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Weilheim/Penzberg/Koblenz/Haifa (Israel). Das bayerische Wehrtechnikunternehmen EMT Ingenieurgesellschaft Dipl.‐Ing. Hartmut Euer mbH – kurz EMT (ursprünglich für „Elektro-Mechanische Technologien GmbH“) – ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die Hightech-Firma, die die Bundeswehr seit Jahren mit unbewaffneten Aufklärungsdrohnen beliefert, hat Ende vergangenen Jahres beim Amtsgericht Weilheim ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt, um sich sanieren zu können.

Am 4. Dezember 2020 stimmte das Amtsgericht dem Antrag von EMT auf eine „vorläufige Eigenverwaltung über das Vermögen der Gesellschaft“ zu. Die Firma darf sich nach der Insolvenzordnung nun selber sanieren und kann unter Aufsicht eines Sachwalters über seine Insolvenzmasse verfügen. Als Grund der Antragstellung beim Amtsgericht Weilheim nannte EMT „Liquiditätsschwierigkeiten“. In einer am 4. Dezember veröffentlichten Pressemitteilung des Unternehmens heißt es unter anderem: „Infolge des gegen einen Kunden verhängten Embargos konnten geplante Auslieferungen nicht erfolgen, was zu erheblichen Einnahmeausfällen führte. Hinzu kamen zuletzt Verzögerungen in der Fertigstellung von Auftragsdokumentationen, was weitere Liquiditätslücken entstehen ließ.“

Fachmedien spekulierten, dass eine stornierte Bestellung aus Saudi-Arabien der Grund für die „erheblichen Einnahmeausfälle“ sein könnte. Dazu könnte eine Grundsatzentscheidung der Bundesregierung beigetragen haben.

Im Dezember 2019 hatte Viktoria Spinrad, Mitarbeiterin der Süddeutschen Zeitung, die Entwicklung bei EMT untersucht und mit dem damaligen Geschäftsführer Wolfgang Brand gesprochen (Brand übergab den Aufgabenbereich zum 1. Januar 2020 an Thomas Heinze, zuvor Programmleiter des unbemannten luftgestützten Aufklärungssystems LUNA NG/B). Der scheidende Geschäftsführer habe sie darauf hingewiesen, so die Journalistin, dass die Bundesregierung Ende 2018 nach der Ermordung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien komplett gestoppt habe, auch bereits genehmigte. Davon sei auch EMT betroffen gewesen. Wie groß die Verluste waren, die EMT durch den Exportstopp hatte hinnehmen müssen, hatte Spinrad nicht in Erfahrung bringen können. Unbeantwortet war auch ihre Frage geblieben, warum das Penzberger Unternehmen wohl bereits 2016 und 2017 rote Zahlen geschrieben hatte.

Gescheiterte Verhandlungen mit dem Koblenzer Beschaffungsamt

Laut Pressemitteilung vom EMT seien auch gescheiterte Verhandlungen mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz ein Grund dafür gewesen, warum man den Schritt in die Eigenverwaltung gegangen sei. Das Verfahren „Sanierung in Eigenverwaltung“ – so der Pressetext weiter – erlaube „die erfolgreiche Restrukturierung der Gesellschaft, die Fortführung des Geschäftsbetriebes und den Erhalt der Arbeitsplätze“. EMT beschäftigt rund 210 Mitarbeiter an den Standorten Penzberg, Iffeldorf, Abenberg sowie Osterrönfeld.

Noch im Oktober 2018 hatte der Drohnen-Hersteller mit der ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH eine Vereinbarung zur zukünftigen Zusammenarbeit unterzeichnet (wir berichteten). Wie die Kooperationspartner danach in einem gemeinsamen Pressestatement erklärt hatten, sollten „sich ergänzende Portfolios und Kapazitäten von ESG und EMT im Rahmen konkreter Projekte“ so gebündelt werden, dass dadurch „gleichsam die Fähigkeiten eines nationalen Systemhauses für taktische UAS“ (UAS: Unmanned Aircraft System/unbemanntes Luftfahrzeugsystem) abgebildet werden würde.

Redaktioneller NACHBRENNER I

Der im israelischen Haifa ansässige Rüstungskonzern Rafael Advanced Defense Systems Ltd. wird möglicherweise den Drohnen-Produzenten EMT übernehmen. Dies berichteten jetzt im April übereinstimmend mehrere Print- und Online-Medien. Die Meldungen stützten sich dabei vor allem auf eine Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin der Verteidigung Thomas Silberhorn auf eine Frage des Bundestagsabgeordneten Tobias Pflüger (Die Linke). Dieser wollte unter anderem wissen, ob der Bundesregierung bekannt ist, „inwiefern der Waffenhersteller [Rafael] erwägt oder plant, die insolvente deutsche Drohnen-Firma [EMT] zu übernehmen“.

Der israelische Rüstungskonzern Rafael habe dem BAAINBw schriftlich mitgeteilt, dass er „eine exklusive Vereinbarung“ zur Übernahme der Firma EMT Ingenieurgesellschaft Dipl.-Ing. Hartmut Euer mbH mit dem derzeitigen Generalbevollmächtigten im Insolvenzverfahren habe, so Silberhorn am 21. April 2021. Der Erwerb stehe allerdings unter dem Vorbehalt einer noch durchzuführenden Investitionsschutzprüfung.

Redaktioneller NACHBRENNER II

Die Bundeswehr hat vor vier Jahren bei EMT für rund 63 Millionen Euro neue Aufklärungsdrohnen mittlerer Reichweite bestellt. Ein entsprechender Vertrag zwischen der Penzberger Firma und dem BAAINBw war am 11. Juli 2017 in Koblenz unterzeichnet worden. Gegenstand des Beschaffungsvertrages sind Systeme des Typs LUNA NG (Komplettbezeichnung „Luftgestützte Unbemannte Nahaufklärungsausstattung Next Generation“). LUNA NG ist der Nachfolger für LUNA und für das Kleinfluggerät Zielortung (KZO).

Die Aufklärungsdrohne LUNA NG ist ein Hochleistungsmotorsegler mit einer Spannweite von rund fünf Metern. Die Drohne kann mehr als zwölf Stunden in der Luft bleiben und dabei mehrere Sensoren gleichzeitig für die Aufklärung nutzen. Nutzlast und Einsatzdauer haben sich gegenüber dem Vorgängermodell nahezu verdoppelt – dies ermöglicht ein breiteres Einsatzspektrum. Ein System LUNA NG besteht aus fünf Luftfahrzeugen mit Sensorik, zwei Bodenkontrollstationen in geschützten Funktionscontainern, einer Werkstattausstattung sowie zwei Start- und zwei Landevorrichtungen.

Wie EMT am 2. September 2020 in einer Pressemitteilung bekanntgegeben hatte, hat das Kölner Luftfahrtamt der Bundeswehr inzwischen „nach umfangreichen Testläufen, Versuchsflügen und der dazugehörigen aufwendigen Dokumentation“ für die LUNA NG/B in digitaler Konfiguration die vorläufige Verkehrszulassung erteilt. Damit könne die LUNA NG/B in einem Flugbeschränkungsgebiet eingesetzt werden, so der Hersteller.

Am 7. Mai nannte Staatssekretär Silberhorn auf eine entsprechende Anfrage des Linken-Abgeordneten Pflüger weitere interessante Details zum Projekt „LUNA“. Mit Blick auf die Insolvenz von EMT und das publik gewordene Kaufinteresse von Rafael versicherte der Vertreter des Verteidigungsministeriums: „Die mit der Bundeswehr geschlossenen Verträge sind weiterhin gültig!“ Für die Auslieferung der Systeme LUNA NG seien folgende Termine vereinbart:
Erstes Los
1. Seriensystem 15. Mai 2020
2. und 3. Seriensystem 30. November 2020
Zweites Los
4. Seriensystem 29. März 2021
5. Seriensystem 26. Juli 2021
6. Seriensystem 22. November 2021
7. Seriensystem 28. März 2022
8. Seriensystem 25. Juli 2022
9. Seriensystem 21. November 2022
10. Seriensystem 3. April 2023
11. Seriensystem 31. Juli 2023
12. Seriensystem 20. November 2023

Weiter erklärte Silberhorn: „Das laufende Insolvenzverfahren wirkt sich auf den Terminplan des Projekts ,LUNA NG‘ und damit auf die Liefertermine aus. Bislang ist keine Auslieferung erfolgt. Genaue Aussagen sind erst möglich, wenn der Prozess der Fusion oder Übernahme abgeschlossen ist.“ Die Bundeswehr sei grundsätzlich weiterhin daran interessiert, das System LUNA NG künftig mit einer VTOL-Fähigkeit (VTOL: Vertical Take-Off and Landing) für senkrechte Starts und Landungen zu beschaffen, so der Staatssekretär abschließend.


Die Aufnahme zeigt den Eingangsbereich des EMT-Hauptsitzes in Penzberg, Oberbayern.
(Foto: EMT Ingenieurgesellschaft Dipl.‐Ing. Hartmut Euer mbH)

Kleines Beitragsbild: EMT-Standort Osterrönfeld in Schleswig-Holstein. In der Gemeinde, die an der Südseite des Nord-Ostsee-Kanals gegenüber der Stadt Rendsburg liegt, produziert das Unternehmen das Fluggerät ALADIN (Abbildende luftgestützte Aufklärungsdrohne im Nächstbereich).
(Foto: EMT Ingenieurgesellschaft Dipl.‐Ing. Hartmut Euer mbH)


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