Berlin. Der Bundestag hat am Freitag vergangener Woche (19. Juni) erstmals über den Jahresbericht 2019 des Wehrbeauftragten debattiert. Zuvor hatte die neue Wehrbeauftragte Eva Högl vor den Abgeordneten im Parlament ihre erste Rede im neuen Amt gehalten. Nach ihrer Befassung mit den Inhalten des aktuellen Berichts zog sie ein Fazit. So gab es im Berichtsjahr 2019 ihrer Meinung nach eine ganze Reihe von Verbesserungen für die Soldaten. „Das Positive – rechtlich, sozial und finanziell – muss und soll auch hervorgehoben werden“, so Högl. „Aber es bleiben auch viele Sorgen: Einsatzbelastung, Ausrüstung, Arbeitszeitfragen.“ Eine ganze Reihe von Verbesserungen seien ihrem Vorgänger zu verdanken, betonte die SPD-Politikerin. Hans-Peter Bartels, dem sie in ihrer Rede mehrfach für die Arbeit der vergangenen fünf Jahre dankte, sei dabei engagiert und beharrlich vorgegangen. Högl nannte beispielhaft die Beschaffung von Schutzwesten, das sogenannte Handgeld für Bataillonskommandeure oder die jüdische Militärseelsorge.
Eva Högl folgte auf Hans-Peter Bartels, der nach fünf Jahren im Mai aus dem Amt geschieden war (wir berichteten). Den aktuellen Wehrbericht hatte Bartels am 28. Januar dieses Jahres an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble übergeben (siehe hier).
Laut diesem Bericht und auch nach Ansicht der neuen Wehrbeauftragten leidet die Truppe nach wie vor unter „zu wenig Material, zu wenig Personal und zu viel Bürokratie“. Diese seit Jahren bekannten Probleme beschreibe der von ihrem Vorgänger verfasste Bericht für das vergangene Jahr mit aller Deutlichkeit, sagte Högl im Parlament. Seit 2016 arbeite das Bundesministerium der Verteidigung zwar beharrlich an einer Trendwende. Aber obgleich eine ganze Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht worden seien, spürten die Soldaten 2019 in ihrem Dienstalltag „noch kaum konkrete Verbesserungen“.
Die Wehrbeauftragte ging auch auf die rechtsextremen Verdachtsfälle beim Kommando Spezialkräfte (KSK) ein. Das Agieren des Kommandeurs der KSK, Brigadegeneral Markus Kreitmayr, der in einem offenen Brief Verfassungstreue angemahnt hatte und Soldaten, „die mit dem rechten Spektrum sympathisieren“, zum Austritt aus der Bundeswehr aufgefordert hatte, sei „vorbildlich und gelebte Innere Führung“, befand Högl. Zugleich betonte sie: „Es darf keinen Generalverdacht – weder gegenüber dem KSK noch gegenüber der gesamten Bundeswehr – geben.“ Denn die Mehrheit der Bundeswehrangehörigen übe jeden Tag äußerst verantwortungsvoll ihren Dienst aus „für unser Land, unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat – sie müssen wir stärken“. Die Wehrbeauftragte erklärte: „Rechtsextremismus hat in der Bundeswehr keinen Platz und widerspricht Ehre und Kameradschaft.“
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bediente sich in ihrem Debattenbeitrag der Vorlage Högls und äußerte sich ebenfalls zur Thematik „Rechtsextreme in der Bundeswehr“. Man sei es der überwiegenden Mehrheit der Soldaten, die sich verfassungstreu verhielten, schuldig, „dass all diejenigen, die das nicht tun, in der Bundeswehr erkannt und aus ihr entfernt werden“. Zugleich müssten alle Rahmenbedingungen, die ein antidemokratisches Verhalten begünstigten, „abgestellt“ werden. Dieser Aufgabe stelle sich das Ministerium, versicherte die Ministerin.
Als einen wesentlichen Teil des Wehrbeauftragten-Jahresberichts bezeichnete die CDU-Politikerin den Bereich „Innere Führung“. Sie sagte, man könne zwar die Soldaten ausbilden und ihnen das neueste Gerät an die Hand geben, die entscheidende Frage für die Bundeswehr und die Angehörigen der Bundeswehr sei jedoch die Frage der Haltung. Nur wenn Soldaten die richtige Haltung zeigten –eine, die auf dem Grundgesetz fuße – sei auch die Bundeswehr jetzt und in Zukunft eine Armee aus der Mitte der Gesellschaft. „Eine Armee, die in dieser Gesellschaft ihren Rückhalt und ihre Akzeptanz hat“, so Kramp-Karrenbauer. Deswegen wolle man auch insbesondere die Maßnahmen, die im Bereich der Inneren Führung als Reformen aufgesetzt worden seien, weiter vorantreiben.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Eberhard Brecht erinnerte in seiner Rede daran, dass in diesem Jahr rund 45 Milliarden Euro – und damit neun Prozent des Bundeshaushalts – für die Verteidigung ausgegeben werden sollen. Er sagte dazu: „Angesichts dieser enormen Summe tragen wir alle – das Verteidigungsministerium mitsamt der Bundeswehr, das Bundeskabinett, der Bundestag und hier insbesondere die Verteidigungs- und Haushaltspolitiker – eine ganz besondere Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler, aber natürlich auch gegenüber den Angehörigen der Streitkräfte.“
Brecht, Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages, verwies auf erreichte Erfolge, die im Wehrbericht angeführt würden. So habe es Verbesserungen bei der Zulagenhöhe und dem Trennungsgeld gegeben, aber auch neue Therapieformen bei Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Positiv zu bewerten sei auch, dass sich die Zahl der Neueinstellungen von Zeitsoldaten und freiwillig Wehrdienst Leistenden nach einem langen Abwärtstrend stabilisiert habe, wenn auch die Personalmisere damit keineswegs behoben sei. „Und schließlich dürfen wir alle stolz darauf sein, dass es nun endlich eine rechtliche Grundlage für die Militärseelsorge der etwa 300 jüdischen Angehörigen der Bundeswehr gibt. Nun sollten wir uns auch darum bemühen, dass für die rund 3000 Soldaten muslimischen Glaubens eine ähnliche Regelung zustande kommt“, mahnte Brecht.
Nicht akzeptabel sei allerdings, wenn der Bundestag einerseits zwischen 2014 und 2019 einem Aufwuchs des Verteidigungsetats von 32 Milliarden Euro auf 45 Milliarden Euro zustimme, „die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr anderseits aber nicht nennenswert gesteigert werden konnte“. Zur Misere des Beschaffungswesens der Streitkräfte äußerte der Verteidigungspolitiker: „Der Bundestag erwartet ein professionelles Vertragsmanagement mit definierten Leistungsmerkmalen, vorausschauender Ersatzteilbeschaffung, das auch Entschädigungen durchsetzen kann.“ Er wünsche deshalb, so Brecht, der Ministerin viel Erfolg mit ihrer Initiative „Einsatzbereitschaft“.
Der SPD-Politiker gab abschließend zu bedenken: „Die zahlreichen Kritikpunkte im Bericht des Wehrbeauftragten 2019 haben alle etwas mit der Übernahme von mehr Verantwortung zu tun. So bedürfen viele Entscheidungen der Zustimmung parallel arbeitender Strukturen.“ Viele der langen Prüf- und Genehmigungsverfahren seien schlicht entbehrlich. „Wir sollten wieder zurückkehren zur klassischen Auftragstaktik“, forderte Brecht.
Die freidemokratische Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann, ebenfalls Mitglied im Verteidigungsausschuss, begann ihren Redebeitrag mit einer gezielten Spitze in Richtung der SPD-Fraktionsführung. Der neuen Wehrbeauftragten Högl gab sie mit auf den Weg: „Wir dürfen Ihnen an dieser Stelle noch einmal zur Wahl gratulieren. Von Ihren zukünftigen Berichten erwarten wir, dass diese sich einzig und allein an den Interessen der Soldatinnen und Soldaten orientieren – definitiv nicht an der Agenda Ihres Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, der ja keinen Moment auslässt zu erklären, dass er eben nicht an der Seite der Bundeswehr steht. Sonst würde er sich nicht verweigern, die Sicherheit [der Bundeswehrangehörigen] zu gewährleisten und entsprechende Mittel bereitzustellen.“
Die Materiallage als Basis für die Einsatzbereitschaft sei weiterhin – trotz leichter Verbesserungen – nicht zufriedenstellend, beklagte Strack-Zimmermann danach . Grundsätzlich könnten derzeit Einsätze nur zulasten des Ausbildungs- und des Grundbetriebes durchgeführt werden. Die zu geringe Einsatzbereitschaft liege auch an fehlenden Ersatzteilen und daran, dass Teile der Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten lediglich durch die Industrie erfolgen könnten. Dies sei ein Zustand, den die Freidemokraten „angesichts der Rolle der Bundeswehr in der Welt“ nicht zu akzeptieren bereit seien. Die Bundestagsabgeordnete erinnerte daran: „Die junge Generation hat heute ohne Scheuklappen ein großes Interesse an Sicherheits- und Verteidigungspolitik und auch an der Bundeswehr als Arbeitgeber. Sie erwartet gut ausgestattete und einsatzbereite Streitkräfte.“
Zum Dauerbrenner „Rechtsextremismus in der Truppe“ forderte die FDP-Politikerin: „Die Regierung muss endlich handeln und diesen extremistischen Stall ausmisten.“ Es müsse aufgeklärt werden, ob es Netzwerke gebe, „die von außen auf die Bundeswehr“ einwirkten. Bei der Bekämpfung von Extremisten stehe die FDP an der Seite der Wehrbeauftragten, versicherte Strack-Zimmermann. Im Auge behalten müsse man aber, dass 99,9 Prozent der Soldaten „mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“. Der Bundeswehr gegenüber gelte nach wie vor das Versprechen, dass der Bundestag die Rechtsextremisten aus ihren Reihen entfernen und auch die Strippenzieher entlarven werde, schloss die Abgeordnete.
Auf die „stetig wachsende Belastung“ der Soldaten – auch durch die Ausweitung der Auslandseinsätze der Bundeswehr – verwies Christine Buchholz von der Bundestagsfraktion der Linken. Die Stehzeit im Einsatz sei von vier auf sechs Monate verlängert worden, „obwohl das die Belastung der Familien massiv erhöht und obwohl der Zusammenhang zwischen Stehzeit und Alkoholabhängigkeit sowie psychischen Erkrankungen erwiesen ist“, sagte sie und forderte einmal mehr die Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Was die bekannt gewordenen rechtsextremistischen Tendenzen beim KSK betrifft, so vertrat die Abgeordnete der Linken die Meinung, dass eine solche „Geheimtruppe“ nicht nur im Widerspruch zu Transparenz und parlamentarischer Kontrolle stehe, sondern auch ein Nährboden für rechtes Gedankengut biete. Buchholz appellierte: „Weltweit stellen sich derzeit Millionen Menschen gegen Rassismus in den Sicherheitsdiensten und gegen rassistisches und faschistisches Gedankengut. In der Bundeswehr wie in der Gesellschaft müssen Rassismus und Faschismus klar benannt und bekämpft werden.“
Abschließend äußerte die Politikerin, die die Interessen der Linken auch im Verteidigungsausschuss vertritt, zur Institution „Wehrbeauftragter“. Eine zentrale Aufgabe der oder des Amtsinhabers sei es, eine Ombudsinstitution für Bundeswehrangehörige zu sein. Der alte Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels habe immer wieder die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ins Zentrum gestellt, einen höheren Rüstungshaushalt und zuletzt sogar noch die Beschaffung von Kampfdrohnen gefordert, kritisierte sie. Buchholz wandte sich an die Bartels-Nachfolgerin: „Frau Högl, ich bitte Sie: Rücken Sie die sozialen Probleme, die Wahrung der Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten und den Kampf gegen rechte Netzwerke in den Mittelpunkt des nächsten Berichtes! Es ist eine Menge zu tun.“
Der Verteidigungsexperte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Tobias Lindner befasste sich in seiner Rede zunächst mit dem Komplex „Verteidigungsetat, Ausrüstung und Einsatzbereitschaft“. Das vielbeschworene Zwei-Prozent-Ziel der NATO, das Deutschland auch jetzt noch nicht erreicht habe, bezeichnete Lindner als „absurden Indikator“ im Hinblick auf „die Lastenteilung und den Zustand unserer Streitkräfte“. Es gehe vielmehr um Verlässlichkeit. Die Bundeswehrangehörigen hätten – so der Abgeordnete – „eine Verlässlichkeit verdient, wenn es darum geht, dass der Auftrag, den wir als Parlament der Bundeswehr geben, und die Ausstattung vernünftig zusammenpassen und dass beides realistisch gefasst wird. Lindner warnte: „Planungen zu machen, die sofort in sich zusammenbrechen, wenn die haushälterische Lage einmal anders wird, das ist kein verantwortungsvoller Umgang mit den […] Soldaten.“
Deutliche Worte fand der Verteidigungspolitiker zum Thema „Einsatzbereitschaft“: Wenn wir über die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr sprechen, dann müssen wir doch nicht über neues Material sprechen; dann müssen wir über Hubschrauber sprechen, die nicht fliegen, über Schiffe, die nicht fahren können, über Panzer, die nicht funktionieren. Und da ist an den meisten Stellen nicht Geld das Problem, sondern es sind die Prozesse dahinter, die Ersatzteilversorgung, das ganze Thema der Instandhaltung.“
Heftig rügte Lindner in seinem Debattenbeitrag schließlich die aus seiner Sicht mangelnde Informationspolitik der Verteidigungsministerin. Lediglich über die Presse hätten die Abgeordneten von den Zuständen beim KSK erfahren. „Das ist kein Umgang mit diesem Parlament, liebe Frau Kramp-Karrenbauer“, so der Grünen-Politiker. Heftigen Beifall seiner Fraktion und auch vereinzelt aus den Reihen der Linken bekam Linder am Ende für seine Anmerkungen zum Militärischen Abschirmdienst. Man müsse sich die Frage stellen, ob der MAD in seiner aktuellen Organisationsstruktur und Aufgabenstellung „tatsächlich ein Partner im Kampf gegen Extremismus ist, ob er überhaupt in der Lage ist, gegen Extremismus in der Truppe vernünftig vorzugehen“.
Der Vertreter der AfD, Berengar Elsner von Gronow, lieferte in seinem Redebeitrag eine – sagen wir es wie es ist – extreme Sicht auf die Dinge. Aber das war zu erwarten. Er warnte vor einer „Gesinnungsdiktatur“ und einer „einseitigen politischen Indoktrinierung“ in der Bundeswehr. Eine Bestrafung von zulässigen, „aber nicht den Vorgaben entsprechenden Ansichten wie im National- und Realsozialismus“ dürfe es in den Streitkräften nicht geben. Der neuen Wehrbeauftragten legte der AfD-Experte für Verteidigung (Elsner von Gronow ist Mitglied des Verteidigungsausschusses und eigenen Angaben zufolge Kapitänleutnant der Reserve) ans Herz: „Ich hoffe, Frau Dr. Högl, dass auch Sie Ihr Amt als Anwalt der Soldaten verstehen und zum Wohle der Truppe nicht dem allgemeinen und undifferenzierten Rausch vom Kampf gegen Rechts auch in der Bundeswehr anheimfallen. Denn leider erleben wir ganz aktuell, dass es anscheinend nur noch ein Thema im Zusammenhang mit der Bundeswehr gibt: den Vorwurf des Rechtsextremismus. Das ist zwar ein Trend unserer Tage, zumal sich damit prima von den freiheitsfeindlichen linken Tendenzen in der Politik Deutschlands und der EU ablenken lässt; er wird aber unserer Bundeswehr und unseren Soldaten nicht gerecht.“
Auch der AfD-Abgeordnete versicherte, dass er und die AfD in der Bundeswehr keine Extremisten wollten. Mit seinen undifferenzierten Formulierungen in dem erwähnten Brief schieße der KSK-Kommandeur allerdings über das Ziel hinaus, „und das immerhin mit voller Unterstützung der Verteidigungsministerin“, kritisierte er.
Die Sicht Elsner von Gronows ist fest auf die Welt rechts von der Mitte fokussiert. So beklagte er am Freitag in seiner Rede im Bundestag: „Nimmt man das meines Erachtens überholte klassische politische Schema hervor, hätte niemand im Spektrum rechts vom Punkt der Mitte noch etwas in den Streitkräften zu suchen.“ Und: „Wer soll noch Soldat werden, gar Kommandosoldat? Der politisch korrekte, linke Politikaktivist?“
Selbsterklärend auch folgende Redepassage des AfD-Vertreters: „In weiten Teilen der Truppe ist die Stimmung bescheiden. […] Die jüngsten Entwicklungen sorgen […] zusätzlich bei vielen Soldaten für weitere Demotivierung. War es in der Vergangenheit meist so, dass man sich besser nicht zu laut über Mängel und Missstände äußerte, […] kommt jetzt das Gefühl dazu, einer Art Hexenjagd von Linken und ihren Erfüllungsgehilfen ausgeliefert zu sein, seine Meinungen und Überzeugungen nicht mehr frei äußern zu können, jedes Wort auf die Goldwaage legen zu müssen. Alte Ostkameraden befürchten hier gar eine Entwicklung hin zu Verhältnissen wie in der DDR.“
Zum Schluss seines Auftritts schlägt der Reserveoffizier gar vor – O-Ton: „Geben wir den Soldaten etwas, woran sie sich festhalten können, das ihnen Zusammenhalt und Orientierung gibt, nicht nur eine finanzielle oder intellektuelle, sondern zuletzt auch eine moralische und emotionale Legitimation für ihr Handeln; denn der reine Ordnungsrahmen – Material und Sold, auch der vielpostulierte, abstrakte sogenannte Verfassungspatriotismus – reichen dafür nicht. Ein lebendiger, echter und gelebter Patriotismus, also die Liebe zu unserem freiheitlich-demokratischen Deutschland mit all dem, was dieser Begriff umfasst, wäre ein besseres Motiv für unsere Soldaten, eine bessere Begründung für all ihre Opfer. Und nicht zuletzt wäre das Zulassen und Befördern dieser Art des anständigen Patriotismus der beste Schutz gegen jede Form des Extremismus.“ „Opfer“ und „anständiger Patriotismus“ – Déjà-vu, ich grüße Dich! …
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Anita Schäfer bezeichnete in ihrem Redebeitrag die Bundeswehr als „ein lebendiges, aber auch lebenswichtiges Organ unserer Demokratie“. Die Verteidigungsexpertin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erläuterte: „Die Streitkräfte – das sind zum Beispiel die IT-Spezialistin, der Mechatroniker, die orthodoxe Christin ebenso wie der jüdische Sanitäter. […] Die Vielfalt unserer Gesellschaft ist die Stärke Bundeswehr. Sie bezieht ihre Stärken aus der Inneren Führung und der Bindung an den demokratischen Staat.“ Auch Schäfer stellte in diesem Zusammenhang klar, dass die Bundeswehr keine Extremisten in ihren Reihen dulde.
Zur Frage einer angemessenen Ausstattung der deutschen Streitkräfte wies die Politikerin darauf hin, dass es beim Materialzulauf auch Positives zu verzeichnen gebe. Schäfer nannte Beispiele: „Der Verteidigungsausschuss bearbeitet im Akkord 25-Millionen-Vorlagen zur Beschaffung neuen Materials – Eurofighter, Mehrzweckkampfschiffe, A400M und vieles mehr. Großprojekte wie der Schwere Transporthubschrauber, die Tornado-Nachfolge und das Taktische Luftverteidigungssystem entwickeln sich ebenfalls positiv. Auch bei langfristigen, zukunftsweisenden Projekten wie dem Future Combat Air System oder dem Main Ground Combat System schreiten wir voran.“
Allerdings, so räumte sie ein, gebe es bei der Bereitstellung von Ersatzteilen noch Lücken. Außerdem müssten neben dem Digitalisierungsprozess auch noch Genehmigungsverfahren von Bauvorhaben deutlich effizienter werden.
Alexander Müller, der Obmann der Freidemokraten im Verteidigungsausschuss, wies in seiner Rede auf eine fatale Entwicklung innerhalb der Truppe hin und bezog sich dabei auf die im vorliegenden Jahresbericht des Wehrbeauftragten genannten Problemfelder „fehlendes Material“ und „schlechte Einsatzbereitschaft“ (Müller: „Dr. Bartels schreibt von der Überbürokratisierung der Bundeswehr, von zu wenig Eigenkompetenz der Soldaten und von einer Inneren Führung, die auf Fehlervermeidung statt auf den operativen Erfolg abzielt.“).
Unsere Streitkräfte pflegten eine Kultur, in der Fehler bestraft würden und Auswirkungen auf die Karriere hätten, Erfolge hingegen hätten keinen Einfluss auf die Beförderung, erklärte der FDP-Verteidigungsexperte. „Es gibt ein Anreizsystem, mit dem man unter allen Umständen fehlerfrei bleiben sollte, um Karriere zu machen. Wer etwas wagt, wer sich über die Maßen engagiert, um eine Mission zum Erfolg zu bringen, der wird dafür nicht belohnt. Modernes Projektmanagement geht aber anders“, kritisierte der Diplom-Informatiker.
Es gelte jetzt vielmehr, den Angehörigen der Truppe „eine Kultur vorleben, lösungsorientiert zu handeln, kreativ zu denken und Fehler zu akzeptieren, wenn der Missionserfolg damit gewährleistet“ werden könne. Dazu empfiehlt Müller drei zentrale gedankliche Kehrtwendungen.
Erstens: „Wir müssen die Vorschriftenkataloge entbürokratisieren und deutlich abspecken, so wie der Wehrbeauftragte es vorschlägt. Das können wir aber nicht von den Soldaten verlangen. Dieser Prozess muss von hier, von Berlin ausgehen.“ Zweitens: „Wir müssen der Bundeswehr eine Kultur implementieren, die Fehler akzeptiert, die Fehler nicht zu Karrierekillern macht und die vor allen Dingen den Projekterfolg nach vorne stellt und honoriert.“ Drittens. „Wir müssen bei der Materialbeschaffung viel stärker auf verfügbare Dinge aus dem Regal zugreifen, statt immer die perfekt passende Goldrandlösung neu entwickeln zu lassen.“
Den roten Faden „Rechtsextremismus“, der sich aus aktuellem Anlass durch diese 167. Sitzung des Deutschen Bundestages und alle Redebeiträge zog, nahm an diesem Freitag auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu auf.
Der Obmann der Sozialdemokraten im Verteidigungsausschuss machte noch einmal deutlich, dass für einen Generalverdacht gegen Bundeswehrangehörige kein Anlass bestehe, weder in der Truppe in ihrer Breite noch im Kommando Spezialkräfte im Besonderen. „Rechtsextremismus ist ein gesellschaftliches Problem“, so Felgentreu. „Die Bundeswehr ist ein Teil dieser Gesellschaft, und deshalb ist Rechtsextremismus auch ein Problem der Bundeswehr. Wo er sich festzusetzen droht, brauchen wir eine starke Antwort der wehrhaften Demokratie.“
Der Sozialdemokrat richtete eine eindringliche Botschaft an die Extremisten in den Reihen der deutschen Streitkräfte. Felgentreu: „Ihnen muss bewusst sein, dass Sie sich permanent im Zustand der Eidbrüchigkeit befinden. Sie haben der Bundesrepublik Deutschland Treue geschworen. Wer innerlich mit der Ordnung des Grundgesetzes gebrochen hat, ist zu treuem Dienst nicht in der Lage. Deshalb gilt für Sie: Warten Sie nicht, bis der Dienstherr die notwendige Konsequenz zieht und Sie aus der Bundeswehr entfernt. Kehren Sie in das Treueverhältnis zurück, zu dem sie sich einmal bekannt haben, oder gehen Sie von selbst.“
Die Aussprache über den Tagesordnungspunkt 28 dieser Bundestagssitzung – „Beratung der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten“ – beschloss der Ingolstädter CSU-Abgeordnete Reinhard Brandl. Er ignorierte sein ursprüngliches Redemanuskript und widmete sich ausschließlich der Rede des AfD-Vertreters Berengar Elsner von Gronow. Diesem rief der Unionspolitiker zu: „Ich sage Ihnen eines: Das wirklich Allerletzte, was die Bundeswehr braucht, sind Belehrungen von der AfD, wie sie mit Rechtsextremen in ihren eigenen Reihen umgehen soll.“
Brandl – 1996/1997 Grundwehrdienstleistender bei der Luftwaffe in Manching-Oberstimm, Vorsitzender des CSU-Arbeitskreiseses „Auswärtiges und Verteidigung“ und Mitglied des Bundestagsgremiums „Verteidigungsausschuss“ – warf Elsner von Gronow vor: „Das, was Sie heute hier gemacht haben, das praktiziert Ihre Partei Tag für Tag: einen fließenden Übergang zwischen konservativ-patriotischem Denken und rechtsextremem Gedankengut herzustellen; das ist doch genau das Gift, unter dem das KSK leidet.“
Das Problem sei, dass es beim Kommando Spezialkräfte einige, im Verhältnis zur Gesamtzahl wenige Menschen gebe, die den ganzen Verband von innen heraus vergiften und zerstören wollten. Dabei zerstörten diese Menschen nicht nur die für die Bundeswehr so wichtige Kameradschaft, sondern missbrauchten auch das Prinzip von Befehl und Gehorsam.
Brandl gestand, dass ihn dies alles „wahnsinnig“ ärgere. Denn: „Das KSK besteht aus unseren Elitesoldaten, aus den besten, die wir haben. Aus denen, die wirklich bereit sind, Tag und Nacht – wenn ein Anruf kommt, weil zum Beispiel eine Geisel befreit werden muss – in den Einsatz zu gehen, die bereit sind, ihr Leben für unser Land zu riskieren. Ich bin stolz auf diese Soldatinnen und Soldaten. Ich bewundere sie und habe Respekt vor ihnen. Diesen Respekt sollen sie auch in der Gesellschaft erfahren, und sie sollen nicht, wenn sie irgendwo hingehen, sofort mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werden.“ Diejenigen, die unter diesen Anschuldigungen am meisten leiden würden, seien die Angehörigen des Verbandes selbst, warnte der CSU-Bundestagsabgeordnete. Das KSK sei „kein Sumpf, der ausgetrocknet“ werden müsse, sondern es gebe im KSK „einige Giftkörper“, die entfernt werden müssten, damit „das Wasser wieder klar“ werde.
Der Christdemokrat zeigte sich überzeugt davon, dass die Reinigung am Ende nur dem KSK selbst gelingen könne. Dieser Prozess müsse von innen heraus kommen. Er hoffe inständig, dass dies dem Verband gelingen werde, so Brandl. Er schloss unter dem Beifall seiner Union sowie zahlreicher SPD-Politiker: „Wir brauchen das KSK dringend. Die Sicherheitslage erfordert leistungsfähige Spezialkräfte, in Zukunft wahrscheinlich mehr denn je. Am Ende gilt das Motto des Verbandes: Der Wille entscheidet.“
Text-Hinweis: Für unseren Bericht über die Parlamentsdebatte zum Jahresbericht 2019 nutzten wir – mit freundlicher Genehmigung – auch einen Beitrag des Deutschen Bundestages/Online-Dienste.
Zu unserem Bildmaterial:
1. Das Bild zeigt den zwölften Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, bei der Übergabe seines letzten Jahresberichts am 28. Januar 2020 an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (rechts).
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)
2. Bartels Nachfolgerin Eva Högl am 19. Juni 2020 bei der Debatte um den Jahresbericht 2019 im Bundestag. Die SPD-Politikerin hielt dort an diesem Freitag vor den Abgeordneten ihre erste Rede im neuen Amt.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)
Kleines Beitragsbild: Symboldarstellung „Bundeswehrangehörige“. Die Aufnahme wurde am 20. Juli 2017 auf dem Paradeplatz des Bundesministeriums der Verteidigung in Berlin gemacht. Sie zeigt Rekruten bei ihrem Feierlichen Gelöbnis.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)