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Leipzig. Ein Beamter, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland dadurch leugnet, dass er in einem Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises durchgehend „Königreich Bayern“ statt „Bundesrepublik Deutschland“ angibt, verletzt in schwerwiegender Weise seine Verfassungstreuepflicht und kann deshalb im Disziplinarwege aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag dieser Woche (2. Dezember) entschieden. Das Verhalten des Mannes sei typisch für die sogenannte Reichsbürger-Szene, so die Urteilsbegründung.

Der Beklagte ist Regierungsobersekretär – Besoldungsgruppe A7 – im Bundesdienst und beim Bundesnachrichtendienst (BND) tätig. Im Jahr 2017 erfuhr der BND, dass der Beklagte im Juli 2015 beim Landratsamt Starnberg einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und dabei unter anderem als Geburts- und Wohnsitzstaat jeweils „Königreich Bayern“ angegeben hatte. Dabei hatte er sich auf das „RuStaG Stand 1913“(„Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913“) bezogen.

Auf die vom BND erhobene Disziplinarklage hin hat nun das Bundesverwaltungsgericht den Mitarbeiter aus dem Beamtenverhältnis entfernt.

Die Existenz der Bundesrepublik Deutschland geleugnet

Das Leipziger Gericht führte in seiner Begründung unter anderem aus: „Mit [seinem] Verhalten stellt [der Beamte] die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede und lehnt damit die freiheitlich demokratische Grundordnung ab. Dadurch verletzt er seine gesetzlich normierte Verfassungstreuepflicht nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG in schwerwiegender Weise.“

Der beklagte Beamte habe bei der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises in vielfacher Weise die Begriffe „Königreich Bayern“ und „RuStAG 1913“ verwendet. Darin liege objektiv die im Behördenverkehr abgegebene Erklärung, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht bestehe, so das Gericht. Als Beamter wisse er um die Bedeutung eines so formulierten Antrags. Zugleich sei ein solches Verhalten typisch für die sogenannte Reichsbürger-Szene, die gerade durch diese Leugnung gekennzeichnet sei. Der Beamte habe zwar angegeben, kein „Reichsbürger“ zu sein, aber auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht plausibel erklären können, warum er sich in dieser Weise verhalten habe.

Das Bundesverwaltungsgericht entschied: „Bei der im Disziplinarrecht im jeweiligen Einzelfall anzustellenden Gesamtabwägung konnten ihn wegen der Schwere des in der Verletzung der Verfassungstreuepflicht liegenden Dienstvergehens auch die für ihn sprechenden Umstände nicht vor der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bewahren.“


Hintergrund                           

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit prüft die Handlungen der Behörden auf Rechtmäßigkeit und schützt somit die Bürgerrechte. Der oberste Gerichtshof des Bundes für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist das Bundesverwaltungsgericht. Es wurde durch Gesetz vom 23. September 1952 zunächst in West-Berlin errichtet, seit 2002 hat es seinen Sitz in Leipzig.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut. In der Regel sind die Verwaltungsgerichte die erste Instanz. Berufungs- und Beschwerdeinstanz sind die Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe der Länder. Das Bundesverwaltungsgericht ist ein Revisionsgericht. Es stellt sicher, dass Bundesrecht einheitlich und richtig angewendet wird. Dazu beurteilt es die Rechtsauffassung der Vorinstanz und kann diese Auffassung bestätigen oder beanstanden. Neben der Aufgabe als Revisionsgericht ist das Bundesverwaltungsgericht in bestimmten Fällen auch erste und gleichzeitig letzte Instanz. Es muss dann auch Tatsachen feststellen.

Dem Bundesverwaltungsgericht gehören 55 Richter (und ja: auch Richterinnen) aus den verschiedenen Bundesländern an, die unterschiedliche Lebens- und Berufserfahrungen mitbringen. Sie arbeiten in Senaten. Bei Beschlüssen im schriftlichen Verfahren entscheiden die Senate in einer Besetzung mit drei, bei Urteilen nach einer mündlichen Verhandlung mit fünf Richtern. Ein Vorsitzender leitet die mündliche Verhandlung. Bei Entscheidungen haben alle Richter das gleiche Stimmrecht. Es gibt am Bundesverwaltungsgericht zehn Revisionssenate und zwei Wehrdienstsenate. Jeder Senat ist für bestimmte Sachgebiete zuständig.

Für die Beurteilung der einzelnen Fälle sind die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland und häufig auch die Rechtsakte der Europäischen Union maßgeblich. Bei der Auslegung dieser Vorschriften spielen die bisherigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ebenso eine wichtige Rolle wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

Unterstützt werden die Senate durch die 150 Beschäftigten der Geschäftsstelle, der allgemeinen und der technischen Verwaltung, der Präsidialabteilung und der Informationsdienste sowie durch wissenschaftliche Mitarbeiter. Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts leitet die Gerichtsverwaltung und repräsentiert das Gericht nach außen. Er ist selbst Richter und Vorsitzender eines Senats.

Das Gericht bearbeitet rund 1500 Verfahren pro Jahr – die getroffenen Entscheidungen haben eine Leitfunktion. Deutschlandweit orientieren sich Behörden von Bund, Ländern und Gemeinden, aber auch Verwaltungsträger wie Universitäten an den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts.


Unser Bildmaterial zeigt Details des Dienstsitzes des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig.
(Fotos: Michael Moser Images/im Auftrag des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts)


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