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München/Berlin. Wie ein Damoklesschwert hängt die neue SARS-CoV-2-Variante B.1.1. über ganz Europa. Die Mutation, zuerst in Großbritannien aufgetreten, konnte durch das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (IMB) in München bereits am 22. Dezember 2020 bei einem Reiserückkehrer aus Großbritannien durch die Sequenzierung des Genoms nachgewiesen werden.

Privatdozent Dr. Roman Wölfel, Leiter des Instituts, erklärt dazu: „Es ist ganz natürlich, dass Corona-Viren genauso wie etwa Influenza-Viren immer wieder mutieren.“ Corona-Viren seien bei der Mutation sogar eher langsam, weil sie sich darum bemühten, vergleichsweise wenig Fehler in ihr Genom einzubauen, so der Oberstarzt. „Bei der Variante B.1.1.7 hat sich unter anderem das für den Eintritt in die menschliche Zelle verantwortliche Spike-Protein verändert. Mutationen an dieser sensiblen Stelle des Virus können deshalb leicht Auswirkungen auf seine Infektionseigenschaften haben.“

Schon zu Beginn der Pandemie war es den Forschern des IMB innerhalb von nur drei Tagen gelungen, eine der ersten außerhalb von China gewonnenen Gesamtgenomsequenzen des neuartigen Corona-Virus auf einer der weltweit größten Datenbank für Genome zur Verfügung zu stellen (Datenbank der GISAID-Initiative). Auch die Sequenz der Variante B.1.1.7 wurde dort umgehend international zugänglich gemacht.

Mögliche Auswirkungen auf eine Corona-Impfung

Das Bundeswehr-Institut beobachtet von Beginn an die weitere Ausbreitung von SARS-CoV-2 sehr genau. Es untersucht zudem potenzielle Auswirkungen der Mutationen auf die Diagnostik und die Wirksamkeit einer Impfung. Dabei arbeiten die Münchner mit universitären Partnern zusammen.

Wölfel erläutert: „Derzeit werden die mutierten Viren weltweit in Laboren untersucht. Dabei wird auch Blutserum von Menschen eingesetzt, die geimpft wurden oder die COVID-19 bereits überwunden haben.“ Die Forscher schauten sich dann an, inwiefern die Antikörper im Blut dieser Menschen auch die veränderten Viren neutralisieren könnten. Ersten Ergebnissen zufolge scheinen die Antikörper – trotz gewisser Unterschiede in der Abwehrreaktion – auch vor den mutierten Varianten zu schützen.

Mutationsverhalten von Corona-Viren weiter beobachten

Genomsequenzierungen werden in Deutschland genauso durchgeführt wie in Großbritannien. Unabhängig von der SARS-CoV-2-Pandemie hat sich Großbritannien aber schon länger auf Genomsequenzierungen fokussiert. Dadurch ist das Land jetzt auch in der Lage, sehr viele Patienten auf diese Virusmutation hin zu untersuchen.

„Es ist auf jeden Fall sinnvoll, die Zahl der Genomsequenzierungen auch in Deutschland zu steigern“, empfiehlt Wölfel. Es gehe dabei ja nicht nur um die in Großbritannien und Südafrika entdeckten Varianten, sondern auch darum, das natürliche Mutationsverhalten von Corona-Viren weiter zu beobachten.

Mittlerweile rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland geimpft

Um die Virus-Mutation mit dem Namen B.1.1.7 ging es auch am heutigen Dienstag (19. Januar) bei einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestages. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und die Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Lothar Wieler und Klaus Cichutek, erläuterten den Abgeordneten die Infektionslage und informierten sie über das laufende Impfprogramm.

Laut Spahn sind mittlerweile rund 1,2 Millionen Bundesbürger geimpft worden. Ebenfalls seien bereits Zweitimpfungen durchgeführt worden. Derzeit sind in der Europäischen Union zwei Impfstoffe zugelassen, die von Biontech/Pfizer und von Moderna. Mit der Zulassung des Impfstoffs von AstraZeneca wird Ende Januar gerechnet.

Keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung des Impfschutzes

Die Virus-Mutationen würden genau beobachtet und ausgewertet, sagte RKI-Chef Wieler. Momentan gehe es vor allem um Mutanten aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien. Grundsätzlich seien Mutationen bei Viren nicht ungewöhnlich.

PEI-Präsident Cichutek versicherte, derzeit gebe es keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Schutzwirkung der Impfungen durch diese Mutationen. Die Nebenwirkungen der Impfungen hielten sich im Rahmen der Erwartungen, in sehr seltenen Fällen fielen sie schwerer aus. Bei „Auffälligkeiten“ würde das PEI sofort reagieren, so Cichutek bei der Sondersitzung.


Hintergrund                           

GISAID (Global Initiative on Sharing All Influenza Data) ist eine weltweite Wissenschaftsinitiative, die freien Zugang zu Genomdaten von Influenza- und SARS-CoV-2-Viren fördert. Sie hat dazu beigetragen, den schnellen Austausch von Daten während der H1N1-Pandemie in 2009, der H7N9-Epidemie in 2013 und jetzt der COVID-19-Pandemie ab Jahresbeginn 2020 zu ermöglichen.

Der Beitrag von GISAID zur Weltgesundheit wurde 2017 von den Gesundheitsministern der G20-Staaten ausdrücklich gewürdigt. 2013 hat bereits die Bundesregierung die langfristige Unterstützung der Initiative zugesichert.

2020 förderte GISAID besonders die weltweiten Forschungsaktivitäten zu SARS-CoV-2, indem es als große Datenbank für dessen Gensequenzen und deren Mutationen zur Verfügung steht und diese fortschreitende Entwicklung auch visualisiert.


Unser Bild zeigt einen Laboranten des Instituts für Mikrobiologie (IMB) der Bundeswehr.
(Foto: Simon Höpfl/Presse- und Informationszentrum Sanitätsdienst)


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