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Kabul (Afghanistan)/Berlin. Im Rahmen der militärischen Evakuierungsoperation im August dieses Jahres hat die Bundeswehr 5347 Personen aus Afghanistan ausgeflogen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor. Die Fragen zum Themenkomplex „Aktueller Stand der Aufnahmen aus Afghanistan“ stellten Gökay Akbulut, André Hahn und Ulla Jelpke.

Die Bundesregierung differenziert – so die Antwort – „bei den Aus- beziehungsweise Einreisebemühungen“ zwischen drei Personengruppen.

Zu der ersten Gruppe zählen „deutsche Staatsangehörige“ (inklusive Kernfamilien derzeit 430 Personen). Zur zweiten Gruppe zugehörig sind die „als Ortskräfte deutscher Institutionen“ registrierten Personen (4300 Personen, mit Kernfamilien etwa 18.000 Personen). Die dritte Gruppe umfasst bereits registrierte „besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen“ (etwa 2600, mit Kernfamilien nach derzeitigem Stand mindestens 6600 Personen). Abschließende Angaben zur Gesamtanzahl sind für diese Gruppe vorerst nicht möglich, da bei einem Teil der Betroffenen die Informationen zu Familienangehörigen fehlen.

Bundesregierung verhandelt mit Taliban über weitere Ausreisen

Im Rahmen der militärischen Evakuierungsoperation der Bundeswehr wurden nach Auskunft der Bundesregierung – wie bereits zu Beginn erwähnt – insgesamt 5347 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen. Seit Beendigung der militärischen Evakuierung konnten außerdem fast 900 Flüchtende Afghanistan mit Hilfe der Bundesregierung verlassen (Stand: 8. Oktober 2021).

Die Bundesregierung informiert nach eigener Darstellung derzeit deutsche Staatsangehörige, die sich weiterhin in Afghanistan aufhalten, „regelmäßig und individuell über Sicherheitslage und Ausreisemöglichkeiten“. Der Kontakt zu den Ortskräften erfolge vorrangig über die jeweiligen Arbeitgeber, heißt es in der Regierungsantwort weiter. Registrierte schutzbedürftige Afghaninnen und Afghanen würden vom Auswärtigen Amt „über einen beauftragten externen Dienstleister“ kontaktiert.

Weiter heißt es in der Antwort auf die Anfrage der Linken: „Die Bundesregierung führt Gespräche mit den Taliban und den Nachbarstaaten Afghanistans, um Ausreisen zu ermöglichen. Seit der Beendigung der militärischen Evakuierungsoperation konnten hierdurch auf vier Flügen von Kabul nach Doha sowie in mehreren Landtransporten nach Pakistan mehr als 600 Ausreisen ermöglicht werden.“

Büro für Entgegennahme von „Gefährdungsanzeigen“ arbeitet nur noch „virtuell“

Nach Darstellung der Bundesregierung bestand von Mitte Mai bis zum Abzug der Bundeswehr Mitte Juni 2021 für Ortskräfte in Mazar-e Sharif die Möglichkeit, Visa über eine Annahmestelle der Bundeswehr zu beantragen, die dann durch das Auswärtige Amt bearbeitet wurden. Über dieses vereinfachte und beschleunigte Verfahren habe man so rund 2400 Personen Visa erteilen können, berichtet die Regierung.

Zusätzlich hätten sich Ortskräfte zur Einreichung von sogenannten „Gefährdungsanzeigen“ an eine eigens geschaffene Anlaufstelle in der Hauptstadt Kabul wenden können. Das Büro in Kabul werde seit der Machtübernahme der Taliban am 15. August dieses Jahres „virtuell fortgeführt“. Ortskräfte könnten sich außerdem auch weiterhin bei ihren jeweiligen (früheren) Arbeitgebern melden. Diese könnten „über das entsprechende Ressort eine Aufnahmeanfrage anstoßen“.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung – so ist der Antwort zu entnehmen – aufgrund der besonderen Situation in Folge des Abzugs der Bundeswehr und damit der Beendigung des Polizeiprojekts am 16. Juni 2021 entschieden, „für die Ortskräfte des Bundesministeriums der Verteidigung und des Bundesministeriums des Innern die grundsätzliche zweijährige Ausschlussfrist nach dem Ortskräfteverfahren zu öffnen“. Die Regierung erklärt dazu: „Bei der Anpassung der Rahmenbedingungen wurde 2013 als Zeitmarke gewählt, da in diesem Jahr das ressortgemeinsame Ortskräfteverfahren vor dem Hintergrund des Endes der ISAF-Mission am 31. Dezember 2014 eingeführt wurde. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Lage vor Ort ist letztlich entschieden worden, diese Öffnung auch auf die Beschäftigten des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beziehungsweise von Institutionen der deutschen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit auszuweiten.“


Hintergrund                           

Über die Luftbrücke aus Kabul sind auch Menschen nach Deutschland gekommen, die den Sicherheitsbehörden bekannt sind. Bislang wisse man von 20 Fällen, „die sicherheitsrelevant sind, die dadurch, dass sie nicht schon in Kabul geprüft wurden, jetzt in Deutschland sind“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer am 3. September dieses Jahres bei einer Veranstaltung des Internationalen PresseClubs München.

Insgesamt vier der Ausgeflogenen waren – teilweise bereits vor Jahren – von Deutschland nach Afghanistan abgeschoben worden. Wie die Nachrichtenagentur dpa im September berichtete, sollen neben Straftätern auch mehrere Menschen, deren Namen früher schon im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GTAZ) aufgetaucht waren, eingereist sein. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte dazu, zwei Straftäter seien „aufgrund offener Haftbefehle in die Justizvollzugsanstalt eingeliefert“ worden, zwei weitere Afghanen seien „nach wie vor in der Obhut der Behörden“.

Minister Seehofer erklärte zudem im PresseClub, es sei seine Aufgabe als Bundesinnenminister, bei den Ausgeflogenen aus Afghanistan „genau hinzuschauen“. So sei unter den Evakuierten unter anderem ein verurteilter Vergewaltiger. Bei dem von Seehofer genannten Fall handelt es sich um keine ehemalige Ortskraft. Nach übereinstimmenden Berichten von SPIEGEL und BILD war der Straftäter im Jahr 2019 nach Afghanistan abgeschoben worden. Das Landgericht München hatte ihn zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Evakuierung aus Kabul und Ankunft der Geretteten auf dem Flugplatz von Taschkent, Usbekistan. Die Aufnahme stammt vom 17. August 2021.
(Foto: Marc Tessensohn/Bundeswehr)

2. Schnelltestung der Evakuierten auf dem Gelände des Airports Taschkent, danach erfolgte die Registrierung.
(Foto: Marc Tessensohn/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Das Symbolfoto „Evakuierung aus Kabul“ wurde am 21. August 2021 auf dem Hamid Karzai International Airport gemacht und zeigt Menschen, die in der Abenddämmerung in eine C-17 Globemaster III der US-Luftwaffe drängen. Die Evakuierungsflüge der Amerikaner und anderer Nationen aus Kabul waren zu diesem Zeitpunkt die einzige Hoffnung Tausender auf der Flucht vor den Taliban.
(Foto: Taylor Crul/U.S. Air Force/U.S. Central Command Public Affairs)


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