Berlin. Ein Beitrag im Magazin WirtschaftsWoche (WiWo) am 22. April hat für derartige Unruhe gesorgt, dass sich die FDP-Bundestagsfraktion am 6. Juni zu einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung genötigt sah. Die WiWo hatte Berliner Rüstungskreise zitiert und berichtet, dass der Bundeswehr „massive Einsparungen bei der Beschaffung des Schützenpanzers Puma“ drohten. Es gäbe demnach, so das Magazin, im Bundesministerium der Verteidigung „weit gediehene Pläne, die geplanten Investitionen auf unbestimmte Zeit zu verschieben oder auch ganz zu stornieren“. Hierunter würde auch die „bereits auf das Jahr 2022 verschobene zweite Bestellung über 220 Exemplare“ des Waffensystems fallen. Weiter hatte die WiWo berichtet, dass außerdem „die angelaufene technische Nachrüstung der bereits gelieferten 350 Puma-Fahrzeuge auf den Standard VJTF bis auf weiteres gestoppt“ werden solle (Anm.: Very High Readiness Joint Task Force Speerspitze/Schnelle Eingreiftruppe der NATO).
Die Fragesteller – unter anderem die Bundestagsabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff, Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Pascal Kober – machten in ihrer Vorbemerkung deutlich, dass sie mit ihrer Kleinen Anfrage in Erfahrung bringen wollen, „inwiefern diese Aussagen zutreffend sind und welche Auswirkungen, nach Einschätzung der Bundesregierung, hiermit einhergehen“.
Große Teile der Regierungsantwort vom 12. Juli bezüglich der Ausstattung der Bundeswehr mit Schützenpanzern sind als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft worden. Diese Antworten können nur von berechtigten Abgeordneten eingesehen werden. Einerseits verständlich, andererseits schade. Denn etliche Fragen der Freidemokraten sind von weitreichender Bedeutung. So wollten diese beispielsweise wissen: „Welchen strukturellen Bedarf gibt es insgesamt an Schützenpanzern in der Bundeswehr?“ Oder: „Wie viele der in Nutzung befindlichen Schützenpanzer sind aus Sicht der Bundesregierung uneingeschränkt gefechtstauglich?“ Nicht ohne ist auch die Frage: „Sind die vorhandenen Schützenpanzer Marder in allen Varianten und die Schützenpanzer Puma in der Basisversion für Aufgaben im Bereich Landes- und Bündnisverteidigung geeignet? Wenn nein, wie, und bis wann soll diese Lücke geschlossen werden?“
Aber auch mit eingeschränkten Antworten ist die Bundestagsdrucksache 19/31491 zum Themenkomplex „Schützenpanzer Puma“ immer noch voller interessanter Aussagen und Informationen. Das Wichtigste vorweg: Die Bundesregierung plant keine Reduzierung der Panzergrenadierbataillone der Bundeswehr. Sie versicherte vielmehr: „Die am 18. Mai 2021 durch [Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer] und [Generalinspekteur Eberhard Zorn] veröffentlichten Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft werden grundsätzlich keine Auflösung von Verbänden (und somit keine Auflösung von Panzergrenadierbataillonen) und Standortaufgaben oder Änderungen am Zielumfang des militärischen und zivilen Personals der Bundeswehr zur Folge haben.“
Auf die Frage nach der Beauftragung eines zweiten Puma-Loses antwortete die Bundesregierung: „Nach derzeitiger Planung ist eine Entscheidung über das zweite Los Schützenpanzer Puma im Jahr 2022 vorgesehen.“
Deutlich fiel auch die Antwort auf die Frage der FDP-Abgeordneten nach einem möglichen Stopp einer „schon angelaufenen Hochrüstungen bereits gelieferten Puma-Exemplare“ aus. Ein solcher Stopp sei nicht vorgesehen, erklärte die Regierung.
Auf die Frage der Parlamentarier, inwiefern die Bundesregierung den Bericht in der WirtschaftsWoche bestätigen könne, dass die Bundeswehr aufgrund von „spürbare[n] Mehrkosten bei anderen Großbeschaffungen“ Kürzungen vornehmen müsse, heißt es in der Antwort: „Nach dem Entwurf des 55. Finanzplanes auf der Basis des Eckwertebeschlusses der Bundesregierung vom 24. März 2021 soll der Verteidigungshaushalt im Jahr 2022 zwar ansteigen, vom Jahr 2023 an aber im Wesentlichen auf der Linie des 54. Finanzplanes fortgeschrieben werden. Der dabei notwendigerweise vorrangig zu finanzierende Anteil der Betriebsausgaben (beispielsweise Materialerhaltung, Betreiberverträge, Personal und Versorgung sowie Infrastruktur) steigt unter anderem inflationsbedingt kontinuierlich an.“
Daraus ergebe sich, dass für Rüstungsinvestitionen ein vom Jahr 2023 an stark abfallendes Finanzvolumen zur Verfügung stehe. Die Priorisierungsentscheidungen seien demnach primär auf das zur Verfügung stehende Finanzvolumen für Rüstungsinvestitionen und die daraus resultierenden eingeschränkten Möglichkeiten zur Finanzierung und damit Realisierung von Vorhaben zurückzuführen, so die Regierung. Mehrkosten bei Vorhaben seien aus demselben Finanzvolumen zu decken.
Auch über den von der FDP thematisierten Widerspruch zwischen „der Zusage aus dem Jahr 2019, dass ,die Finanzierung einer Vielzahl größerer Rüstungsvorhaben‘ gesichert sei und den aktuellen Berichten über massive Einsparungen“ nahm die Bundesregierung Stellung. Sie erklärte dazu: „Ziel einer jeden Haushaltsaufstellung ist es zunächst regelmäßig, die im Haushalt des Vorjahres veranschlagten Vorhaben erneut mit ausreichend Mitteln zu hinterlegen, um diese umsetzen beziehungsweise fortsetzen zu können. Eine deutlich fallende Finanzlinie für Rüstungsinvestitionen führt im Folgehaushalt unter Umständen dazu, dass Vorhaben, die noch nicht unter Vertrag genommen werden konnten, nicht mehr finanzierbar sind, was den augenscheinlichen Widerspruch erklärt.“
Zu den beschäftigungspolitischen Dimensionen des Rüstungsprojektes „Schützenpanzer Puma“ macht die Bundestagsdrucksache ebenfalls aufschlussreiche Angaben. So sollen bereits auf der ersten Ebene der Unterauftragnehmer (unterhalb der Konzerne Rheinmetall Landsysteme GmbH und Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG) mehr als 400 Einzelunternehmen am Projekt beteiligt sein. Dies habe eine Gesamtbetrachtung der Industrie aus dem Jahr 2019 ergeben. Insbesondere die großen Unterauftragnehmer hätten jeweils noch eine erhebliche Anzahl an Sublieferanten. All diese Unternehmen hätten zusammen mehr als 120.000 Beschäftigte, so die Regierungsangaben. Hierbei seien auch Teilelieferanten aus multinationalen Konzernverbänden anteilig mit der Zahl der Mitarbeiter des jeweiligen Konzerns berücksichtigt.
Etwa fünf Prozent der mit dem Projekt „Puma“ beauftragten Firmen seien ausschließlich im Ausland (Belgien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Israel, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweiz, Slowakei, Tschechische Republik und USA) angesiedelt, heißt es weiter. Hierbei handele es sich um 20 Unternehmen.
Inländische Unternehmen seien mit etwa 85 Prozent der Gesamtkosten des Schützenpanzers Puma beauftragt. Die ausschließlich im Inland angesiedelten Unternehmen, die mit dem Puma-Projekt zu tun hätten, beschäftigten zusammen rund 40.000 Menschen.
Im Zusammenhang mit diesen Größenordnungen erinnerte die Bundesregierung in ihrer Antwort abschließend auch noch einmal an die nationale Bedeutung dieses großen Rüstungsvorhabens.
Sie schreibt: „Im Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland vom 14. Februar 2020 sind unter anderem die Technologiebereiche ,Geschützte/gepanzerte Fahrzeuge‘ als nationale verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien festgelegt worden. Der Erhalt und die Förderung der hierunter zu subsumierenden Technologien sind daher von nationalem Sicherheitsinteresse der Bundesrepublik Deutschland. Eine ausreichende und planbare Auslastung der Ingenieurs- und Fertigungskapazitäten ist demnach für die Versorgungssicherheit der Bundeswehr sowie die Kooperationsfähigkeit und industrielle Beitragsfähigkeit in den Bündnissen von besonderer Bedeutung.“
Unser Symbolbild „Schützenpanzer Puma“ entstand am 9. März 2021 bei der Einsatzprüfung des Waffensystems auf dem Truppenübungsplatz Bergen. Es zeigt Angehörige des Panzergrenadierbataillons 112 bei einer Gefechtsübung mit dem Puma.
(Foto: Maximilian Schulz/Bundeswehr)
Kleines Beitragsbild: Einsatzprüfung Schützenpanzer Puma am 9. März 2021 auf dem Truppenübungsplatz Bergen. Der Zugführer übermittelt bei der Gefechtsübung ein Lagebild an die Kräfte des Panzergrenadierbataillons 112.
(Foto: Maximilian Schulz/Bundeswehr)