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Berlin/München. Auf einer Pressekonferenz des südafrikanischen Gesundheitsministeriums am Mittwoch vergangener Woche (24. November) wurde über die Identifizierung einer neuartigen Virusvariante des SARS-CoV-2 berichtet, die der Pangolin-Linie B.1.1.529 (siehe HINTERGRUND) zugeordnet wird. Das Ganze steht im Kontext eines ungewöhnlich starken Anstiegs von COVID-19-Fälle in der südafrikanischen Provinz Gauteng, zu der auch die Großstadt Johannisburg gehört. Bisher gibt es mehr als einhundert Nachweise in Gauteng. Am vergangenen Freitag (26. November) erklärte die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (World Health Organization, WHO) B.1.1.529 Omikron zur „besorgniserregenden Virusvariante“. Inzwischen gibt es (teils einzelne) Nachweise in mehr als zehn Ländern weltweit, auch in Europa. Die Nachweise erfolgten insbesondere bei Reiserückkehrern aus Afrika. Auch in Deutschland wurden bereits erste Fälle bei Reiserückkehrern aus Südafrika entdeckt.

Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (IMB) in München hat am heutigen Montag (29. November) Fachinformationen zur neuen Omikron-Variante – B.1.1.529 – veröffentlicht, die wir unseren Lesern aus verständlichen Gründen nicht vorenthalten wollen. Die Informationen stammen von Oberstarzt Prof. Dr. Roman Wölfel, Oberstabsveterinär Dr. Katharina Müller und Oberstabsveterinär Dr. Rosina Ehmann.

Das IMB ist eine Ressortforschungseinrichtung des Bundes für den Bereich „Medizinischer B-Schutz“. Am Institut werden Verfahren und Maßnahmen entwickelt, um Bundeswehrangehörige vor Erkrankungen durch biologische Kampfstoffe zu schützen und ihnen im Falle einer Erkrankung zu helfen. Das Institut befasst sich wissenschaftlich mit einer Vielzahl von Infektionserregern und Biogiften, die potenziell als B-Kampfstoffe eingesetzt werden können. Dabei handelt es sich um in der Natur selten vorkommende Erreger oder Toxine, die in der Regel schwere – zum Teil tödliche – leicht von Mensch zu Mensch übertragbare und schwierig zu behandelnde Erkrankungen auslösen können.

Nun zu den Fachinformationen der IMB-Experten über die neue Virusvariante Omikron, die derzeit weltweit große Sorgen bereitet:


Wie alle Viren verändert sich auch SARS-CoV-2 mit der Zeit durch Mutationen in seinem Erbgut. Dabei setzen sich diejenigen Mutationen durch, die dem Virus einen Vorteil verschaffen. Seitdem sich SARS-CoV-2 ausbreitet, bilden sich daher auch immer wieder neue Virusvarianten. Dennoch entsteht dabei nicht innerhalb kurzer Zeit ein „Supervirus“.

Viele für das Virus zunächst scheinbar nützliche Veränderungen haben auch negative Effekte auf andere Bereiche der Virusfunktion. So lässt sich erklären, warum von zahlreichen Varianten, die weltweit unter Beobachtung gestellt wurden, bisher nur zwei, nämlich Alpha und danach Delta zu einem globalen Problem geworden sind. Gerade im Frühstadium des Auftretens einer neuen Variante wird diese umfangreich im Labor untersucht. Bis Ergebnisse vorliegen, ist die engmaschige Überwachung ihrer Verbreitung und die Begrenzung einer Verschleppung in andere Gebiete besonders wichtig.

Erste Omikron-Fälle in Deutschland derzeit in häuslicher Isolation

Die jetzt beschriebene Variante Omikron (B.1.1.529) wurde im November 2021 in Südafrika entdeckt und kurz darauf ebenfalls in Botswana und Hongkong nachgewiesen. Weitere Meldungen über Infektion gibt es mittlerweile aus Israel, Australien und zahlreichen europäischen Ländern.

Am 25. November wurde die Omikron-Variante erstmals auch in Deutschland bei zwei Reisenden festgestellt, die mit einem Flug aus Südafrika am Flughafen München angekommen waren. Beide Personen befinden sich derzeit in häuslicher Isolation.

Trotz Schnittmenge mit älteren Varianten eine Reihe zusätzlicher Mutationen

Die Omikron-Variante unterscheidet sich recht deutlich von den anderen bisher bedeutsamen Alpha-, Beta- und Delta-Varianten. Zwar besteht eine Schnittmenge an gemeinsamen Mutationen, Omikron weist jedoch auch eine Reihe zusätzlicher Mutationen auf.

Aufmerksamkeit erregt vor allem die große Anzahl von Mutationen im Spike-Protein. Viele dieser Mutationen befinden sich dabei ausgerechnet in der sogenannten „Rezeptorbindedomäne“. Das ist der Bereich des Spike-Proteins, der für das Eindringen der Viruspartikel an menschliche Zellen eine entscheidende Rolle spielt. Veränderungen in diesem Bereich können auch dazu führen, dass schützende Antikörper nicht mehr binden und Viren ungehindert Zellen infizieren können.

Eventuell eine höhere Übertragbarkeit des Virus

Eine andere Gruppe von Mutationen in der Omikron-Variante betrifft die sogenannte Furin-Spaltstelle. die ebenfalls Teil des Spike-Proteins ist. Veränderungen an ihr können zu einer erhöhten Übertragbarkeit des Virus führen oder auch die Ausbreitung des Virus in verschiedene menschliche Organe erleichtern. Zwei weitere bei Omikron vorhandene Spike-Mutationen sind außerdem bekannt dafür, die Bindung des Virus an den menschlichen Zellrezeptor ACE2 stark zu erhöhen.

Außerdem liegen bei der Omikron-Variante noch weitere Mutationen in anderen Bereichen des Virusbauplans vor: Für eine davon, die im sogenannten open reading frame (ORF) 1a liegt, gibt es Hinweise, dass sie dem Virus bei der Umgehung bestimmter Teile des Immunsystems helfen könnte. Zwei zusätzliche Mutationen im Nukleokapsid-Gen des Virus sind auch von anderen Varianten bekannt und führen zu einer höheren Virusproduktion bei infizierten Menschen. Dadurch verbessern sie die Übertragbarkeit des Virus von Mensch-zu-Mensch.

Spezielles Merkmal zu diagnostischen Zwecken nutzbar

Eine weitere Mutation, nämlich der Wegfall eines kleinen Stücks im Bauplan des Spike-Proteins, wird als „69/70-Deletion“ bezeichnet. Diese Veränderung ist auch bereits bei früheren Virusvarianten, wie der Alpha- und der Eta-Variante aufgetreten.

Der Vorteil dieser Deletion für das Virus ist bislang unklar. Man kann sich dieses Merkmal aber zu diagnostischen Zwecken zunutze machen: Falls keine Möglichkeiten zur Genomsequenzierung vorhanden sind, kann diese Deletion im Labor zur vorläufigen Erkennung des Virus dienen. Denn bei der derzeit in Deutschland zu 99% vorherrschenden Delta-Variante ist die 69/70-Deletion nicht enthalten. Da sie jedoch bei den anderen genannten Varianten vorkommt, muss man darauf achten, diese nicht leichtfertig mit der Omikron-Variante zu verwechseln.

WHO stuft Omikron-Variante als „besorgniserregend“ ein

Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften wurde die Omikron-Variante bereits kurz nach ihrer Entdeckung von der WHO als „besorgniserregend“ eingestuft. Auch die EU-Gesundheitsbehörde, das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC), bewertet die Gefahr einer EU-weiten Ausbreitung aktuell als „hoch bis sehr hoch“.

Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr überwacht seit Beginn der Coronavirus-Pandemie die Ausbreitung von Virusvarianten bei Bundeswehrangehörigen. Im Rahmen dieser SARS-CoV-2-Genomsurveillance des IMB wurde bisher weder die Omikron-Variante, noch eine mit ihr näher verwandte SARS-CoV-2 Variante in einem der Einsatzgebiete nachgewiesen.

Neue Variante kann wohl mit etabliertem PCR-Test erkannt werden

Die Genabschnitte des Virus, die für die PCR-Diagnostik verwendet werden, sind bei Omikron kaum oder gar nicht verändert. Diese neue Variante wird also genauso sicher mit den in der Bundeswehr und im Einsatz etablierten PCR-Tests erkannt werden. Die Nachweisbarkeit aller Varianten von SARS-CoV-2 durch Antigen-Schnelltests wurde bereits ausführlich durch das IMB untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass die Empfindlichkeit der Antigen-Schnelltests, unabhängig von der Virusvariante, im Vergleich zum PCR-Test immer deutlich geringer ist.

Die meisten Schnelltests identifizieren das Virus über sein Nukleokapsid-Protein. Die Omikron-Variante weist hier keine Mutationen auf, die eine Beeinträchtigung der Funktion von Antigen-Schnelltests erwarten lassen. Allerdings muss dies erst noch in Laborversuchen mit einem Omikron-Virusisolat bestätigt werden.

Weitere belastbare Daten sind dringend erforderlich

Über das sogenannte Immun-Escape-Potenzial der Omikron-Variante, also ihre Fähigkeit der Körperabwehr zu entkommen, liegen bisher noch keine ausreichend belastbaren Daten vor. Solche Untersuchungen werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Betrachtet man die vielen Mutationen bei der Omikron-Variante, dann ist es allerdings durchaus denkbar, dass diese Virusvariante dem Immunsystems zumindest teilweise besser ausweichen kann, als andere derzeit verbreitete Virusvarianten.

Nur konsequente Impfung kann Coronavirus-Übertragung verlangsamen

Aber selbst, wenn dies der Fall sein sollte, ist weiterhin davon auszugehen, dass die verfügbaren Impfstoffe immer noch ein hohes Maß an Schutz vor schweren Krankheitsverläufen und Tod bieten werden. Die derzeit in Deutschland verwendeten Coronavirusimpfstoffe führen bei den Geimpften nicht nur zur Produktion vieler unterschiedlicher Antikörper. Sie lösen zusätzlich auch die Bildung spezielle Abwehrzellen gegen das Virus aus. Diese breite Reaktion des Immunsystems bietet auch Schutz gegen neue Varianten von SARS-CoV-2.

Die Impfung und insbesondere auch die Booster-Auffrischung sind deshalb nach wie vor unser stärkstes Werkzeug gegen die Pandemie. Nur durch konsequente Impfung können wir die Coronavirus-Übertragung verlangsamen, die Belastung des Gesundheitssystems verringern und damit zum Schutz der Gesellschaft beitragen.


Hintergrund                           

Wieso heißt die neue Corona-Variante eigentlich „Omikron“ oder trägt die Bezeichnung B.1.1.529? Die WHO hat Ende Mai dieses Jahres beschlossen, einzelne Varianten nach dem griechischen Alphabet zu benennen. Damit will die Organisation vermeiden, dass Länder oder Regionen mit bestimmten Virusvarianten in Verbindung gebracht und Menschen, die dort leben oder von dort kommen, diskriminiert werden.

Nach dem neuen Schema heißt die zuerst in Großbritannien aufgetauchte Virusvariante B.1.1.7 nun „Alpha“, die in Südafrika entdeckte Variante B.1.351 „Beta“ und die in Brasilien erstmalig nachgewiesene Variante P.1 „Gamma“. Die zuerst in Indien entdeckte besonders ansteckende Coronavirus-Variante B.1.617.2 ist die Variante „Delta“. Dies sind die zurzeit von der WHO aufgeführten „besorgniserregenden Varianten“. Weitere „Varianten von Interesse“ sind ebenfalls mit Buchstaben aus dem griechischen Alphabet versehen worden.

Die neue Bezeichnung soll laut WHO vor allem die öffentliche Diskussion um Corona-Varianten erleichtern und neutral gestalten. Die drei bisher gängigen wissenschaftlichen Nomenklaturen seien für Laien schwer zu merken, unter Forschenden sollen sie aber beibehalten werden, so die Organisation weiter.

Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich seit dem ersten Auftreten stetig verändert und tausende Einzelmutationen und Kombinationen aus Mutationen entwickelt. In gut sortierten Datenbanken können Wissenschaftler diese Veränderungen anhand von Gensequenzen verfolgen. Dazu zählen beispielsweise die Datenbank GISAID in München, die Datenbank PANGO Lineages von drei britischen und einer australischen Universität sowie die Nextstrain-Datenbank von Forschenden aus den USA und der Schweiz.

Die PANGO-Nomenklatur beruht auf einer Kombination aus Buchstaben und Ziffern (beispielsweise B.1.1.7), die die zeitliche Reihenfolge des Erscheinens von neuen Virusvarianten und die Abstammung von vorherigen Varianten darstellen.


Zu unserem Bildangebot: Symboldarstellung „Coronavirus SARS-CoV-2“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Bild: Gerd Altmann/unter Pixabay License = freie kommerzielle Nutzung, kein Bildnachweis erforderlich/Bild genutzt und verbreitet vom Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr)


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