Taten [von Oberst Sadio Camara, Verteidigungsminister der malischen Übergangsregierung] sprechen eine andere Sprache als seine Worte. Daher müssen wir Maßnahmen ergreifen und stellen die Operationen unserer Aufklärungskräfte und die Transportflüge mit der CH-53 bis auf Weiteres ein.“ Lambrecht hatte am Donnerstag (11. August) mit Camara telefoniert.
Die Pressemitteilung aus Schwielowsee endet mit dem Hinweis: „Nach der Aufforderung der malischen Behörden am 1. August an die Firma Sahel Aviation Service (SAS), nach der Angehörige ausländischer Streitkräfte das Camp Senou am Flughafen Bamako zu verlassen hatten, hat das betroffene Personal der Bundeswehr seit 4. August Unterkünfte im norwegischen Camp Bifrost am Flughafen Gao bezogen. Die Nutzung funktionaler Infrastruktur im Camp Senou ist seit dem 10. August eingeschränkt möglich. Die weitere Nutzung bedarf jedoch noch einer tragfähigen Abstimmung mit malischen Behörden und der Firma SAS.“
Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin, die Bundesregierung sei weiterhin bereit, sich an dem MINUSMA-Einsatz zu beteiligen. Ein solcher Einsatz mache aber nur dann Sinn, wenn er von der Regierung in Mali auch tatsächlich unterstützt werde.
Immer noch ist unklar, ob die Verweigerung der Überflugerlaubnis bereits als Absage an das deutsche Engagement insgesamt zu werten sind. Es sei zu früh, diese Frage zu beantworten, sagte dazu ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Er fügte allerdings hinzu: „Die Signale sind relativ eindeutig.“
Die VN-Stabilisierungsmission MINUSMA gibt es in dem westafrikanischen Binnenland seit 2013. Das Mandat ist vom VN-Sicherheitsrat erst Ende Juni um ein weiteres Jahr verlängert worden. Für die Bundeswehr ist der Einsatz die derzeit größte Auslandsmission – und gilt auch als ihre gefährlichste (bislang starben im Rahmen der Ausübung ihres Dienstes in Mali 275 MINUSMA-Angehörige, darunter auch Bundeswehrangehörige).
In den vergangenen Monaten hat die malische Militärjunta die Rahmenbedingungen für MINUSMA zunehmend verschlechtert. Die Spannungen verschärften sich vor allem durch die Zusammenarbeit der Machthaber im Bamako mit der russischen Söldnertruppe „Wagner“ („Putins Schattenarmee“), die im Verdacht steht, massive Menschenrechtsverletzungen zu begehen.
Der vorübergehende (vielleicht auch endgültige) Stopp des deutschen MINUSMA-Engagements stellt die Zukunft der VN-Mission insgesamt in Frage. Es scheint, als sei dies von den Militärs in der malischen Hauptstadt so gewollt. Ulf Laessing, Leiter des Büros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Bamako, sagte am gestrigen Freitag der französischen Nachrichtenagentur AFP: „Die Aussetzung [des Bundeswehreinsatzes] beeinträchtigt die weitere MINUSMA-Mission, sie legt den Einsatz praktisch lahm.“ Aber, so gab Laessing zu bedenken: „Der Einsatz sollte nicht so ohne Weiteres beendet werden, denn das wäre ein geopolitischer Sieg Russlands. Russland könnte dann in Mali noch sehr viel aktiver auftreten.“
Im Januar dieses Jahres meldeten westliche Zeitungen, das mittlerweile russische Söldner der „Wagner“-Gruppe nach Mali gekommen seien. So berichtete Auslandskorrespondent Bernd Dörries, der seit 2017 aus Kapstadt für die Süddeutsche Zeitung über Subsahara-Afrika schreibt: „Europäische Diplomaten in Bamako bestätigen, dass die ,Wagner‘-Truppen bereits seit einigen Tagen ins Land kommen, die französische Zeitung ,Le Monde‘ spricht von mittlerweile 350 Söldnern, die bei ihrer Einreise nicht durch die üblichen Grenzkontrollen am Flughafen mussten, sondern unauffällig am Ende der Start- und Landebahn abgefertigt wurden. Malis Regierung hat bisher nur eine offizielle russische Ausbildungsmission zugegeben. Für den Kreml existiert die Söldnertruppe ohnehin nicht.“
Der Einsatz der „Wagner“-Söldner in Mali soll Dörries zufolge rund zehn Millionen US-Dollar kosten. Geld, das die Militärs in der malischen Hauptstadt nicht haben. Aber das Geschäftsmodell von „Wagner“ sei ohnehin ein ganz spezielles, so der Korrespondent der Süddeutschen. „Die Söldner kommen in gescheiterte Staaten wie den Sudan oder die Zentralafrikanische Republik, helfen schwachen Regierungen dabei, an der Macht zu bleiben und werden dafür mit Rohstoffen bezahlt. Lizenzen zum Goldabbau kämen in Mali als Gegenleistung in Frage.“
Dörries zitierte im Januar auch Christian Klatt, den Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako. Dieser – so Dörries – habe gewarnt: „Wenn wir uns zurückziehen, überlassen wir einer russischen Privatarmee das Feld und gefährden alles, was erreicht wurde. Die bisherige Ausbildung der malischen Soldaten hat dazu geführt, dass die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung zurückgegangen sind. Die malischen Kräfte können sich im Einsatz deeskalierend verhalten, kennen ihre Rolle besser.“
Im Dezember 2021 interviewte die Zeitschrift welt-sichten, deren Herausgeber ein Trägerverein mit sechs christlichen Entwicklungswerken ist, den Afrika-Experten Andrews Atta-Asamoah. Der Senior Researcher beim Institute for Security Studies – kurz ISS – hat vielfältige Forschungsinteressen: Terrorismus, Ausbreitung von Kleinwaffen in Afrika, Umweltschutz und Klimawandel, Konfliktanalyse, transnationale Sicherheit und Eigenstaatlichkeit in Afrika sowie afrikanische Friedens- und Sicherheitsfragen im Allgemeinen.
Auf die Frage von welt-sichten, ob die „Wagner“-Gruppe in anderen Ländern die Sicherheitslage verbessert habe, erklärte der ISS-Mitarbeiter: „Ganz klar: Nein! Überall, wo ,Wagner‘ aktiv war, hat sich die Situation eher verschlechtert. Das haben wir in Cabo Delgado in Mosambik gesehen, das haben wir in Khartum im Sudan gesehen. Und das haben wir in der Zentralafrikanischen Republik gesehen, wo ,Wagner‘ die Regierung im Kampf gegen Rebellen unterstützt hat. Wir haben auch gesehen, dass sich die Bevölkerung in diesen Ländern gegen die Präsenz der Söldner gewandt hat. Und: Wo multinationale Missionen etwas nicht geschafft haben oder unbeliebt waren, hat ,Wagner‘ keineswegs mehr erreicht. Im Gegenteil: Das Engagement der Söldner-Truppe steht für suspekte Vereinbarungen mit den afrikanischen Regierungen, die viele Menschen [in den betroffenen Regionen] missbilligen. In Mali wird es nicht anders laufen.“
Anfang August berichtete unter anderem der Berliner Tagesspiegel von einem vertraulichen Bericht der Vereinten Nationen, der an die Medien „durchgestochen“ wurde. Dem 78-seitigen Dokument zufolge, das auch der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorlag, sollen „weiße Soldaten“ in Zentralmali an der Grenze zu Mauretanien offenbar ein Massaker an mehr als 30 Zivilisten angerichtet haben. Die im Dienste der malischen Militärjunta stehende russische Söldnergruppe „Wagner“ wird in dem VN-Bericht laut dpa zwar nicht direkt genannt, es bestehe jedoch kein Zweifel, dass die Fachleute die durch Zeugen beschriebenen Soldaten für „Wagner“-Angehörige halten. Nicht zuletzt, weil die Art der bei der Tat benutzten Stricke, die Experten zufolge aus russischen Militärbeständen stammen, mittlerweile bekannt ist.
Mehrheitlich ist der Tenor der deutschen Medienkommentare zu den jüngsten Entwicklungen in und um Mali: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!“
So empfiehlt die Frankfurter Rundschau (frei nach diesem Motto), dass die Bundesregierung innerhalb der Vereinten Nationen darauf hinwirken sollte, den MINUSMA-Einsatz in Mali zu beenden, statt nur das Engagement der Bundeswehr auszusetzen. Um erfolgreich zu sein, fehle der Mission zu vieles, heißt es in dem Kommentar. Die malische Regierung habe mit den verweigerten Überflugrechten erneut gezeigt, wie wenig sie den internationalen Einsatz unterstützt. Auch das französische Kontingent hätten die Putschisten mit ähnlichen Entscheidungen aus dem Land getrieben. Die Militärjunta habe aber nicht nur die westlichen Staaten feindselig behandelt, sondern mit der Gruppe „Wagner“ russische Söldner ins Land geholt.
Das Straubinger Tagblatt meint kurz und bündig: „Die Schikanen der malischen Junta gegen die Bundeswehr, deren Bewegungsfreiheit und operative Optionen [dadurch] immer weiter eingeschränkt werden, können nicht weiter hingenommen werden. Darum muss nach der am Freitag erklärten Aussetzung des Einsatzes der deutschen Truppen zügig der nächste Schritt folgen: Es ist Zeit zu gehen.“
Ähnlich sieht es Alfred Schmit vom ARD-Hauptstadtstudio. In seinem Kommentar für die Tagesschau zieht er zunächst Bilanz: „Es war gut, dass die Bundeswehr bislang in Mali dabei gewesen ist, als Teil der VN-Mission MINUSMA. Die drei wichtigsten Gründe dafür: Der Einsatz hat erstens mitgeholfen, Terrorismus einzudämmen, zweitens Fluchtursachen zu bekämpfen, und drittens zivile Projekte zu ermöglichen.“ Es sei aber ebenso richtig, dass die Bundeswehr nun in Mali auf die Pausentaste drücke, so Schmit weiter. Denn damit zeige die deutsche Regierung, dass die Truppe nicht alles mit sich machen lasse, wenn sie Menschen und Material ins Ausland schicke. Und sie schiebe einen Sicherheitsriegel vor einen Einsatz, wenn sie Sicherheitslücken erkenne. Der Korrespondent kommt zu dem Schluss: „Zuletzt konnten die Bundeswehrkräfte in ihrem Camp nicht viel mehr tun, als sich gegenseitig zu sichern – das ist keine sinnvolle Entsendung mehr. Die Kraft für Einsätze gegen den Terror muslimischer Extremisten im Land fehlt. Und die Sicherheitslage verschlechtert sich zusehends. Besser ist es, dass die Bundeswehr den Abzug jetzt schon einleitet, bevor es demütigend und allzu spät wird wie vor einem Jahr in Afghanistan.“
Eine andere Meinung vertritt die Badische Zeitung. Dort heißt es: „Warum Soldaten in ein Land schicken, dessen Militärregierung keine Gelegenheit auslässt, die ausländischen Truppen zu schikanieren? Dessen Führung die Demokratie missachtet, die Nähe zum Kreml sucht und die russische Söldnertruppe ,Wagner‘ durchs Land marodieren lässt?“ Es mag verständlich sein, dass Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ein Zeichen setzen wolle und deshalb den Einsatz zunächst stoppe. Jedoch sei die Sahelzone zu wichtig für Europas Sicherheit, als dass man sie vernachlässigen oder Wladimir Putin überlassen könnte, warnt das Blatt. Schnell könnte Mali wieder ein Zufluchtsort für islamistische Terroristen werden, eine Region im Chaos versinken und Millionen zur Flucht zwingen. Der Kommentar bringt es auf den Punkt: „Dem Westen mangle es an strategischer Geduld – dieser Vorwurf war nach dem katastrophalen Abzug aus Afghanistan zu hören. (…) In Mali darf sich dieser Fehler nicht wiederholen. Auch deshalb sollte die Mission weitergehen.“
Zum Schluss unserer kleinen Presseschau noch die Mitteldeutsche Zeitung. Sie ist der Ansicht: „Nun treiben neue Schikanen den Einsatz einem vorzeitigen Ende zu. Denn ohne Überflugrechte könnte die Bundeswehr nicht weitermachen, und ohne funktionierende Rettungskette für medizinische Notfälle erst recht nicht. Auch würden die deutschen und andere Streitkräfte unter dem Dach der Vereinten Nationen mehr und mehr zwischen Militärjunta und Islamisten aufgerieben. Dabei sollten sie ja eigentlich einer demokratischen Regierung helfen, in der Bevölkerung für Vertrauen zu sorgen und so die Islamisten zurückdrängen. Dem Vernehmen nach hat die Bundesregierung keinen belastbaren Kontakt mehr zum Chef der Militärjunta und seinesgleichen. Damit fehlen zentrale Voraussetzungen für den Einsatz.“
Wie ein Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung jetzt am Montag (15. August) mitteilte, geht die Bundesregierung davon aus, dass bereits in dieser Woche wieder Verstärkungskräfte für das deutsche Kontingent der VN-Mission MINUSMA nach Mali gebracht werden können. Der nächste Flug sei für den kommenden Donnerstag (18. August) geplant, so der Sprecher, ohne weitere Details zu nennen. Für Spekulationen über Evakuierungen, möglicherweise auch von lokalen Bundeswehr-Ortskräften, gebe es derzeit keinen Anlass.
Die französische Regierung hat mittlerweile die letzten Soldaten der VN-Mission in Mali abgezogen. Wie der französische Generalstab mitteilte, überquerte am Montag (15. August) die letzte Einheit die Grenze zum Nachbarland Niger. Damit muss MINUSMA ohne die französischen Kampfhubschrauber auskommen – eine gefährliche Fähigkeitslücke.
Die Militärjunta in der malischen Hauptstadt Bamako kooperiert nach dem Abzug der letzten französischen Soldaten am Montag aus dem Lager in Gao immer unverhohlener mit Moskau. Deutsche und britische Soldaten hatten am Dienstag (16. August) das Eintreffen von offenkundig russischen Einsatzkräften auf dem Flugfeld von Gao beobachtet. Die Bundesregierung will von den Machthabern in Mali nun Auskunft über die offenkundige Präsenz der russischen Uniformierten. Denn dies sei eine Entwicklung, „die das Missionsumfeld verändert“, zitierte der SPIEGEL einen Sprecher des Auswärtigen Amtes.
Der SPIEGEL berichtete am Dienstag auch über das der Redaktion vorliegende Schreiben des Einsatzführungskommandos an den Verteidigungsausschuss und den Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, in dem die Parlamentarier über die aktuelle Entwicklung im Einsatzland unterrichtet werden. Der Flughafen von Gao, auf dem die Russen gesichtet wurden, grenzt unmittelbar an das Camp Castor des deutschen MINUSMA-Kontingents.
Nach längerer Unterbrechung fand am Donnerstag (18. August) wieder ein Flug der Bundeswehr nach Mali statt. Die Maschine mit etwa 90 Kräften an Bord landete am Nachmittag in der Hauptstadt Bamako. Dies teilte das Einsatzführungskommando mit. Der Flug erfolgte im Rahmen der angekündigten Wiederaufnahme der Bundeswehr-Personalrotation für MINUSMA.
„Damit sind die Voraussetzungen zur Ablösung des ersten vom Rotationsstopp betroffenen deutschen Personals bei MINUSMA geschaffen“, schrieb das Einsatzführungskommando auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Die zivile Maschine des Unternehmens Kühne & Nagel war am frühen Donnerstagmorgen im Auftrag der Bundeswehr vom Flughafen Flughafen Köln/Bonn aus gestartet.
Oberst Assimi Goïta, vormals Kommandeur der malischen Eliteeinheit „Autonomes Bataillon der Spezialkräfte“ („Autonomous Battalion of Special Forces and Warfare Centers, BAFS-CA) und unter anderem 2016 Kursteilnehmer des George C. Marshall European Center for Security Studies in Garmisch-Partenkirchen, führte am 19. August 2020 mit Ismaël Wagué, Malick Diaw und Sadio Camara den Putsch an, der dem damaligen Präsident Ibrahim Boubacar Keïta die Macht kostete. Noch in der Nacht erklärte Keïta seinen Rücktritt und die Auflösung des Parlaments. Die Putschisten bezeichneten sich damals in einer Fernsehansprache als „Nationalkomitees zur Rettung des Volkes“ („National Committee for the Salvation of the People“, CNSP) und erklärten, sie wollten verhindern, dass „Mali weiter im Chaos versinkt“.
Vom 25. September 2020 bis 26. Mai 2021 war Goïta Vizepräsident von Mali. Am 26. Mai 2021 zwangen er und das Militär auch den bisherigen Interimspräsidenten Bah N’Daw und Premierminister Moctar Ouane zum Rücktritt. Bah N’Daw und Ouane hätten eigentlich die Rückkehr zur Zivilherrschaft in Mali sicherstellen und Wahlen vorbereiten sollen.
In einem Erlass des Verfassungsgerichts des Landes vom 28. Mai 2021 wurde schließlich dieser zweite Putsch nachträglich legitimiert und entschieden, Goïta solle den „Übergangsprozess in Mali bis zum Ende führen“. Beide Umstürze wurden international scharf kritisiert. Die Europäische Union beschloss Sanktionen gegen fünf Junta-Mitglieder.
Die Bundeswehr engagiert sich bei MINUSMA seit dem Jahr 2013. Die EU unterstützt seit 2013 die Streitkräfte in der westafrikanischen Region, berät und schult sie, um Bedrohungen durch terroristische Gruppen effektiv entgegentreten können.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, sieht beim deutschen Auslandseinsatz in Mali – bei MINUSMA und bei EUTM Mali – seit Längerem bereits „deutlich wachsende militärische und politische Gefahren“. In einem Gespräch mit der dpa im Februar dieses Jahres in Berlin warnte Zorn vor der sich rapide verschlechternden Sicherheitslage in dem westafrikanischen Land. „Terrorgruppen breiten sich weiter aus; eine vergleichsweise sichere Zone gibt es nur rings um die Hauptstadt Bamako“, so der Generalinspekteur. Auf die politischen Spannungen mit den militärischen Machthabern in Bamako angesprochen, äußerte Zorn schon zu diesem Zeitpunkt unverhohlen: „Wir haben dort eine Regierung, die wir als nicht demokratisch legitimiert verstehen. Dass diese erst in fünf Jahren Wahlen abhalten will, ist für uns ein untragbarer Zustand. Ein ,Weiter so‘ kann es so nicht geben!“
Die „Wagner“-Gruppe ist weltweit im Einsatz und kämpft im Auftrag der russischen Regierung. Offiziell wird die Existenz der Söldnerarmee bestritten. Der Einsatz der Söldner-Truppe gilt als die Fortführung des Kalten Krieges mit dem Ziel, die westlichen Mächte zu destabilisieren, Fake News zu verbreiten und Zivilisten durch gezielte Tötungen einzuschüchtern.
Mehr als ein Jahr lang haben die französisch-russische Journalistin Ksenia Bolchakova und die französische Drehbuchautorin Alexandra Jousset recherchiert, um Informationen über die „Wagner“-Gruppe und ihren Finanzier, den Oligarchen Jewgeni Prigoschin, zu sammeln
Am 2. Juni 2022 erschien bei ZDFinfo ihre Dokumentation „Putins Schattenarmee – die Gruppe ,Wagner‘“. Der rund 58 Minuten lange Beitrag, der unter anderem Augenzeugenberichte, Drohnenvideos und Telegram-Propagandafilme enthält, zeichnet ein scharfes Bild der brutalen Vorgehensweise der „Wagner“-Angehörigen, die in Syrien, in afrikanischen Staaten und nun auch in der Ukraine die Bevölkerung terrorisieren und Russlands Interessen durchsetzen wollen. Die Doku von Bolchakova und Jousset ist noch bis zum 31. März 2031 verfügbar und erreichbar unter folgendem Link:
https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/putins-schattenarmee-die-gruppe-wagner-oligarchen-soeldner-kriege-100.html
Kurze Zeit später, am 29. Juni 2022, zeigte das investigative ZDF-Politmagazin „Frontal21“ die rund neun Minuten dauernde Dokumentation „Die Söldner der ,Wagner‘-Gruppe“, die Bolchakova und Jousset gemeinsam mit ZDF-Redakteur Joachim Bartz produziert haben. Dieses Video finden Sie hier:
https://www.zdf.de/politik/frontal/putins-schattenarmee-die-soeldner-der-gruppe-wagner-youtube-100.html
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Unser Bild zeigt einen Aufklärungstrupp der Bundeswehr in der malischen Wüste. Die Soldaten vom Gebirgsaufklärungsbataillon 230 aus Füssen nutzen bei MINUSMA das Spähfahrzeug Fennek.
(Foto: Frank Wiedeman/Bundeswehr)
Kleines Beitragsbild: Bundeswehrangehöriger in Mali vor einem Gefechtsfahrzeug des MINUSMA-Kontingents.
(Foto: PAO DEU EinsKtgt MINUSMA/Bundeswehr)