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Eckernförde. Der Bund besitzt in seinen verschiedenen Ministerien eigene Schiffe, um Aufgaben auf See und im Binnengewässer – etwa Verwaltungsaufgaben, Forschungsprojekte oder Gefahrenabwehr – wahrzunehmen. Viele bundeseigene Schiffe haben mittlerweile ein beträchtliches Alter erreicht, befinden sich oftmals in Reparatur oder werden durch Neubauten beziehungsweise perspektivisch durch geplante Neuanschaffung ersetzt. Dazu heute ein Blick nach Eckernförde: Hier in der Hafenstadt an der Ostsee hat die Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen, Maritime Technologie und Forschung 71 (WTD 71) ihren Dienstsitz. Zur WTD 71 gehört das Maritime Unterstützungszentrum (MUZ), das der Ressortforschungseinrichtung des Bundes derzeit zehn unterschiedliche schwimmende Plattformen für maritime Grundlagenforschung, technische Erprobungen und Abnahmen zur See zur Verfügung stellt. Dazu gehört auch das Forschungsschiff „Planet“ …

Die „Planet“ ist das modernste Forschungsschiff in der gesamten NATO. Es wurde in der sogenannten SWATH-Bauweise erstellt (SWATH = Small Waterplane Area Twin Hull). Hier wird der Auftrieb wesentlich von den beiden unter Wasser liegenden Schwimmkörpern erbracht. Die schlanken Stege, die beide Schwimmkörper und den Schiffskörper verbinden, tragen nur in geringen Maße zum Auftrieb bei. Das macht die „Planet“ besonders unempfindlich gegen Seegang.

Gebaut wurde die „Planet“ von der damaligen Thyssen Nordseewerke in Emden, bis 2010 ein Tochterunternehmen von ThyssenKrupp im Konzernbereich ThyssenKrupp Marine Systems (das Unternehmen Nordseewerke ist seit 2015 insolvent). Die Kiellegung des Forschungsschiffes erfolgte im April 2002, der Stapellauf im August 2003. Die Indienststellung in Eckernförde war am 31. Mai 2005. Die Baukosten betrugen rund 90 Millionen Euro.

Die eine Rumpfhälfte der „Planet“ ist für die Erprobung von Sonargeräten und Akustiksensoren vorgesehen, die andere für die Erprobung von Torpedos und Torpedoabwehrwaffen. Das Schiff ist dafür unter anderem mit einer Abschussmöglichkeit für Torpedos ausgestattet, die sich im Steuerbord-Schwimmkörper befindet. Eine weitere wichtige Aufgabe des Schiffes ist die Bestimmung von Salzgehalt, Dichte, Strömungen und anderen hydrographischen Parametern. Die davon abhängige Thermokline, der Übergang von Wasserschichten unterschiedlicher Temperatur, bestimmt letztendlich die Ortbarkeit von Ubooten.

Arbeitsfähigkeit der Werft abhängig vom Verlauf der Coronavirus-Krise

Die „Planet“ liegt in Zeiten der Coronavirus-Krise länger als ursprünglich geplant still. Vor fast genau einem Jahr – am 9. Mai 2019 – hatte das Schiff bei der Emder Werft und Dock GmbH, auch bekannt als Emden Dockyard, zur Generalüberholung festgemacht.

Der ursprüngliche Termin für die Fertigstellung jetzt Anfang Mai kann nun laut einem Sprecher des Koblenzer Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) nicht mehr gehalten werden. Niels Rehbock, seit dem Jahreswechsel neuer Chef der Emder Werft und Dock, sagte den Medien: „Das Ende hängt jetzt stark davon ab, wie sich die Arbeitsfähigkeit der Werft im weiteren Verlauf der Krise entwickelt.“ Unter anderem könne nur in kleinen Teams von zwei bis drei Mitarbeitern in den beengten Räumen der Schiffe gearbeitet werden, so Rehbock.

Flotte der WTD 71 umfasst derzeit noch zehn Einheiten

Das Forschungsschiff „Planet“, mittlerweile 15 Jahre alt, gehört noch zu den jüngeren Einheiten der WTD 71. Die Flotte der WDT beziehungsweise des MUZ umfasst neben der „Planet“ im Augenblick noch die beiden Mehrzweckerprobungsboote mittel „Kronsort“ (in Dienst seit 1987) und „Helmsand“ (seit 1988), die beiden Mehrzweckerprobungsboote klein „Mittelgrund“ (seit 1989) und „Breitgrund“ (seit 1990), das Positionierungsboot „Wilhelm Pullwer“ (seit 1966), die Bundesmessschute „Bums“ (seit 1960) sowie zwei Arbeits- und Messboote und ein Funkbeschickungsboot (seit 1971, 1977 und 1988).

Das Dienstalter dieses zehn Einheiten umfassenden Schiffsparks beträgt zusammengerechnet inzwischen 379 Jahre. Der ständige Seeeinsatz bei Forschungs- und Erprobungsprojekten fordert auch hier seinen Tribut. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung vom 3. April dieses Jahres auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion zum Thema „Der Bund als öffentlicher Auftraggeber und Reeder bundeseigener Schiffe“ hervorgeht, verzeichneten WTD-Einheiten in Eckernförde in den vergangen fünf Jahren folgende Betriebs- und Ausfalltage:
Positionierungsboot „Wilhelm Pullwer“: 1711 Einsatztage/392 Ausfalltage
Mehrzweckerprobungsboot „Kronsort“: 1656 Einsatztage/307 Ausfalltage
Mehrzweckerprobungsboot „Helmsand“: 1607 Einsatztage/171 Ausfalltage
Mehrzweckerprobungsboot „Mittelgrund“: 1748 Einsatztage/121 Ausfalltage
Mehrzweckerprobungsboot „Breitgrund“: 1745 Einsatztage/305 Ausfalltage
Wehrforschungsschiff „Planet“: 1337 Einsatztage/226 Ausfalltage

Mehr als 1500 Ausfalltage in den letzten fünf Jahren

Zu Jahresbeginn 2018 hatte Regierungsdirektor Frank Bernhardt, Leiter des Technisch-Betrieblichen Servicebereichs der WTD 71, zu dem auch das Maritime Unterstützungszentrum gehört, in der Fachzeitschrift MarineForum geschrieben: „Phasen wie das Jahr 2015, in denen alle Einheiten für die Erprobungen und Forschungsfahrten planmäßig zur Verfügung standen, sind selten geworden und müssen durch extrem lange Werftaufenthalte in den Vorjahren teuer erkauft werden.“ Und: „Die Überalterung der Erprobungs- und Forschungsschiffe der Rüstungsflotte erfordert – mit Ausnahme des Forschungsschiffes ,Planet‘ – eine grundlegende Erneuerung, da das jeweils geplante Ende der Nutzungsdauer in Kürze erreicht sein wird, beziehungsweise bereits weit überschritten ist. In den nächsten Jahren müssen die mittleren und kleinen Mehrzweckboote ersetzt werden. Für die Arbeits- und Messboote […] sowie für die Bundesmessschute ,Bums‘ und das Positionierungsboot ,Wilhelm Pullwer‘ ist dies sogar längst überfällig.“

Die Indiensthaltung der überalterten Einheiten über die veranschlagte Nutzungsdauer hinaus führe zu einem erhöhten Ausfallrisiko durch unerwartete technische Probleme und zu mit den Jahren immer weiter ansteigenden Instandsetzungszeiten, warnte Bernhardt in seinem damaligen Gastbeitrag. Der Durchschnitt der letzten acht Jahre an Instandsetzungstagen über alle Bootsklassen habe bei mehr als 900 Tagen gelegen.

Dies war zu Beginn des Jahres 2018. Zwei Jahre später betragen die Ausfalltage der WTD-Boote „Wilhelm Pullwer“, „Kronsort“, „Helmsand“, „Mittelgrund“, „Breitgrund“ und „Planet“ bei insgesamt 1522 in den letzten fünf Jahren. Eine Regeneration der Erprobungs- und Forschungseinheiten der WTD 71 Eckernförde scheint – vorerst mit Ausnahme der „Planet“ – unumgänglich.


Zu unserer Aufnahme: Das am 31. Mai 2005 in Eckernförde in Dienst gestellte Wehrforschungsschiff „Planet“. Die „Planet“ gehört neben dem NATO-Forschungsschiff „Alliance“ (Indienststellung 6. Mai 1988) zu den leisesten motorgetriebenen Überwasserschiffen der Welt. Das Schiff kann bis zu 30 Tage auf See bleiben, ehe zur Versorgung ein Hafen angelaufen werden muss.
(Foto: Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Die „Planet“ im September 2006 bei speziellen Erprobungsfahrten.
(Foto: Lothar Ginzkey/Wikipedia/Wikimedia Commons/unter Lizenz CC BY-SA 2.0 de –
vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/deed.en)


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